26.03.2010 | Matthias Kohler – vereidigter Geometer

Herbert Krämer-Niedt
„Matthias Kohler – vereidigter Geometer und Feldmesser dahier“
20.00 Uhr | Gasthaus Glocke | Plönlein | 91541 Rothenburg ob der Tauber | Eintritt frei.

 

Lebensskizze von Matthäus Kohler

 

 

Dr. Ludwig Schnurrer
Der Rothenburger Feldmesser Matthäus Kohler (1739 – nach 1816)
Eine biographische Skizze

Dr. Ludwig Schnurrer Foto: JoE

Die Geschichte der Feldmesserei ist uralt, und auch für Rothenburg reicht sie weit in das Mittelalter zurück und hat dabei einige beachtliche Großleistungen hervotgebracht. Ich erinnere an die wunderbare, reich illustrierte Karte der Rothenburger Landhege des Malers Wilhelm Ziegler von 1537; an die fünf Wildbannkarten des Malers Hans Nack von 1568; an die fruchtbare und vielgestaltige Tätigkeit dreier Generationen der Kartographenfamilie Jung im 17. Jahrhundert; im 18. Jahrhundert die Nebenbeschäftigung der Mitglieder der Orgelbauerfamilie Leyßer als Visierer, wie man damals die Feldmesser bezeichnete.

Als Glücksfall dieser Entwicklung ist jedenfalls am Ende der Reichsstadtzeit das Wirken des letzten reichsstädtischen Feldmessers Matthäus Kohler zu sehen, über dessen beachtliches Lebenswerk Herbert Krämer-Niedt anschließend berichten wird. Auf seinen Wunsch möchte ich seinen Ausführungen eine knappe biographische Skizze voranstellen, verbunden mit der Anmerkung, dass dies ein erster und damit notwendig fragmentarischer Versuch einer Lebensbeschreibung ist.

Matthäus Kohler kam im Jahre 1739 zur Welt als Sohn des Bauern und herzoglich württembergischen Untertanen Jakob Kohler in Renningen bei Leonberg. Über seine Jugend- und frühen Berufsjahre wissen wir gar nichts, vor allem auch nichts darüber, wie er zu dem für einen Bauern-jungen dieser Zeit recht ungewöhnlichen Beruf eines Feldmessers gekommen ist – ein Beruf, der einen gewissen höheren Bildungsgrad und vor allem ausgeprägte mathematisch-geometrische Kenntnisse und zeichnerische Fähigkeiten voraussetzt. Erst 1773, als 34-Jähriger, kam er nach Rothenburg. Er war verheiratet, brachte seine erste Frau Maria Rosina geborene Kaufmann und etliche Kinder mit und erwarb (vielleicht erst später) das Haus Stollengasse Nr. 12. In der Folge zeit heiratete er, stets nach dem Tode der jeweiligen Vorgängerin, noch zweimal, nämlich 1786 Margaretha Barbara Köhler, eine Köblerstochter aus Münster, und 1790, als 51-Jähriger, ebenfalls eine Margaretha Barbara, die 45-jährige Tochter des hiesigen Stadtkorporals Johann Andreas Kapfer, Während seiner ersten Ehe wurden ihm in Rothenburg zwischen 1775 und 1783 noch weitere sieben Kinder geboren, aus seiner zweiten Ehe entstammten zwei weitere Kinder; die dritte Ehe blieb kinderlos. Erst bei seiner letzten Heirat 1790 erwarb er das Rothenburger Bürgerrecht; vorher war er ein sogenannter “Schutzverwandter“, also ein Nichtbürger unter besonderem städtischen Schutz.

Die erste datierte und signierte Arbeit Kohlers für die Stadt Rothenburg war das Grund- oder Lagerbuch des Weilers Brunzendorf vom Jahre 1773; er nennt sich hier „Geometer aus dem Württembergischen“. Er scheint, vielleicht bis zum Erwerb des Bürgerrechts, selbstständiger Unternehmer gewesen zu sein, der, ohne ein städtisches Amt inne zu haben, auf eigene Rechnung arbeitete. Später war er als Landmesser und Landrenovator fest angestellt, in einer Zeit, in der seine Fähigkeiten besonders benötigt wurden. Einmal war im Zeitalter der Aufklärung, dem ausgehenden 18. Jahrhundert, auch eine neue kameralistische Verwaltungsform bis in die kleineren Reichsstädte vorgedrungen.

