Jahresbericht 2009/10

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

wenn man lange Jahre im Vorstand des Vereins Alt-Rothenburg tätig ist, hat das vielleicht mit Eitelkeit, mit Pflichtbewusstsein, mit Interesse an der Sache, mit Gewöhnung oder anderen Motiven zu tun. Darüber will ich gar nicht nachdenken, denn wer kennt sich schon selbst.

Als mich Dr. Schnurrer vor fast 25 Jahren im Lehrerzimmer unseres Gymnasiums fragte, ob ich den Posten des Schriftführers im Verein übernehmen wolle, hat mich vor allem ein Argument überzeugt: „Da schreibst ein paar Protokolle und ein paar Briefe, viel mehr ist da nicht.“ Im Lauf der Zeit ist die Arbeit für den Verein doch ein wenig umfangreicher geworden. Ich will aber nicht jammern, sondern auf die vielfältige Bereicherung hinweisen, die einem eine Tätigkeit im Verein Alt-Rothenburg bringt. Reichtum im materiellen Sinne beschert das freilich nicht. Aber man lernt dazu, man interessiert sich für Neues, und nicht zuletzt macht man die Bekanntschaft recht vieler Leute. Teilweise werden diese lästig oder verursachen gar Ärger, meist aber sind sie angenehm, vermehren das eigene Wissen und schärfen den Blick auf die Welt.

Solche Kontakte machen natürlich Arbeit, kosten Zeit. Aber daran denkt man nicht, wenn man etwa mit Nürnberger Geschichtsfreunden durch unsere Altstadt spaziert, ihnen das alte wie das moderne Rothenburg näherbringen kann und dabei zugleich einiges über den Umgang mit Geschichtsschreibung und Denkmalpflege woanders erfährt.

Eine dieser Begegnungen führte mich mit einem aus Norddeutschland stammenden, inzwischen emeritierten Professor für Denkmalpflege und Stadtplanung zusammen. Zwei- oder dreimal haben wir gemeinsam die Rothenburger Altstadt besucht.

Ich erinnere mich an ein kurzes Gespräch im Schatten des ehemaligen Amtsgerichts über die historistischen Gebäude und an die Ermahnungen des Professors, auch hierauf in Zukunft ein scharfes Auge zu haben. Mir fällt dazu ein, wie engagiert man sich z. B. an der Berufsschule um die Bewahrung dieses Erbes bemüht und wie nachlässig man in der Vergangenheit mit dem Brauhaus umgegangen ist. Erfreulich ist auch, wie liebevoll sich manche Privatleute um ihre Häuser aus der Epoche nach der Reichsgründung kümmern. Die Bedeutung der vielen, mehr oder weniger ansehnlichen Bauensembles aus der Zeit des Historismus in Rothenburg ist auch unter dem Aspekt zu würdigen, dass sie zum großen Teil an den Einfallstraßen der Touristen liegen und damit eine Art Visitenkarte der Stadt darstellen.

