Umdenken ist dringend notwendig

Vortrag von Klaus-Jürgen Edelhäuser über die bauliche Entwicklung Rothenburgs

 

Im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg sprach Dipl. Bauingenieur Klaus-Jürgen Edelhäuser vor rund 60 Zuhörern über (von ihm meist negativ beurteilte) neuere Veränderungen und Entwicklungen im Bau- und Planungswesen Rothenburgs. Wie Oberbürgermeister Hartl ist Edelhäuser Mitglied im Landesdenkmalrat (von der Landesingenieurkammer bestellt).

Häufig ging es in seinem Vortrag um den „Grüngürtel“ um die Stadtmauern, um Gebiete mit oft wertvoller historistischer, überwiegend lockerer Bebauung, die allerdings nach der momentanen Rechtslage vor Veränderungen auch größeren Stils nicht besonders geschützt und jederzeit durch moderne, auf die Nachbarschaft wenig Rücksicht nehmende Bebauung gestört werden kann.

 

Das Ensemble innerhalb der Stadtmauern

Die weltberühmte Rothenburger Altstadt entstand über Jahrhunderte hinweg als organisches Gesamtkunstwerk aus kirchlichen und weltlichen Großbauten, Bürgerhäusern und Wirtschaftsgebäuden. Die Einzigartigkeit dieses Ensembles wurde schon in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannt und machte die Stadt zu einem „Nationaldenkmal“.

Bereits kurz nach 1900 erließ die Stadt, nicht zuletzt auf Anregung des Vereins Alt-Rothenburg, eine Baugestaltungsverordnung, die das Alte erhalten und Neues harmonisch einfügen sollte. Diese galt damals als mustergültig und sorgte deutschlandweit für Aufsehen.

Auch heute schützen staatliche und städtische Regelwerke das Ensemble „Alt-Rothenburg“.  Man mag darüber streiten, ob einzelne Baumaßnahmen in Vergangenheit und Gegenwart immer geglückt sind. (Bei einigen ist Klaus Edelhäuser allerdings der Auffassung, dass es sich eindeutig um Missgriffe handelt.)  Im Großen und Ganzen erscheint der Schutz der Altstadt im Prinzip als ausreichend.

 

Der Wiederaufbau nach 1945

Kaum einem Besucher Rothenburgs ist auf den ersten oder zweiten Blick bewusst, dass ein großer Teil der östlichen Altstadt 1945 vernichtet wurde und anschließend wieder neu entstand. Noch immer wird die Stadt trotz der Kriegszerstörungen als Gesamtensemble empfunden.

Laut Edelhäuser zählt es zu den Besonderheiten der Wiederaufbaugeschichte Deutschlands und zu den großen Leistungen der Rothenburger Bürger der Nachkriegszeit, einen eigenen Weg gesucht und gefunden zu haben. Nach harten und langwierigen Diskussionen, in denen schließlich der vom Landesamt für Denkmalpflege vermittelte Architekt Fritz Florin eine maßgebliche Rolle spielte, kam es zu einer spezifischen, einmaligen „Rothenburger Lösung“. Vorschläge für eine autogerechte Stadt, wie man sie gleichzeitig etwa in Crailsheim, das vor den amerikanischen Luftangriffen eine romantische, idyllische Altstadt hatte, umsetzte, wurden in Rothenburg ebenso verworfen wie die detailgetreue Rekonstruktion der „mittelalterlichen“ Häuser.

Stattdessen hielt man sich weitestgehend an die alten Straßenfronten und Grundstücksgrößen, baute in der Ausrichtung der Häuser spitzgiebelig und traufständig unter Berücksichtigung der alten Proportionen, aber alles andere als historistisch, sondern schuf zeitgemäße Wohn- und Geschäftsgebäude, die auch durch die „Entkernung“ der Hinterhöfe heller, luftiger und attraktiver wurden. Heute sollten auch die Gebäude des Wiederaufbaus, von denen nur einige wenige unter Denkmalschutz stehen, als wertvolle Dokumente der Vergangenheit angesehen und entsprechend behandelt werden.

Der nach 1945 gegenüber der vom Krieg verschonten wie der zerstörten  Bausubstanz hinsichtlich Bauvolumen („Kubatur“) und Bauhöhe bewiesene Respekt sollte auch in unserer Zeit den Häusern der Wiederaufbauzeit entgegengebracht werden. 

 

Bausünden in der Altstadt 

Anlass zur Gründung des Vereins Alt-Rothenburg war1898 der Neubau bzw. die Erweiterung des Hotels „Zum Hirschen“ in der Unteren Schmiedgasse, das dem „mittelalterlichen“ Geschmack der damaligen Rothenburger so ganz und gar nicht entsprach. Seitdem wurde und wird in Rothenburg um das Aussehen der Altstadt immer wieder gestritten.

In letzter Zeit ging es z. B. um das Sparkassengebäude am Kapellenplatz. Wie vor einiger Zeit der Verein Alt-Rothenburg beanstandete Edelhäuser den blauschwarzen Fassadenanstrich, der angeblich vom Bauherrn („Investor“) verlangt und durchgesetzt wurde.