Neue, exakte Bestandsaufnahmen des Herrschaftsgebietes, die sogenannte Reno-vatur, wichtig auch für eine Neuberechnung der Steuern und anderer Abgaben, waren angesagt. Noch tiefgreifender waren die Anforderungen an die Feldmesser, als nach 1789, in mittelbarer Folge der Französischen Revolution und der napoleonischen Machtexpansion, schwerwiegende Veränderungen der territorialen Verhältnisse in Franken, auch um Rothenburg und seinem Landgebiet, in Gang gesetzt wurden. Das begann 1791 mit der Abdankung des letzten Markgrafen Alexander von Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, der Abtretung der fränkischen Markgrafschaft an das Königreich Preußen und der Tätigkeit des Ministers Carl August Freiherrn von Hardenberg in Franken. Dessen Ehrgeiz war es, aus dem neugewonnenen Landesteil ein einheitliches, geschlossenes Staatsgebiet zu formen, indem er rücksichtslos und gewaltsam Streubesitz der Ritterschaft und der fränkischen Reichsstädte okkupierte.

Davon waren auch Rothenburger Untertanen außerhalb der Landhege, aber ebenso hohenlohische und Stiftcomburgische Besitzungen betroffen. Es gab viel juristische Hick-Hack deswegen, und Kohler hatte mit der Herstellung kartographischer Prozessunterlagen alle Hände voll zu tun. – Wenig später, 1802/03, fiel die Reichsstadt Rothenburg und ihr Territorium, die Landhege, an das Kurfürstentum, kurz darauf Königreich Bayern. Kohler wurde Angestellter der neuen Landesherrschaft, und jetzt gab es erst recht für ihn eine Fülle neuer Aufgaben.Ein weiteres Betätigungsfeld war die vermessungstechnische und kartographische Vorbereitung des damals intensiv betriebenen Ausbaus von Chausseen, welche die alten, meist sehr bußwürdigen Straßen ersetzen sollten.Dass Kohler auch für die benachbarten Herrschaften tätig war, habe ich schon erwähnt.

Für die einzige innerstädtische fremdherrschaftliche Enklave, die Johanniterkommende, vermaß er 1786 bis 1792 deren gesamten Grundbesitz und schuf daraus ein umfangreiches Salbuch mit den Maßzeichnungen jedes einzelnen Grundstücks, sowie 1806, kurz vor ihrer Auflösung, den Johanniterbesitz in Reichardsroth. Seine letzten bis jetzt bekannt gewordenen Pläne beschäftigten sich wieder mehr mit rein städtischen Gegebenheiten: 1812 mit einem Aufriss des Spitalsareals, 1813 mit der genauen Vermessung und Kartierung der gesamten Stadtmarkung, 1816 mit einem Plan der städtischen Gipshütte bei Endsee.

Kohler war damals 77 Jahre alt. Kurz danach wird er gestorben sein, das genaue Todesdatum ist bis jetzt nicht bekannt. Zwei Söhne ließen sich in Rothenburg nieder: Friedrich Peter, der seinem Vater schon bei seinen Vermessungsarbeiten geholfen hatte, als Zollbereiter, und Jakob Friedrich als Schneidermeister. Zwei weitere, Johann Leonhard und Stefan, besuchten zwischen 1795 und 1802 die gerade noch reichsstädtische Lateinschule. Weiteres über sie ist bis jetzt nicht bekannt.

 

Anmerkung der Internet-Redaktion:

Uns sind hier leider die Fotos verrutscht.
Wir bitten um Geduld.
Wir werden diesen Fauxpas zu gegebener Zeit heilen.

 

Herbert Krämer-Niedt:
Kohler, vereidigter Geometer

 

Herbert Krämer-Niedt läutet seinen Vortrag ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
herzlichen Dank für Ihr Kommen!

Herrn Dr. Ludwig Schnurrer darf ich sehr danken, dass er uns seine Nachforschungen zur Person von Matthäus Kohler vorgetragen hat, der als Rothenburger Bürger für den Rat und die Stadt ab 1772/73 und dann ab 1802 für den Kurfürsten, ab 1806 schließlich für den König von Bayern arbeitete – bis nach 1812.