Blick in die Galgengasse © Dr. Hellmuth Möhring

Die Galgengasse ist natürlich erst recht einer der Hauptwege, auf denen Gäste in die Stadt gelangen. Das Hin und Her der letzten Jahre über die Verkehrsführung möchte ich hier nicht kommentieren. Die Gestaltung bzw. Verunstaltung der Straße mit den klobigen Blumenkästen, den kuriosen Metallbügeln und ein paar einsamen Bäumen wollte ich noch vor ein paar Wochen ausführlicher in diesem Jahresbericht aufgreifen. Unserer ehemaliger Vereinsvorsitzender Friedrich Keith hat das in einem Zeitungsartikel vom 1. April für mich erledigt. Ich kann seine kritischen Anmerkungen beinahe Wort für Wort unterschreiben. Schon im letzten Jahresbericht habe ich die Möblierung mancher Gassen und Plätze moniert, wir haben die nicht eben eleganten Sitzbänke in Frage gestellt. (Gegen Sitzgelegenheiten für Besucher der Altstadt habe ich selbstverständlich nichts einzuwenden, es kann dar nicht genug davon geben. Aber sie sollten richtig plaziert werden und einigermaßen geschmackvoll aussehen.) Ich möchte hier zum wiederholten Mal darauf hinweisen: Eine historische Stadt wie Rothenburg braucht keine Überfrachtung durch unnütze „Accessoires“. Im Gegenteil: Straßen und Plätze wirken, wie etwa auf den Kupferstichen von Johann Friedrich Schmidt aus dem Jahr 1762 gut zu erkennen, gerade durch das Fehlen solchen Blumentrogschnickschnacks, gewinnen Ästhetik und Würde. Zudem will und muss Rothenburg in Anbetracht der großen Besucherzahl ja fußgängerfreundlich sein. Bei zukünftigen Planungen kann man also ruhig davon ausgehen, dass die Masse der Touristen die Stadt nicht mit dem Auto, sondern zu Fuß erleben möchte. Blumenkübel, mitten auf dem Gehsteig herumstehende Sitzbänke und andere Stolpersteine werden dabei eher hinderlich sein. Ich sage es noch einmal: Straßengestaltung und Verkehrsführung in der Altstadt sollten aus der Sicht des Fußgängers erfolgen. Eine Randbemerkung sei erlaubt: Als Kinderwagenschieber, als Begleiter älterer Menschen mit Gehhilfen und als Beobachter jüngeren Damen auf dünnen Schuhsohlen habe ich die Tücken des meist grobschlächtigen Rothenburger Pflasters oft genug erlebt. Der Umbau der Schmiedgasse oder in der oberen Georgengasse veranlassen mich allerdings, dem Stadtbauamt ein Lob auszusprechen. Hier wurden fußgängerfreundliche und zugleich geschmackvolle Lösungen umgesetzt. Hier kehrt Vernunft ein in Rothenburg.

Mir ist bewusst, dass der Gestaltungsmöglichkeit von Stadtverwaltung und Stadtbauamt durch gesetzliche und verwaltungsrechtliche Vorgaben Grenzen gesetzt sind. Eine „Spielstraße“, eine „verkehrsberuhigte Zone“ usw. haben eben so und so auszusehen und müssen entsprechend gekennzeichnet und ausgestattet sein. Und die Stadtverwaltung ist diesen Sachzwängen ausgesetzt, muss mit ihnen klarkommen. Wenn das dann, wie in der Galgengasse, zu peinlichen, von vielen Seiten bespöttelten Ergebnissen führt, könnte man für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die Derartiges umsetzen und in der Öffentlichkeit verteidigen müssen, fast Mitleid empfinden. Tröstlich in der ganzen Angelegenheit ist jedoch die Tatsache, dass Möbel ebenso schnell wieder entfernt werden können wie sie aufgestellt wurden. Die Steintröge werden also nicht auf ewige Zeiten bleiben. Und die grässlichen Metallbügel schon gar nicht.

 

Ein Zeitungsartikel vom 30. April 2010 mit der Schlagzeile“ Stadt hat nie in Käseglocke gelebt“, in dem der Oberbürgermeister und der Stadtbaumeister zu Wort kamen, vermittelt den Eindruck, der Verein Alt-Rothenburg sei seitens der Stadt in wichtige Veränderungen wie etwa in der Galgengasse eingebunden worden. Dem ist nicht so, wie Herr Mall vor kurzem der Öffentlichkeit in einer Presseerklärung mitgeteilt hat. Die momentane Verschandelung der Galgengasse, die Veränderungen am Burggärtnerhaus wurden mit uns nicht besprochen. Mehr muss dazu nicht gesagt werden.

