24.09.2012 | Vögte und Reichsküchenmeister

 

Vögte und Reichsküchenmeister
Prof. Dr. Borchardt, früherer Rothenburger Stadtarchivar,
Monumenta Germaniae Historica, München, referierte über
„Rothenburger Ministeriale der Stauferzeit“

Freitag, 24. September 2010, 20:00 Uhr
Reichsstadtmuseum, Klosterhof, Rothenburg ob der Tauber
in Kooperation mit dem Evangelischen Erwachsenenbildungwerk Rothenburg

 

 


 

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Staufische Ministerialen

 

prägten das Gesicht Rothenburgs

Kürzlich sprach Prof. Dr. Karl Borchardt im Rahmen der winterlichen Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg vor einem zahlreichen Publikum im Reichsstadtmuseum („Wasse-Galerie“) über die Rothenburger Reichsministerialen der Stauferzeit. Der ehemalige Rothenburger Stadtarchivar, neben Dr. Ludwig Schnurrer der profundeste Kenner unserer mittelalterlichen Stadtgeschichte, ist seit einigen Jahren Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica (MGH) in München und nimmt an der Universität Würzburg einen Lehrauftrag wahr.

Die Anfänge Rothenburgs im 11., 12. und 13. Jahrhundert sind zwar in den zeitgenössischen Urkunden nicht besonders gut dokumentiert – Rechtsgeschäfte wurden damals in der Regel mündlich abgewickelt -, doch es ist eindeutig, dass Rothenburg seine Bedeutung im 12. und 13. Jahrhundert dem Königsgeschlecht der Staufer verdankt. 1142 erwarb Konrad III. den Bergsporn oberhalb von Detwang, auf dem dann offenbar in kurzer Zeit eine mächtige Burg entstand, die die Burg der Grafen von Comburg auf dem Essigkrug (oberhalb des Wildbades) ablöste. Der große Besitz dieser 1116 ausgestorbenen Grafenfamilie in der Gegend um Rothenburg kam (mit Ausnahme von Gebsattel) an die Staufer, so dass es sich eigentlich nicht um Reichsgut handelt, sondern um staufischen Privatbesitz. In der Praxis spielte das allerdings keine Rolle, Reichs- und Familiengüter flossen ineinander.

 

Die Stauferkönige des 12. Jahrhunderts benötigten offenbar zwischen den Machtzentren Heilbronn/Wimpfen, Würzburg, Nürnberg und Nördlingen Stützpunkte von regionaler Bedeutung. Einer davon war (Schwäbisch) Hall, das mit seiner Saline und der Münzstätte von großer wirtschaftlicher Wichtigkeit war. Der andere war die Rothenburg, die als administratives Zentrum diente und an die ziemlich schnell eine städtische Siedlung angegliedert wurde.

Die Staufer hielten sich natürlich selten in Rothenburg auf. Ihren Besitz ließen sie durch Ministerialen verwalten. Diese „Dienstmannen“, eine deutsche Sonderentwicklung, waren ursprünglich persönlich unfrei, entstammten also nicht dem „edelfreien“, eigentlichen Adel. Für die Verwaltung der großen geistlichen und adeligen Herrschaften waren sie unentbehrlich. Sie hielten Gericht, nahmen die Abgaben der Bauern entgegen und stellten als Reiterkrieger, eben als „Ritter“, das Gros der fürstlichen Heere.

Zwar erreichten sie niemals die rechtliche Gleichstellung mit Edelfreien, Grafen oder Fürsten, Heiratsverbindungen zwischen beiden Gruppen waren so gut wie ausgeschlossen. Aber es kam zur Ausbildung eines gemeinsamen Lebensgefühls, eines „ritterlichen“ Ehrenkodex. So waren etwa die meisten Minnesänger Ministerialen. Im Laufe der Zeit kam es zu einem sozialen Aufstieg: Die Ministerialen konnten Lehen erwerben, ihre Ämter wurden erblich, so dass sich aus ihren Kreisen im Spätmittelalter die Reichsritterschaft entwickeln konnte, zu der etwa die Seckendorff und die Berlichingen zählten.