Die nächste Stunde wird uns bekannt machen mit einem der faszinierenden Kartenzeichner des ausgehenden 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts, bevor die damals revolutionäre Senefelder-Technik der gravierten Solnhofener Platten sich aus naheliegenden Gründen durchsetzte, z.B. bei den vielen Exemplaren des Bayerischen Katasteratlas von 1832/33. Nun konnte man von einer einmal gestochenen Platte zahlreiche Abzüge drucken – die von den Geometern jener Zeit vermessenen, berechneten und gezeichneten Karten aber waren jede für sich einmalig, auch die aus manchen Anlässen gefertigten, ebenfalls extra gezeichneten Kopien!

Was uns heute ganz selbstverständlich erscheint, nämlich mit einer Landkarte umzugehen, einen Plan zu lesen oder in einem Atlas nach zu schlagen, das war bis um 1850 etwas durchaus Geheimnisvolles, nur den Eingeweihten und obersten Repräsentanten zugänglich. Für Wissenschaftler und forschende Laien öffneten sich die Archive erst ab etwa 1880. Zuvor waren Urkunden, Akten, Ratsbücher und auch die Karten geheim, eben nur Amtsträgern, Gerichten und Herrschenden vorbehalten.

Seit rund 550 Jahren werden in größeren Stückzahlen Karten für die unterschiedlichsten Ziele angelegt. So gibt es Territorialkarten, die ein Souverän für seinen Herrschaftsbereich fertigen ließ, vor allem aber regionale beziehungsweise lokale Karten mit dem Zweck Besitzstände und Grenzen aufzuzeigen. Konkrete Anlässe dazu boten Streitereien um politische Zugehörigkeiten, um Wildbanngrenzen, um Eigentumsrechte gleich welcher Art. Eine Menge solcher Blätter verschiedenster Provenienz (d.h. Herkunft) sind in die ab 1806 in Bayern eingerichteten Staatsarchive per Dekret gelangt – und erneut mit der Auflassung so vieler Landkreise, Vermessungs- und Forstämter in unseren Tagen.

Meine Aufgabe, meine Damen und Herren, ist es Ihnen den Geometer Matthäus Kohler, den Kartographen und Zeichner, den akribisch genauen Beschreiber von Arealen mit ihren Besitzern und/oder den auf ihnen Arbeitenden durch seine Karten und Pläne nahe zu bringen.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, mit Ihnen zunächst einen kleinen Exkurs in die Methodik der frühen Kartenaufnahme tun, der uns zugleich die Entwicklung der Kartographie verdeutlicht.

Beginnen möchte ich mit einer Karte von 1543 {01} , die mir Dr. Peter Fleischmann, heute Leiter des Staatsarchivs in Augsburg, als Diapositiv geschickt hat. Das Original lagert im Nürnberger Staatsarchiv. In der etwas grobschlächtigen, noch nicht barockisierten Rundkartusche der Karte finden sich das Fertigungsjahr und Hinweise darauf, dass sie Jagdbereiche abgrenzt – sie waren recht schwer für mich einigermaßen zu entziffern, denn die Schrifteinträge sind weitgehend verblasst, zu irgend einem Zeitpunkt in Teilen plump nach gefahren und damit nicht mehr eindeutig. („Kartuschen“ werden die Umrahmungen von Titel und Untertiteln genannt.)

Was gut zugeordnet werden kann, ist in der oberen Mitte das Ansbach-Brandenburgische Wappen – also haben wir es mit einer wohl in der Ansbacher Markgräflichen Kanzlei entstandenen Übersicht zu tun von einem Landstrich des Markgräflichen Oberamts Creglingen.

Dargestellt aber ist auch ein recht kleiner Teil der Rothenburger Landhege im Taubergrund nordwestlich von Rothenburg. Das Kartenblatt ist in O-W-Richtung entgegen dem heutigen System ausgerichtet, d.h. O ist links, W rechts – und es befinden sich der N unten und der S oben. Die Reichsstadt ist demnach weit hinter der rechten oberen Ecke zu denken.

Oben in der rechten Ecke ist Laudenbach eingezeichnet, darunter in der rechten Mitte Queckbronn. Die Tauber überqueren wir von dort aus in Richtung O (also nach links) bei Honsbronn und von dort aus geht es dann zum unteren Rand und zur rechten unteren Ecke.
Dort erreichen wir Weikersheim, dessen schön gezeichnetes Schloss man noch als das Wasserschloss erkennen kann, das es bis 1608 war. Bewegen wir uns weiter nach O (nach links), so gelangen wir nach Creglingen in der linken unteren Ecke, das nur teilweise angelegt ist. Darüber muss Standorf liegen.