Dauerhafte, nicht wieder gutzumachende Beschädigungen und Verluste der historischen Substanz unserer Stadt zu verhindern – das ist eines der wesentlichen, das vielleicht wichtigste Aufgabenfeld unseres Vereins. Hier haben wir im letzten Jahr mit dem Bebauungsplan am Turmseelein eine Niederlage erlitten, die auch durch gewisse Nachbesserungen zum wenigstens teilweisen Schutz des Bodendenkmals nicht viel weniger schmerzt. Heuer wird nun die Baugestaltungsverordnung der Stadt nach langen Beratungen ihre endgültige Fassung erhalten und rechtskräftig werden. Der Verein wird dazu eine Stellungnahme abliefern, die Hand und Fuß hat und die Bedeutung des Denkmalschutzes in Rothenburg betont. In Fragen der Wärmedämmung und der Sonnenkollektoren zur Warmwasserbereitung wird man den Hausbesitzern so weit wie möglich entgegenkommen.

Die Grenzen sind allerdings da erreicht, wo historische Bausubstanz massiv zerstört und das Stadtbild nachhaltig beeinträchtigt wird. Hier müssen wir auch an den Gemeinsinn der Bürger appellieren. „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ – solche markigen und in der Vergangenheit häufig missbrauchten Binsenweisheiten können wir uns allerdings sparen, sie wirken heute eher lächerlich. Aber ein bisschen Erinnerung an den trotz aller Konflikte letztlich doch breiten Konsens in der Stadt, der den Wiederaufbau nach dem Krieg in seiner gelungenen Gestalt erst ermöglicht hat, könnte nicht schaden. Einzelne Bauanträge oder –vorhaben wie etwa der Einbau von kleinen Tiefgaragen mit der damit verbundenen Zerstörung einer schönen alten Gartenmauer oder eines gewachsenen Platzensembles sind für mich nur die Speerspitze der Angriffe auf „Alt-Rothenburg“. Bei allem Verständnis für die Tatsache, dass Immobilien möglichst profitabel genutzt werden möchten, verlange ich doch ein gewisses Maß an Respekt gegenüber der alten Stadt. Nicht alles geht hier in Rothenburg, und manches schon gar nicht. Wann und wo hat man denn die Probe aufs Exempel gemacht? Man möge doch einmal konkrete Fälle nennen, wo die Berücksichtigung des Denkmalschutzes größere Baumaßnahmen von privater Seite in der Altstadt verhindert hat. Die Schlagworte „Leerstände“ (negativ) und „Investoren“ (positiv) überzeugen mich nicht. Etwas komplizierter und sensibler ist die Sache wohl schon, als dass man sie derart pauschal abtun könnte. Als wir uns vor Jahren gegen den Abriss eines Hauses in der Hafengasse (ehemalige Schreibwarenhandlung Otto Leonhard Gahm) wehrten, fand sich ja auch ein „Investor“, der mit der alten Bausubstanz leben konnte.

 

© Jochen Ehnes

Den Wiederaufbau nach 1945 hat auch der schon mehrfach erwähnte Professor als sehr positiv empfunden und sich, als wir an der Einmündung der Rosengasse in die Galgengasse mit der durchdachten architektonischen Ecklösung standen, sehr gewundert, dass die Stadt in ihrer Selbstdarstellung kaum Notiz von diesem das heutige Stadtbild im höchsten Maße prägenden Abschnitt ihrer Geschichte nimmt. Es ist ja sehr erfreulich, wie man seit einiger Zeit durch dezent gestaltete Hinweistafeln den Besuchern geschichtliche und kunsthistorische Informationen über die Bauwerke der Stadt zur Verfügung stellt. Bei der Fortsetzung dieser Aktion sollte man auch an den Wiederaufbau denken und entsprechende Hinweisschilder anbringen.

Das Zauberwort „Stadtentwicklung“ geistert schon lange durch die öffentliche Diskussion und durch die Lokalpresse. Manchmal vermitteln Zeitungsartikel den Eindruck, schon ein wenig Außenbestuhlung von Wirtshäusern und Cafés unter bunten Sonnenschirmen auf holprigem oder gar abschüssigem Pflaster und die damit angeblich automatisch entstehenden „Flaniermeilen“ mit „Ambiente“ und „Flair“ seien wesentliche Elemente von „Stadtentwicklung“. Der Begriff beinhaltet aber wesentlich mehr und Ernsteres als geschmäcklerisch-provinzielle Verbeugungen vor dem Zeitgeist. In erster Linie geht es doch bei der Weiterentwicklung der Stadt um die Schaffung und Verbesserung von Voraussetzungen, die den Erhalt und die Vermehrung gewerblicher Arbeitsplätze, das Angebot an Dienstleistungen, die Wohnqualität in der Stadt und vieles andere im Auge haben.

