05.02.2016 | Mittelalterliche Dorfkirchen in Westmittelfranken
Überraschend viele Relikte des Mittelalters
Im Rahmen der winterlichen Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg referierte am vergangenen Freitag in der „Glocke“ Prof. Konrad Bedal, der Schöpfer des Bad Windsheimer Freilandmuseums und derzeitiger Stadtheimatpfleger in Rothenburg, über „Mittelalterliche Dorfkirchen in Westmittelfranken“ unter besonderer Berücksichtigung der Gegend um Rothenburg.
In einem neuen wissenschaftlichen, reich bebilderten Standardwerk hat er sich mit den Dorfkirchen in den drei fränkischen Regierungsbezirken beschäftigt. Dabei ist ihm aufgefallen, dass von rund 1800 Kirchen aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert immerhin 375 davon romanische oder frühgotische Spuren aufweisen. (Beide Baustile sind zeitlich nicht immer exakt zu trennen.) Nicht selten stehen diese alten Gotteshäuser am Rand der Dörfer, manchmal sogar deutlich außerhalb in erhöhter Lage (Dombühl). Einige können mit Hilfe der Dendrochronologie (Datierung anhand der Jahresringe von Bäumen/Balken) ins 12. oder 13. Jahrhundert datiert werden (Detwang 1132, die bedeutendste und schönste romanische Kirche im Rothenburger Land), andere durch seltene Bauinschriften (Leuzenbronn 1249). Da die fränkischen Dorfkirchen häufig noch wenig erforscht sind, wird man in Zukunft mit weiteren Ergebnissen rechnen können.
Von den insgesamt 45 Dorfkirchen im Altlandkreis Rothenburg besitzen 24 einen romanischen und 11 einen gotischen Kern. Denn „Modernisierungswellen“, die etwa unter Bischof Julius Echter in Mainfranken um 1600 oder dann im Barock in den zollernschen Markgraftümern Ansbach und Bayreuth sowie in den Hochstiftern Würzburg und Bamberg zur Veränderung oder gar zum Neubau führten, kamen im Gebiet der Reichsstadt Rothenburg nicht zum Zug. So finden wir hier wie im Gebiet um das südliche Maindreieck und in der Windsheimer Bucht noch viele der alten Chorturmkirchen, die für das fränkische Altsiedelland typisch sind. Einige Kirchen weisen – oft in größeren Orten – recht schlanke Westtürme auf (Steinsfeld). „Mittelturmkirchen“ wie in Neusitz und Kirnberg entstanden, als man an die alte Chorturmkirche einen polygonalen gotischen Chor mit Maßwerkfenstern anfügte. Steinerne Türstürze, Türrahmungen und Fenstergewände sind ebenfalls eine Hilfe zur Datierung dieser Kirchen. Das schönste und reichste Beispiel finden wir wieder in Steinsfeld (vielleicht um 1150), archaisch wirken die eingemauerten Quader in Gattenhofen und vor allem der riesige Steinsturz der Kirche von Stettberg.
Fast alle Dorfkirchen unserer Heimat – und das ist ein Spezifikum Frankens – waren „Wehrkirchen“; Mauern um den Kirchhof bestanden manchmal bereits im 12./13. Jahrhundert, bäuerliche Keller und Vorratshäuser („Gaden“) wenig später. Spektakuläre „Kirchenburgen“ mit Türmen sind allerdings meist spätere Anlagen des 15. Jahrhunderts; man findet sie vor allem im Nürnberger Raum. In unserer Gegend sind Detwang, Wildentierbach, Dombühl oder Burgbernheim zu erwähnen.
Vor allem die Gestalt des Kirchturms prägt ein Dorf, macht es unverwechselbar und trägt zu seiner Identität bei. In der Rothenburger Umgebung herrscht das Zeltdach vor, das später nicht wie in den Markgraftümern oder Hochstiften von der barocken Zwiebel abgelöst wurde. Ein besonders schönes, sehr hohes und spitzes, vom Viereck ins Achteck übergehendes Turmzelt haben wir in Wettringen vor uns. Hier wie anderswo gibt es auch Fachwerkaufbauten als „Haus auf der Kirche“, entweder als Läutgeschoss auf dem nun höheren Turm oder als Getreideschüttboden wie in Wettringen.
Mit den hölzernen Bestandteilen der Dorfkirchen erreichte Prof. Bedal sein Spezialgebiet, auf dem er zu den führenden Experten in Deutschland zählt. In Bettwar entdeckte er einen Glockenstuhl aus massivem Eichenholz von 1432. Qualitätvolles geschnitztes Kirchengestühl aus der Spätgotik gibt es in Bettwar und Hagenau – auch im Langhaus. Man stand also im 15. Jahrhundert während des Gottesdienstes nicht, sondern konnte sich setzen. Schließlich verwies Prof. Bedal darauf, dass es in Westmittelfranken auch eine Reihe von spätgotischen Fügelaltären gibt. Auch in diesem Bereich übertrifft Franken die meisten anderen deutschen Landschaften.
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Prof. Bedals Buch ist Heimatfreunden sowie Kunst- und Kulturliebhabern unbedingt zu empfehlen. Über das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim können Sie es bestellen.
Der „Fränkische Anzeiger“ berichtete ebenfalls über unseren Vortrag
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