Das Stückchen Rothenburger Landhege müssen wir uns von Creglingen aus schräg nach rechts oben denken.

Der Sinn der gesamten Darstellung wird nicht recht klar, aber darauf kommt es hier nicht an, sondern auf die insgesamt doch unbeholfene Art und Weise der Wiedergabe topografischer Realität. Denn die Karte zeigt Dörfer, Städte, Waldungen, erhöhte Geländeformen, Straßen und Wege in der alten plastischen Schrägbild-Manier, bringt die Namen der angegebenen Orte, Flur und Waldstücke jeweils in einer Banderole und kümmert sich nicht um die exakten Lagen und Entfernungen der Orte von einander. Ein Beispiel dafür ist das Dorf Klingen in der unteren Bildmitte, das topografisch völlig falsch liegt.

Um die Distanzen wenigstens in etwa darstellen zu können bediente sich der – unbekannte – Zeichner der damals gebräuchlichen Kreisschnitt-Methode: Nach Gehstunden eingestellte Zirkelhalbmesser wurden um zwei Orte geschlagen und im Schnittpunkt lag der dritte Ort.

Eine für Jahrhunderte gültige Art ein Stück Erdoberfläche abzubilden war die sogenannte Maulwurfshügel-Methode, wie sie auch hier zu sehen ist: Im Aufriss “wächst“ die Landschaft von unten nach oben, von Creglingen und Weikersheim im Vordergrund bis nach Lauden-
bach rechts oben und wahrscheinlich Apfelbach in der oberen Bildmitte. Das Blatt ist laviert, d.h. es ist mit Wasserfarben ausgemalt, die normalerweise mit heutiger Farbgebung für Landkarten nichts zu tun haben.

 

Eine weitere Karte – von mittlerer Blattgröße – voll nach dem Maulwurfshügel-Prinzip komponiert stellt eine dar, die meines Wissens nach – das einigermaßen fundiert ist – sicher mindestens in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts datiert werden muss {02} . Sie zeigt den von links her ins Kartenbild kommenden Tauberlauf, der in der rechten unteren Ecke die von oben her einlaufende Schandtauber auf nimmt. Weiler und Mühlen in diesem kleinen Bereich westlich und südlich von Rothenburg sind verzeichnet (z.B. Leuzhof, Schandhof, Schmelz-mühle), dazu Steinbrüche und – vor allem wichtig – die Marksteine. Man beachte: Auf praktisch jedem nach S ausgerichteten Hangstück wird Wein angebaut. Der unbekannte Fertiger schaffte durchaus mit Sorgfalt.

 

 

Zur Vervollständigung dieses Exkurses seien noch einige Karten im schnellen Durchlauf vorgestellt. Zunächst ein großformatiges Blatt {03} mit Waldungen am Steilhang der Frankenhöhe, hinter Neusitz und Schweinsdorf aufsteigend bis Windelsbach im linken oberen Eck – eine perfekte Maulwurfshügel-Arbeit von einem Unbekannten wohl nach der Mitte des 17. Jahrhunderts. Schön gezeichnet sind die beiden Ortskirchen unten.

Das nächste – etwa mittelgroße – Blatt {04} ist aus dem gleichen Zeitraum und ebenfalls von unbekannter Hand – eine Gebietskarte, reichend von Rothenburg links oben bis Schlüsselfeld und Pommersfelden rechts unten

 
 

Eine große, stark lavierte ältere Skizze – wohl auch noch des 17. Jahrhunderts – {05} soll im Vergleich mit dem nächsten Blatt den Fortschritt in der Kartographie illustrieren. Diese hier erscheint noch teilweise in Maulwurfshügel-Manier, stellt Rothenburg in der unteren Mitte vor, mit Nordenberg, Schweinsdorf, Neusitz, zit. „Erlabach, Hornbach, Södelbrunn“ und legt großen Wert auf die Standorte zahlreicher Marksteine an den Waldungsgrenzen. Betitelt ist sie zit. „der alt abrisz so die von rottenburg haben machen laszen“.

