18.11.2016 | Aysch bringt rote Pfaffenhütlein

Aysch bringt rote Pfaffenhütlein

Vortrag von Werner P. Binder beim Verein Alt-Rothenburg
über die „Literarische Landschaft zwischen Steigerwald und Frankenhöhe“

Freitag, 18. 11. 2016 | Gasthof „Zur Glocke“ | 20.00 Uhr | Eintritt frei

 

Unser Nachklapp:
„Aysch bringt rote Pfaffenhütlein“
Erhellende und unterhaltsame Streifzüge durch die literarische Landschaft zwischen Steigerwald und Frankenhöhe von Werner P. Binder

Im Rahmen der winterlichen Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg stellte Werner P. Binder, langjähriger Redakteur bei den Nürnberger Nachrichten, im Gasthof „Zur Glocke“ sein 2015 erschienenes, über 530 Seiten umfassendes Buch vor, in dem er 77 Aufsätze zusammengestellt hat, die er zwischen 2005 und 2012 als Serie in der „Fränkischen Landeszeitung“ und in der Windsheimer Zeitung“ veröffentlicht hat. Sie handeln von Schriftstellern und Kulturschaffenden, die im Aischgrund und den angrenzenden Landschaften gewirkt haben, die von hier stammen oder familiäre und andere Beziehungen zu dieser Region hatten – und machmal einfach nur hier durchkamen.

Bekannte Namen sind darunter wie Beaumarchais und Casanova, Clemens Brentano, Ludwig Richter, Adalbert Stifter, Max von der Grün. Das Interesse Binders ist weitgespannt; es reicht von den „Raubrittern“ Eppelein von Geilingen, Götz von Berlichingen und Kunz Schott bis zum „Knastcamp“ des APO-Aktivisten Fritz Teufel 1969 in Füttersee bei Scheinfeld. (Der Titel dieses Textes lautet „Von Unsinnshausen nach Utopia“. Werner P. Binder schreibt nicht nur über Literatur, sondern sein klarer, anschaulicher Stil genügt durchaus höheren ästhetischen Ansprüchen und ist ohne Zweifel „Literatur“.)

Bei seiner „Spurensuche“, seinen jahrelangen Recherchen, hat er Unbekanntes, Übersehenes und Vergessenes ausgegraben. Einige Beispiele: Die erste Übersetzung des Korans stammt von einem Pfarrer aus Wilhermsdorf, tschechische Dissidenten fanden auf Schloss Schwarzenberg ein Dokumentationszentrum und Unterstützung, ein Uffenheimer Stadtphysikus widmete sich 1787 dem „ältesten Kochbuch der Welt“ des spätantiken Römers Apicius.

Für Rothenburg und sein Umland seien nur drei Beiträge genannt, die von besonderem Interesse sind.

1557 wurde „im Schlingenbach“ am Endseer Berg der aus dem Egerland (1518) gebürtige humanistische Dichter und Historiograph Caspar Brusch(ius) erschossen, als er auf der alten Landstraße nach Windsheim ritt. Der Täter konnte nicht ermittelt werden, um einen Raubmord handelte es sich nicht. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Kirche von Steinach/Ens, in der Hartershöfer Flur findet man noch heute ein bei der Flurbereinigung deutlich versetztes Steinkreuz, das an den Mord erinnert. Brusch war „poeta laureatus“, ein geachteter und anerkannter Verfasser sowohl einer Bistums- wie einer Klostergeschichte des süddeutschen Raumes. Ob sein literarischer Rang hoch anzusetzen ist oder ob er lediglich ein Lohndichter war, ein „rühmenswerter Historiograph“ oder nur ein gewinnsüchtiger Vagant, ist in der Forschung umstritten. Der Stadt Rothenburg hat er ein „Preislied“ gewidmet.

Der „Dichterfürst“ Paul Heyse (1830 – 1914) erhielt 1910 den Nobelpreis für Literatur. 1881 reiste er mit der Eisenbahn von München nach Rothenburg, zeichnete, „verträumte manchen Vormittag“ und schrieb nach einem einwöchigen Aufenthalt die (wohl etwas schwülstige, aber sehr erfolgreiche und gerühmte) Novelle „Das Glück von Rothenburg“, in der sich ein biederer junger Rothenburger der Verlockungen einer attraktiven mondänen Dame im letzten Moment erwehren kann und dort bleibt, wo er hingehört.

Leonhard Frank (1882 – 1961) war ein lange Zeit sehr erfolgreicher sozialistisch-pazifistischer Schriftsteller. „Der Mensch ist gut“ (1917), „Deutsche Novelle“ (1954), „Links, wo das Herz ist“ (1952) gehören zu seinen bekanntesten Werken. Und einer der besten Romananfänge der deutschen Literaturgeschichte findet sich in seinem Roman „Die Räuberbande“ von 1914. Erst Wilhelm P. Binder hat darauf hingewiesen, dass Franks Mutter Maria Bach unter dem Pseudonym „Marie Wegrainer“ 1914 den Roman „Der Lebensroman einer Arbeiterfrau“ veröffentlichte, „eine der wenigen Selbstdarstellungen von Frauen der unteren Klassen in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg“. Marie Bach wurde in Lipprichhausen geboren, sie war ein lediges Kind und wurde nach Wildenhof bei Kirnberg in die dortige Mühle, die bis 1866 am Ausfluss des großen Weihers noch bestand, in Pflege gegeben. Durch die Vermittlung der Besitzerin des Wildenhöfer Landhauses der Familie von Staudt kam das Mädchen nach Rothenburg, wo ihr „eine aufmerksame Pflege zuteil wurde“. Sie war eine sehr gute Schülerin. Mit vierzehn wurde sie Dienstmädchen in München, kehrte nach einem kurzen Rothenburger Aufenthalt wieder dahin zurück und heiratete dort den Schreinergesellen Johann Frank, der aus Adelshofen stammte. Leonhard Frank hat den Roman seiner Mutter später „als ein Wunder“ bezeichnet.

Was in Werner P. Binders Buch so leichtfüßig daherkommt, ist in Wirklichkeit das Ergebnis jahrelanger, mühevoller Recherche. Er belegt seine Ergebnisse mit umfangreichen Literaturangaben, ein sauberes Register macht das Werk für weitere Forschungen gut benutzbar.

Werner P. Binder, Aysch bringt rote Pfaffenhütlein. Literarische Landschaft zwischen Steigerwald und Frankenhöhe, Bartlmüller Verlag, ISBN 978-3-942953-19-1