Der kürzlich leider verstorbene Vereinskassier Peter Nedwal, ein ausgebildeter und weithin anerkannter Künstler, hat bei dieser Gelegenheit leider vergeblich versucht, die Rothenburger Tradition der pastellfarbenen Häuser zu vermitteln. In anderen Städten Süddeutschlands, so Edelhäuser, habe es in der Vergangenheit durchaus satt-farbige, sehr bunte Häuser gegeben. In Rothenburg sei das jedoch nie der Fall gewesen. Auch die Fenster am südlichen Neubau der Sparkasse entsprechen überhaupt nicht den Rothenburger Regeln.

Das wird möglicherweise „kleine“ private Baubewerber ärgern, die sich mit penibel einzuhaltenden Vorschriften auseinandersetzen müssen. Völlig aus dem gewohnten Rahmen fällt z. B. ein Haus in der Klosterweth nördlich des Reichsstadtmuseums, mit neuem, großem Wintergarten. Die Frage lautet: Warum genehmigt man so etwas? Reicht es, eine hohe Gartenmauer um das Grundstück zu ziehen, um den absolut unpassenden Neubau zu verstecken? Wohl kaum.

 

Jenseits der Stadtmauern – der „Rahmen“ wird durchlöchert

Der zum Ensemblebereich „Altstadt“ gehörende und geschützte „Grüngürtel“ endet  bereits an der Linie Bezoldweg – Hornburgweg – Topplerweg – Friedrich-Hörner-Weg. Außerhalb davon befinden (bzw. befanden) sich umfangreiche Grünflächen und wertvoller Baubestand des späten 19. und frühen  20. Jahrhunderts. Rein baurechtlich ist dieses Gebiet nach Edelhäuser „vogelfrei“, da seitens der Stadt bisher keine präzisen Vorgaben hinsichtlich Gestaltung und Nutzung gemacht wurden.

So konnte z. B. das „Ärztehaus“ im ehemaligen Amtsgerichtsgarten – Teil des früheren Grüngürtels – problemlos genehmigt werden. Obwohl es von manchen anders gesehen wird, stört nach Edelhäuser das Gebäude hinsichtlich seiner Bauart, Größe und Höhe den trotz aller Bausünden der Vergangenheit noch intakten baulichen Zusammenhang und fügt sich nicht in die Umgebung ein – insbesondere, wenn man es von der Rückseite her betrachtet.

Ähnlich verhält es sich beim aktuellen Neubau eines Wohnblocks an der Pürckhauerstraße: Groß, wuchtig, gesichtslos, mit Flachdach hebt es sich negativ von der Umgebung mit teils villenartiger historistischer Bebauung und ihren schönen, vielfältigen Zierformen ab und stellt – wie das „Ärztehaus“ – eindeutig einen Fremdkörper dar.

Gerade der voluminöse Ergänzungsbau des Hotels „Zum Rappen“ vor dem Galgentor, also an einer markanten Stelle, wo der Besucher die alte Stadt betritt, zeigt mit seiner unglücklichen Höhensituation, wie gefährlich sich das Fehlen von strengeren Regeln im Außenbereich unmittelbar jenseits der Stadtmauern auswirkt.

Für das Brauhausgelände bietet sich jetzt vermutlich die Chance zu Neuplanungen, die auf die Situation direkt vor dem Klingentor und an der Hangkante zum Taubertal Rücksicht nehmen müssen. Auch das dortige Arbeiterwohnhaus aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts sind schützenswert.

Insgesamt verglich Klaus Edelhäuser den unmittelbaren Umgriff der Altstadt mit dem wertvollen Rahmen eines kostbaren alten Bildes. Beschädigt man den Rahmen, leidet auch das Bild selbst

 

Vorsicht in den Außenbezirken der Stadt!

Als die Stadt Rothenburg allmählich über ihre alten Grenzen hinauswuchs, behielten die damaligen Stadtplaner das Stadtbild im Auge. Die Neubausiedlungen wie der Heckenacker kamen mit recht geringen Gebäudehöhen aus. Noch in der Zeit um 1960/70 wurden zum Beispiel die Häuser in der Hans-Sachs-Straße relativ niedrig im Bungalowstil errichtet.

Und wenn man doch einmal höher baute (Wiesenstraße, Stettiner Straße – „Hochhaus“), achtete man darauf, dass die Blickachsen auf die Altstadt nicht verstellt wurden. Heute ist das leider oft nicht mehr der Fall, wie die „penthousebekrönten“ Wohnblöcke am neuen Heckenacker belegen.

 

Was sollte man anstreben?

– In der Altstadt muss weiter sehr behutsam vorgegangen werden.

– Das „Glacis“ um die Stadtmauer sollte besser geschützt werden, in der jüngeren Vergangenheit verwirklichte Bauvorhaben von „Investoren“ haben gezeigt, was alles möglich ist. Im Moment besitzt die Stadt offenbar nicht den nötigen Willen, um die bauliche Entwicklung in diesem Bereich wirksam zu steuern.

– Vor allem in den Außenbereichen (Verbrauchermärkte  usw.) sollte man die zunehmende Bodenversiegelung bekämpfen.

– Für die zukünftige Entwicklung der Stadt sollte man sich fragen: „Was wollen wir wo haben?“ und entsprechende Regeln, z. B. in Gestalt von Bebauungsplänen aufstellen.

 

Eine Anmerkung von Klaus-Jürgen Edelhäuser am Ende seines Referats:
Auch ein Denkmal darf sich verändern – aber es muss Regeln geben! Gibt’s diese in Rot, und: werden sie eingehalten…?

 

rs