 

Das letzte Blatt des Exkurses {06} , wiederum recht groß und wohl ebenfalls aus dem gerade genannten Zeitraum, enthält bereits einen Maßstab, hier „Scala“ genannt, und zwar nach Meilen, dazu eine Windrose bereits mit den heute gültigen Himmelsrichtungen. Der Titel lautet zit. „Verzeichnus der Landschafft der Heyl. Röm. Reichs freyen Stadt Rothenburg ob der Tauber und derer benachbarten Angräntzenden Aemtern“. Dem zufolge habe wir hier eine Karte der Landhege und deren umgebende Landschaften mit Rothenburg in der Mitte, dessen prächtig gezeichnetes Wappen die Landeshoheit ausweist.

Meine Damen und Herren, nun kommen wir zu Karten des Mannes, den das Thema des Vortrags nennt: Matthäus Kohler !! Eine prächtig gezeichnete Windrose von seiner Hand begrüßt uns {07} .

 
 
 
 
 
 

 

 

Zunächst sollen einige der Waldkarten Kohlers vorgestellt werden. Warum? – Er war ja ursprünglich als Waldgebietsvermesser tätig in seiner württembergischen Heimat; selbst nennt er sich anfangs „Waldgeometer“ auf einem Blatt des Württembergischen Staatsarchivs. Sofort nehmen Sie bereits auf dieser ersten Karte – sie ist von großem Format – den gewaltigen Unterschied wahr zu den Exemplaren, die ich Ihnen eingangs gezeigt habe! {08}

Wir sehen das Gelände in Draufsicht, die seit etwa 1580 immer mehr angewandt wurde und das Schrägbild allmählich verdrängte. Zuerst hat der Nürnberger Patrizier Paul Pfinzing (gest. 1599) diese Methode benutzt und konnte so abstrahierend die Distanzen in seinen Karten mit viel größerer Genauigkeit als früher angeben. Mit der Zeit wurde die Kartographie immer abstrakter, d.h. es kam nun nicht mehr auf möglichst genaue Abbildung der Orte und Fluren in ihrer Physiognomie an, sondern auf ihre jeweilige Lage in der Landschaft.

Dazu verhalf vor allem die Fixpunktmessung nach dem um 1600 entwickelten trigonometrischen Verfahren, das auf der Berechnung nach dem rechtwinkligen Dreieck beruht. Zudem verein-heitlichte man die Farbgebung zusehends.

Allerdings war die heute vertraute Nordweisung zum oberen Rand hin noch keineswegs verbindlich. Das bemerken wir auch in der vorliegenden Karte: Die Windrose zeigt Süden in halb-linker Richtung, Norden in halb-rechter (dort mit einem Hinweis auf die magnetische Abweichung der Nordmessung); Osten ist oben, Westen unten. Die sehr oft übliche Kartusche suchen wir hier vergebens: Kohler hat in der rechten unteren Ecke signiert und den 26. Februar 1776 als Fertigungsdatum angeführt.

Dem unten im Kartenblatt eingezeichneten Maßstab von 50 Ruten können die Längendistanzen entnommen werden. Damit wir uns vorstellen können, wie lang eine solche Rute der da-maligen Zeit in Metern war, brauchen wir natürlich eine verlässliche Angabe. Denn da schwanken die Längen im Röm.-Deutschen Reich stark! Eine bayerische Rute maß z.B. 2,91 Meter, eine preußische 3,76 Meter, eine württembergische 2,86 Meter, eine Hannoversche gar 4,67 Meter! Und so geht es weiter! – Für die Reichsstädtische Rute ist gemeinhin die Länge von 3,926 Meter anzusetzen nach der Musterrute, die zusammen mit den Maßen für Fuß, Elle und Klafter am Torbogen des Rathauses angeschmiedet war.

Demnach können wir für die 50 Ruten der Kartenangabe 196,3 m rechnen. Die Ausdehnung der Waldungen in der Diagonale von links unten bis rechts oben zum Bruderharter Hof be-trägt in Luftlinie nach eigener Messung also rund 1,7 km. Alle Karten Kohlers tragen die Entfernungsangabe „Ruten“ und es ist zu fragen, ob nach der Übernahme Rothenburgs durch Bayern ab 1802 die bayerische Rute von 2,91 m sofort angewandt wurde. Die Feldmesser, die wie Kohler von Behörden angestellt waren, mussten natürlich kraft ihres Amtes die Flächengrößen berechnen für die Landbesitzer wie auch im Interesse derjenigen, die das Land – womöglich schon seit Generationen in ihren Familien – bearbeiteten – und sie mussten es gegebenenfalls neu verteilen, besonders bei einem Besitzerwechsel. Eine Tätigkeit, die sich bis heute nicht geändert hat! In der rechten unteren Ecke hat Kohler unter dem Titel der Karte die Flächeninhalte von 4 Waldstücken eingetragen, sogenannten Schlägen, die er vermessen und berechnet hat sowie die von einem Fuhrweg.