© Jochen Ehnes

Das Taubertal ist ja zum Glück ein Tabu, an dem niemand rühren will. An manchen Stellen hat es allerdings sehr viel Moos angesetzt, ist stark verbuscht oder gar vom Wald zurückerobert worden. Damit wird einerseits die historische, früher stark vom Weinbau geprägte Kulturlandschaft immer weniger sichtbar. Und andererseits wird der Blick aus dem Tal und vom Gegenhang auf das „fränkische Jerusalem“ beeinträchtigt. Teilweise auch die Aussicht von der Stadt ins Tal hinab. Vielleicht sollte man über Maßnahmen zur teilweisen Lichtung der Tauberhänge nachdenken, bevor man sich an den jetzigen Zustand gewöhnt. Damit meine ich natürlich nicht die Entfernung ökologisch wertvoller und schöner alter Bäume, sondern die Beseitigung des wild wuchernden Unterwuchses, der die Hänge inzwischen fast flächenhaft erobert hat. Der Blick aus dem Tal hinauf auf die Stadt und umgekehrt von der Stadt hinab ins Tal gehört doch zu den Besonderheiten Alt-Rothenburgs, die es zu bewahren gilt. Im Stadtgebiet muss man unbedingt Rücksicht nehmen auf den alten Baumbestand. Falls am Bezoldweg-Parkplatz die angedachte Wendeschleife für Busse doch noch eines Tages umgesetzt werden soll, stehen zahlreiche Obstbäume in der Schusslinie.

Nicht gewöhnen werden sich viele an den Verlust eines schönen, in seiner Art historischen Gartens in der Altsstadt. Ich meine das vielfach fotografierte „Bauerngärtlein“ in der Spitalgasse. Hier stellt sich eine gewisse Wehmut ein. Musste das wirklich sein? Auch der „Bärengarten“ neben dem ehemals bedeutenden Rothenburger Gasthof in der Hofbronnengasse sah früher anders aus. Man weiß nicht, was in von der Straße nicht einsehbaren „Hinterhöfen“ geschieht. Das zum Thema „Grün in der Altstadt“.

 

 

Kommen wir nun zum Bereich der Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung. Unsere beiden letzten Jahresgaben waren ein recht großer Erfolg beim Publikum. Die Wiederaufbau-Arbeit von Berger-Lauterbach wie der Kulturführer durch die Landwehr haben sich gut verkauft, so dass wir einen Teil der Druckkosten wieder hereinholen konnten. Um die Jahresgabe 2009 haben sich neben Dr. Möhring, der für die Bebilderung und das Layout gesorgt hat, auch Horst Brehm und Professor Borchardt als Autoren und Günter Heckmann sowie Willi Pfitzinger als Fotografen verdient gemacht. Vor allem die Luftbilder von Herrn Pfitzinger bereichern das Buch ungemein.

Die Redaktion der „Linde“ ist mit Beginn des Jahres in neue Hände übergegangen, nachdem Dr. Schnurrer seine verdienstvolle Tätigkeit nach mehr als 40 Jahren beendet hat. Ich möchte ihm herzlich dafür danken, dass er die „Linde“ zu dem gemacht hat, was sie ist, nämlich zu einer seriösen Heimatzeitschrift, die wissenschaftlichen Ansprüchen absolut genügt, ohne dabei langweilig zu sein. Das neue Redaktionsteam, bestehend aus Dr. Gußmann, Dr. Möhring, Frau Tarokic M.A., Ekkehart Tittmann und meiner Wenigkeit, wird sich bemühen, die „Linde“ im Sinne Dr. Schnurrers weiterzuführen. An dieser Stelle möchte ich mich einmal beim Verlagshaus Schneider bedanken, das die Publikation und Verbreitung der „Linde“ ja schließlich erst ermöglicht. In anderen fränkischen Kleinstädten sind solche „Heimatbeilagen“ schon längst eingeschlafen, in Rothenburg ist das nicht so. Also nochmals: Vielen Dank für die Unterstützung unserer zugleich wissenschaftlichen wie heimatkundlichen Bemühungen!