Die Verwaltung Rothenburgs in der Stauferzeit geschah nacheinander durch drei Familien. Im Jahre 1144 erscheint ein Arnold, der als Vogt von Rothenburg bezeichnet wird und sich 1150 Truchsess von Rothenburg nennt. Er hatte also eines der vier klassischen Hofämter inne (neben Marschall, Schenk und Kämmerer) und gehörte damit zur Spitzengruppe der ohnehin schon hochangesehenen Reichsministerialität. Dieses hohe Amt hatte er sich ohne Zweifel durch besonders erfolgreiche und treue Dienste erworben. Mit Walter, Arnold und Konrad tauchen dann in der Folgezeit weitere Vögte bzw. Truchsessen von Rothenburg auf, vermutlich die Söhne des älteren Arnold. Nach 1202 wird dieses Geschlecht in unserem Raum nicht mehr erwähnt.

Nicht völlig von der Hand weisen möchte Borchardt die in wissenschaftlichen Kreisen diskutierte These, dass die ersten Rothenburger Vögte vom Südrand des damaligen Herzogtums Schwaben, nämlich aus der Burg Rothenburg bei Luzern, in unsere Gegend „transferiert“ worden seien, um hier eine neue Reichsgutverwaltung aufzubauen. Kurz nach 1200 kehrten sie dann möglicherweise in die Schweiz zurück, wo eine Adelsfamilie „von Rothenburg“ noch längere Zeit das Wappen mit der roten Burg führte. Als reine Spekulation wies Borchardt die derzeit (gerade im Internet) kursierende „Beweisführung“ von Gerhard Wagner zurück, der berühmte mittelhochdeutsche Dichter Walter von der Vogelweide sei ein Mitglied dieser ersten Rothenburger Reichsministerialenfamilie gewesen.

Wenn es tatsächlich so war, dass diese kurz nach 1200 nicht ausstarb, sondern von den Staufern „wegversetzt“ wurde, dann haben sie vorher rechtzeitig ihre Nachfolger „angelernt“. Vielleicht aber besaßen die verschiedenen Staufer jeweils ihre eigenen Ministerialen, und dann könnten durchaus zur gleichen Zeit zwei oder mehrere Leute mit der Bezeichnung „Vogt von Rothenburg“ gelebt haben. 1194 erscheint nämlich im Gefolge Heinrichs VI. in Italien Heinrich von Rothenburg. Dieser stammte aus der Ministerialität des Bischofs von Würzburg. Für die Staufer war Würzburg enorm wichtig. Nicht umsonst war Barbarossas Sohn Philipp, der spätere König Philipp von Schwaben, zunächst als Bischof dort vorgesehen. Ein gutes Verhältnis der Staufer zu den Würzburger Dienstmannen sicherte ohne Zweifel den königlichen Einfluss im Hochstift am Main.

Der erwähnte Heinrich, ein Sohn des Heinrich Cresse, war 1201 Küchenmeister des Stifts Neumünster in Würzburg, 1209 nannte er sich Reichsküchenmeister. Vielleicht wurde dieses Amt eigens für ihn geschaffen. Er und seine Söhne verwalteten nun die Stadt Rothenburg und das umliegende Reichsgut. Als Heinrich 1226 sein Testament machte, bedachte er die Klöster Bronnbach, Heilsbronn, Schöntal und Ebrach sowie die Johanniter in Rothenburg. Dies umreißt wohl seinen Wirkungskreis, zeigt aber zugleich, wie weit es die Ministerialen und er selbst inzwischen gebracht hatten. Denn ursprünglich besaß ein Ministeriale kein Eigentum, alles gehörte seinem Herrn.

Beim Aufstand König Heinrichs (VII.) gegen seinen Vater, Kaiser Friedrich II., 1234/35 standen diese „älteren“ Reichsküchenmeister auf der Seite des Sohnes und damit auf der falschen. Sie verloren ihr Amt, offenbar jedoch nicht alle ihre Besitzungen. Der Letzte des Geschlechts, der 1263 im Kampf gegen die Pruzzen verstorbene Helmerich, war in den Deutschen Orden eingetreten und hatte1251 durch eine große Schenkung die Grundlage der späteren Deutschordenskommende Rothenburg geschaffen.

