Theodorus Steib – Ein Fußmaler auf dem Weihnachtsmarkt | Inklusion

Der Dreißigjährige Krieg war seit drei Jahren beendet. Die Verwüstungen und das massenhafte Morden, das er mit sich gebracht hatte, wirkten weiter nach. Viele Menschen konnten gerade so ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wieviel schwerer musste es für die sein, die der Krieg an Seele oder Körper verwundet hatte? Der 22-jährige Theodor Steib konnte es vielleicht nachfühlen – doch er lebte bereits seit Geburt ein deutlich anderes Leben als seine Mitmenschen. Er war ohne Hände geboren worden und kleinwüchsig. Dieses Anderssein war in der damaligen Zeit sicherlich eine Benachteiligung. Doch es war für ihn kein Grund, sich entmutigen zu lassen.

Der Wiener lernte, viele Tätigkeiten mit seinen Füßen auszuüben – nicht nur das Essen und Trinken, auch das Malen. Und Theodorus Steib, wie er sich auch nannte, erwies sich als begabter Maler. Durch Talent, Fleiß und Beharrlichkeit ermöglichte er sich ein selbstbestimmtes Leben. Er zog von Ort zu Ort, um seine Fähigkeiten vor Publikum vorzuführen und mit dem Verkauf seiner Bilder Geld zu verdienen.

In diesem Jahr 1651 besuchte er die Reichsstadt Rothenburg. Die Wintermesse zog zahlreiche Besucher an, die Theodor Steibs Können bestaunten. Der Chronist Sebastian Dehner war nur einer davon, doch er hat seinen Eindruck schriftlich festgehalten. Jetzt ist zusätzlich ein Gemälde, das Steib damals in Rothenburg angefertigt hat, aufgefunden worden. Es misst 14×10 cm und befindet sich nun im Privatbesitz eines Ehepaars, das diesen Schatz gerettet hat. Solche Bilder sind kaum erhalten. Die Eheleute haben den Verein Alt-Rothenburg freundlicherweise auf das Bild hingewiesen und zugestimmt, es hier zu veröffentlichen.

Das Selbstporträt zeigt Steib beim Malen und mit den Utensilien zweier seiner Darbietungen. So befüllte er mit einer Kanne einen Becher und schnitt aus Papier Formen aus. Außerdem malte er Porträts für Interessierte und verkaufte eben die kleinen Bilder von sich selbst. Auf seinem Bild wirkt Steib konzentriert – als könnte man ihm abspüren, wie sehr sein Leben von seinen Fähigkeiten abhängt. So ist dieses Gemälde ein eindrucksvolles Zeugnis des Lebens eines Menschen mit Behinderung Mitte des 17. Jahrhunderts und auch der ehemaligen Reichsstadt Rothenburg dar.

Eine ausführliche Betrachtung zu Theodor Steib und seinem Aufenthalt in Rothenburg erscheint 2023 in der „Linde“.

Dr. Florian Huggenberger

 

Aktuelle Mitteilung:

Das Bild ist nun offiziell „National wertvolles Kulurgut

Dank den Besitzern des Bildes.

Weitere Infos
dazu finden Sie hier

 

 

Foto: Privatbesitz