Dank der Aufgeschlossenheit von Pfarrer Dr. Gußmann halten wir guten Kontakt zur Arbeitsgruppe „Jüdisches Rothenburg“ und können uns gelegentlich als Berater zur Verfügung stellen. Die kleinen Informationstafeln an der Blasiuskapelle, in der Herrngasse, an der Schranne, die Neugestaltung des Rabbi-Meir-Gärtchens – all das hat mir ganz gut gefallen und bringt die Stadt ein wenig weiter bei der Verstärkung des historischen Bewusstseins.

 

Unsere Vorträge im Winterhalbjahr waren durchwegs gut besucht. Den Beginn machte im Oktober Karl-Heinz Schneider mit seiner archivalisch fundierten Darstellung der kurz vor 1600 geschaffenen Wasserversorgung der Stadt aus dem Taubertal. (Bronnenmühle) Hier wurden neue Fakten vorgelegt. Der Burgenforscher Thomas Steinmetz, der sich seit langem mit der Rothenburger Stauferpfalz beschäftigt, sprach über das Basler Erdbeben von 1356 und seine Auswirkungen – Rothenburg kam ein bisschen zu kurz. Herbert May, inzwischen Leiter des Freilandmuseums in Windsheim, stellte uns das Thema „Zwangsarbeit im 3. Reich“ im westlichen Mittelfranken in der Johanniterscheune in beeindruckender Manier vor. Auch mehrere Beispiele aus dem Rothenburger Gebiet wurden angesprochen. Professor Borchardts angekündigter Vortrag über die Rothenburger Reichsministerialen der Stauferzeit musste leider ausfallen. Im ausgesprochen strengen Winter 2009/10 erlitt er wenige Kilometer nach seinem neuen Wohnort München einen Autounfall. Der Vortrag wird im Herbst 2010 nachgeholt. Daniel Bauer referierte auf hohem wissenschaftlichen Niveau über Voraussetzungen und Strukturen nationalsozialistischer Herrschaft in Rothenburg. Hier möchte ich anmerken: Eine Diskussion über die „Ludwig-Siebert-Straße“ bedarf zwar noch genauerer Recherchen zu Person und Wirken des ehemaligen Rothenburger und späteren Lindauer Bürgermeisters als bayerischer Ministerpräsident und Finanzminister in der Nazizeit; ausweichen kann man ihr auf Dauer nicht. In Lindau etwa, wo Siebert als Bürgermeister durchaus erfolgreich gewirkt hat, gibt es keine Ludwig-Siebert-Straße. Alison Rowlands sprach über hiesige Hexenprozesse gegen Kinder und Jugendliche im Zeitraum zwischen 1587 bis 1709 und bewies damit abermals, wie wenig der Hexenwahn unsere Stadt berührt hat. Das wäre doch auch einmal eine Gelegenheit, das Rothenburg des 17. und 18. Jahrhunderts und seine patrizischen Eliten in der Öffentlichkeit als aufgeklärte, fortschrittliche Stadt zu präsentieren – von wegen: Dornröschenschlaf und Stillstand der Stadt seit dem Dreißigjährigen Krieg! Auch dieses Klischee, das Fremdenführer immer noch beharrlich dreschen, gehört endlich auf den Prüfstand – und beerdigt. Das Rothenburg des 18. Jahrhunderts als Stadt der Gelehrten, als Schulstadt, für die Entwicklungen der damaligen Zeit aufgeschlossenes und gar nicht so kleines regionales Zentrum! Die Vortragsreihe schloss und krönte wohl Herbert Krämer, der den Rothenburger Feldmesser Matthäus Kohler vorstellte. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zeichnete dieser eine große Zahl von Plänen und Karten, die – bisher kaum ausgewertet – eine unschätzbare Quelle für die Geschichtsforschung der Reichsstadt und vor allem ihres Landgebietes darstellen.