Nach der Niederwerfung des Aufstandes von 1234/35 führte im Reich der Edelfreie Gottfried von Hohenlohe (nach dem Dorf Hohlach bei Uffenheim genannt) das Regiment für den nach Italien gezogenen Konrad IV. Er dürfte es gewesen sein, der in Rothenburg eine neue Familie als Vögte eingesetzt hat, nämlich die „Lupolde“ bzw. die „jüngeren Reichsküchenmeister“. Erstmals 1215 erwähnt, fungierten sie zunächst als Schultheißen in der offenbar schnell zu einer beachtlichen Größe angewachsenen Stadt, von deren Mauerring heute noch der Weiße Turm, Markusturm und Röderbogen erhalten sind.

Über mehrere Generationen hinweg übten die Küchenmeister nach dem Ende der Stauferherrschaft (1254/68) in der Stadt einen zunächst dominierenden, dann von der konkurrierenden städtischen Selbstverwaltung allmählich zurückgedrängten Einfluss aus. Vor allem aber im Umland Rothenburgs waren sie, die vor 1237 die Burg Nordenberg von den „älteren Nordenbergern“, die ebenfalls in die Revolte Heinrichs (VII.) verwickelt waren, erworben hatten und sich nun nach Nordenberg benannten, eine Macht. Im Westen und Norden Rothenburgs konnten sie aus den ihnen von den Staufern anvertrauten Besitzungen eine stattliche Territorialherrschaft bilden. (Nordenberg, Detwang, Seldeneck) Burgen und Herrschaften, nach denen sie sich benannten, besaßen sie aber auch in Insingen, Bielriet (nordöstlich von Schwäbisch Hall), Forndorf (bei Schnelldorf) und Weiltingen am Hesselberg. („Butigler von Weiltingen“, zeitweise Verwalter des Reichsgutkomplexes um Nürnberg)

Für die Rothenburger Stadtgeschichte und für das heutige Bild der Stadt waren die Küchenmeister prägend durch ihre großzügigen geistlichen Stiftungen. Die Nordenberger verlegten 1257 das von ihnen kurz zuvor in Neusitz gegründete Dominikanerinnenkloster in den Wirtschaftshof der Stauferburg. Der Butigler Lupold I. von Weiltingen gilt als der eigentliche Gründer des Neuen Spitals um 1280, und Schultheiß Hermann war vermutlich maßgeblich an der Entstehung des Franziskanerklosters beteiligt.

Dieses mächtige, weitverzweigte und durch sein Reichsamt sehr angesehene Geschlecht verschwand schließlich vollkommen aus Rothenburg. 1383 erwarb die Stadt die Herrschaft Nordenberg, deren ehemalige Inhaber noch fast 100 Jahre lang im Hochstift Würzburg ansässig waren. („Küchenmeister von Neuenburg“ bei Markt Bibart) Das Amt des Reichsküchenmeisters fiel an den Seldenecker Nebenzweig der Nordenberger, der im Badischen ansässig geworden war. Als dieser kurz nach der Mitte des 16. Jahrhunderts ebenfalls keine männlichen Nachkommen mehr hatte, ging die Würde des Reichsküchenmeisters, der z. B. bei hochoffiziellen Anlässen wie einer Königswahl oder –krönung in Erscheinung trat, an die Truchsessen von Waldburg über, die es bis zum Ende des Alten Reiches 1806 innehatten.

Sarkastisch kommentierte Borchardt die Überreichung eines wertvollen, von einem österreichischen Künstler neu geschaffenen Kelchs an das Reichsstadtmuseum im Jahr 2006, mit dem ein Baron von Ellrichshausen offenbar darauf hinweisen will, sein Geschlecht sei der legitime Erbe des nordenbergischen Reichsküchenmeisteramtes. Gäbe es Ansprüche der Ellrichshausen, hätten diese sie sicherlich schon im 16. Jahrhundert angemeldet und die Waldburg hätten entsprechend reagiert.

Dr. Richard Schmitt

 

Bilder aus der Veranstaltung