05.02.2010 | Kinderhexenprozesse in Rothenburg

Dr. Alison Rowlands:
Kinderhexenprozesse in der Reichsstadt Rothenburg 1587-1709
20.00 Uhr | Gasthaus Glocke | Plönlein | 91541 Rothenburg ob der Tauber | Eintritt frei

 

Kinderhexenprozesse in der Reichstadt Rothenburg

Die Verfolgung der Hexen gehört zu den bestuntersuchten Problembereichen im Rothenburger Land. Seit 1989 wertet die Dozentin für Europäische Geschichte an der Universität Essex in England, Frau Dr. Alison Rowlands, die einschlägigen Archivbestände aus, vor allem teils umfangreiche Akten über Hexenprozesse. 2003 ist ihr grundlegendes Buch „Witchcraft narratives in Germany, Rothenburg. 1561- 1652“ erschienen. Rowlands Ergebnisse zur Verfolgung von Hexen weichen für das Rothenburg Land deutlich von den gängigen Vorstellungen ab: In Rothenburg übten die Gerichte bei der Verfolgung angezeigter Hexen große Zurückhaltung.

Für diese Zurückhaltung gibt es nach Rowlands mehrere Gründe. Dazu gehört die Einstellung der Rothenburger Richter, potentielle Ankläger möglichst von Verleumdungen abzuhalten. Bei der Prozeßführung wurde auf die Anwendung der Folter weitgehend verzichtet. Offensichtlich bestand bei den Richtern die Überzeugung, für Fehlurteile beim jüngsten Gericht geradestehen zu müssen. Die Zurückhaltung der Richter gegenüber populistischen Stimmungen trug zur Unabhängigkeit der Rothenburger Rechtsprechung bei. Im Ergebnis führte diese Einstellung der Rothenburger Richter dazu, dass es nicht zu Hexenjagden und den damit verbundenen staatsgefährdenden Unruhen kam, was sicher vielen Menschen das Leben rettete.

Beim aktuellen Vortrag des Vereins Alt-Rothenburg wird Frau Dr. Rowlands auf die Behandlung von „Kinderhexen“, also vermeintlicher Hexen unter 18 Jahren, eingehen. Auch dazu sind im Rothenburger Archiv relativ viele Unterlagen vorhanden. Die Mehrzahl der Kinderhexen hatten offenbar freiwillig ausführliche Geschichten über eigene Hexerei erzählt. Meist berichteten sie von ihrer angeblichen Verführung zur Beteiligung an einer Hexengruppe und ihrer Teilnahme an Hexentänzen. Hier konnte die Strategie der Richter, Verleumder von leichtfertigen Reden abzuhalten, nicht greifen. Frau Dr. Rowlands wird auf das juristische Vorgehen der Richter und die zugrundeliegenden rechtlichen und theologischen Vorstellungen eingehen. Sie geht den Gründen nach, warum Kinder Hexengeschichten erzählten, und behandelt die juristischen und sozialen Folgen, die die Selbstanklagen für die Kinder selbst und beschuldigte Erwachsene hatten. Eine Entwicklung der Rechtsprechung wird beim Vergleich des ersten Falls, des 6-jährigen Hans Gackstatt aus Hilgartshausen (1587), mit dem letzten Fall, dem 12-jährigen Hans Caspar Kürrlein aus Rothenburg (1709), deutlich.

Der Verein Alt-Rothenburg begrüßt, dass Rothenburg als positives Beispiel der Behandlung verdächtigter Hexen in England bekannt geworden ist, er freut sich über ein reges Interesse an diesem Vortrag und erhofft sich über den verbesserten Informationsstand hinaus, dass bei Ausstellungen und Stadtführungen künftig auch bei diesem Thema stärker dem tatsächlichen Forschungsstand für Rothenburg Rechnung getragen wird.