Am „Tag des offenen Denkmals“ 2009 hat sich wieder einmal gezeigt, wie stark das Interesse der Bevölkerung an sonst kaum zugänglichen Baudenkmälern ist. Im Hotel Eisenhut haben an den Führungen angeblich ungefähr 500 Leute teilgenommen! Wir werden uns auch heuer wieder bemühen, unseren Beitrag zu leisten.

Mit dem „Stauferjahr“ 2010 kann ich im Augenblick noch wenig anfangen. Natürlich ist Rothenburg eine staufische Gründung, noch dazu eine recht frühe, staufische Könige haben sich mehrfach, wenn auch nicht allzu oft, hier aufgehalten, Mitglieder der Herrscherfamilie vielleicht über einen längeren Zeitraum in der Burg gewohnt. Und auch die spätere Geschichte der Reichsstadt mit ihrem Landgericht und ihrem umfangreichen Territorium, das sie größtenteils aus der Hand der ehemaligen Reichsministerialen und edelfreier königlicher Parteigänger erwarb, ist in ihren staufischen Grundlagen verwurzelt. Vielleicht ist es ein guter Einfall, im Verbund mit zahlreichen anderen „Stauferstädten“ einen großen Erinnerungsstein im Burggarten zu plazieren – in erster Linie wohl zu touristischen Zwecken. Ein kurzer Blick auf die bereits in Apulien, Österreich, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aufgestellten „Staufer-Stelen“ lassen ähnlich Monumental-Heroisches auch für den Burggarten erwarten. Wenn ich vorhin eine zunehmende „Möblierung“ der Stadt kritisch hinterfragt habe, so gilt das nun auch für den Burggarten. Man stelle ihn nicht zu voll mit Denkmälern, man lasse ihn so, wie er war und ist.

 

Verein Alt-Rothenburg kauft wichtiges Bild von der Künstlerin Elise Mahler (1856-1915). Der Leiter des Reichsstadtmuseums, Dr. Hellmuth Möhring ist darüber sehr erfreut. Der Klick auf das Bild vergrößert es. Foto: Reichsstadtmuseum

Ein bisschen wünsche ich mir das auch für das Reichsstadtmuseum. Hektischer Aktionismus bringt wenig. Für das Museum konnten wir im vergangenen Jahr ein Ölbild mit der Ansicht der Jakobskirche, gesehen vom Eck der ehemaligen Georgenapotheke von Elise Mahler aus dem Jahr 1898 erwerben.

 

 

Zum Abschluss meines Jahreberichts möchte ich einer Reihe von Vereinsmitgliedern danken, die mit ihrer Arbeitszeit und ihren Ideen die Vorstandschaft unterstützt haben und ohne die ein aktives Vereinsleben im Grunde gar nicht möglich wäre.

Zuerst nenne ich Dr. Heuser, der lange Jahre im Ausschuss mitarbeitete hat und mit seiner besonnenen Art sowie vielen anregende Gesprächsbeiträgen unseren Horizont immer wieder erweitert hat. Aus gesundheitlichen Gründen kann er leider nicht mehr an unseren Sitzungen teilnehmen. Im Namen des Vereins bedanke ich mich bei ihm recht herzlich. Viel Geld, nämlich fast 1000.- Euro, haben uns im letzten Jahr diejenigen Ausschussmitglieder gespart, die die voluminöse Jahresgabe von Hanns Berger und Tobias Lauterbach über den Rothenburger Wiederaufbau sowie unseren leichteren Kulturführer über die Landwehr in der Stadt verteilt haben. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unserem Mitglied Gregor Göbbel einmal meinen Dank aussprechen. Die Zustellung dieser Vereinspost ist nicht immer ganz einfach, wie ich selbst schon erleben musste. Verschlossene Haustüren, sehr kleine

Briefkästen, dem Verein nicht gemeldete Umzüge und anderes mehr bereiten unseren „Briefträgern“ nicht selten Probleme. Es wäre schön, wenn unsere Vereinsmitglieder Adressänderungen dem Stadtarchiv oder einem unserer Vorstands- oder Ausschussmitglieder mitteilen würden.

 

Viel Arbeit erspart uns seit Jahren Herbert Krämer mit seinen kompetenten Zeitungsbeiträgen über so manchen Vereinsvortrag im Winterhalbjahr. Jochen Ehnes betreut unsere Internet-Homepage ideenreich und zuverlässig; auch ihm sei gedankt, nicht zuletzt für die reichhaltige Bebilderung der einzelnen Seiten sowie die verschiedenen von ihm eingefügten Links. Klicken Sie ruhig einmal unseren Internet-Auftritt an, schmökern Sie ein wenig herum, und Sie werden feststellen, dass Herr Ehnes eine zum Glück nicht marktschreierische, aber interessante und vor allem systematisch aufgebaute, gut benutzbare Homepage gestaltet und Schritt für Schritt ergänzt. Dank gebührt auch Dr. Möhring, nicht weil er als 2. Vorsitzender seine Arbeit tut, sondern weil er uns wieder einmal in seiner Freizeit das Layout unserer Jahregabe angefertigt hat, weil er uns mit Rat und Tat und seinem Fotoarchiv bei unseren Drucklegungen berät und nicht zuletzt, weil er in seinem Museum eine vorzügliche, für die Stadt in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Kulturarbeit leistet. Gedankt sei wiederum Karl-Heinz Schneider, dessen Johanniterscheune wir bei Bedarf für unsere Vorträge nutzen dürfen.

Als wichtiges neues Mitglied des Vereins Alt-Rothenburg möchte ich Ihnen Frau Angelika Tarokic, unsere Stadtarchivarin, vorstellen, die nun seit einem Dreivierteljahr freundlich und pflichtbewusst amtiert. Es gehört offenbar zu ihren Charakterzügen, dass sie nicht jammert, sondern anpackt, wo es nötig ist. Wir wünschen ihr viel Freude und Erfolg im Büttelhaus und hoffen auf eine lange, möglichst sehr lange Zusammenarbeit.

Auch ihrem Vorgänger, Herrn Fieg, gilt der Dank des Vereins. In seiner kurzen Amtszeit hat er gut mit dem Verein kooperiert und stand uns immer als Ansprechpartner zur Verfügung.

Ein Internet-Beitrag zu unserer Stadt unter der Adresse „schwarzaufweiss“ soll den Schluss des heurigen Jahresberichts bilden. Ich zitiere: „Was sagt die ehrwürdige Frau John, die ich auf einer Parkbank getroffen habe, zu meiner Schelte?“ – Gemeint ist das „bratwurstselige“ Rothenburg mit seiner Heile-Welt-Inszenierung. „Vor Jahrzehnten aus Kaiserslautern hierher gekommen, fanden sie und ihr Mann alles wie im Märchen. Er wollte hier wohnen, und nach den ersten Anfragen hatten sie auch schon ein kleines Häuschen gefunden.“ – In der Herrengasse, wie wir wissen. – „Wieder wie im Märchen! ‚Und’, so sagt sie, ‚hier sieht man andauernd etwas Schönes, egal, wohin man schaut! In welcher Stadt ist das sonst so?“

Die alte Dame hat ja Recht, Rothenburg ist schön, man kann sich früher wie heute in die Stadt verlieben. Aber wir sollten darauf achten, dass ihre Schönheit nicht weiter angekratzt wird. Vorhandene Substanz darf nicht unnötig beschädigt werden, Neuerungen müssen zumindest ein Minimum an Geschmack, an Ästhetik berücksichtigen. Das Blumengärtlein in der Spitalgasse sollte uns zur Warnung dienen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Richard Schmitt
Schriftführer

Rothenburg, im Juni 2010