 

Angegeben sind die Flächengrößen in Morgen, in Vierteln und in Ruten, letztere sind selbst-verständlich Quadratruten. Und es handelt sich hier um Waldmorgen, deren Größen kleiner veranschlagt waren als die für Acker- oder Wiesengründe. Wieder haben wir es mit erheblichen Größenschwankungen innerhalb des Reiches zu tun, ja sogar innerhalb der Landhege gab es Unterschiede, die auf der jeweiligen Größendefinition der Längen-Rute beruhten; z.B. galten in Rothenburg 13 Fuß für die Längen-Rute, in Ohrenbach 12 – wie Karl Borchardt in seiner Dissertation anmerkt. Ein Morgen wird definiert als die mit einem Ochsengespann an einem Vormittag, einem Morgen, pflügbare Fläche – auf Ackerland. Meist sind dies im Röm.- Deutschen Reich 25 bis 58 Ar, maximal 122,5 Ar. Wie groß war denn nun bei uns der Morgen Wald in heute verständlichen Maßen ausgedrückt? Für Ackerflächen betrug er hier exakt 27,744257 Ar, wie Borchardt schreibt. Man darf also für einen hiesigen Waldmorgen mit etwa 25,5 Ar ansetzen.

Kohler berechnet für die 4 Waldstücke mit dem Stück Weg insgesamt 238 Morgen, 2 ½ Viertel, 15 ½ Quadratruten, angenähert 238,5 Morgen – wie wir sagen können. Nach Einsetzen in die Umrechnungsformel (238,5 Mo. mal 25,5 a) erhalten wir im Ganzen 6081,75 Ar, die 60,81 Hektar entsprechen, gerundet 61 Hektar.

Wichtiger aber für unsere Thematik als all dies ist etwas anderes! Der Titel der im Format relativ großenKarte (etwa 1 m x 1 m)lautet: zit. „Geometrischer Grundriss über das gemein-schaftliche Baurenholz,der Baurenschlag genannt, zu Hausen, welches einerseits, neben dem Bruderharter Hof, ins Löbliche Hospital gehörig, und einem ins Löbliche Steueramt gehöri-gen Holz – und andererseits neben der Hausener Gemeindehut stößt gegen Mittag (= S) an das ins löbliche Hospital gehörige Holz und gegen Mitternacht (=N) an die Hausener Äcker-felder und einen gemeinen Güterweg“. Wir bemerken, wenn wir die im barocken Sinne aufgeplusterte Diktion beiseite lassen: Kohler formuliert sehr treffend und seine Auftraggeber konnten sich ein gutes Bild von der Lage und den Besitzverhältnissen der Waldstücke machen. Er kennzeichnet die einzelnen Schläge mit Kleinbuchstaben, die äußerst wichtigen Marksteine mit Großbuchstaben – die Erläuterung für letztere fehlt jedoch im Archiv. Oft sind die Buchstaben unter der Abkürzung „Lit.“ für Litterae, lateinisch für „Buchstaben“ angekündigt.

Nun bitte ich Sie auf die Einzelheiten zu achten! Beim genauen Hinsehen erkennt man eine Unzahl von Bäumen – ja nicht nur die in ihrer großen Zahl, sondern in den Schlägen auch äußerst differenziert nach Nadel- und Laubbäumen, dazu die mit Mischwald und die Jungholzbestände. Die Geländeformen sind verdeutlicht durch Schraffen und Schummerung an den Hängen hin zu den eiszeitlich eingetieften Tälern, in denen Bäche fließen.

 

Fünfzehn Jahre später (1791) misst, verteilt und zeichnet Kohler zit. „auf Verlangen der Theilhabern, mit Genehmigung Eines Hochedlen und Hochweißen Raths dahier“ das gleiche Gelände noch einmal {09} . Jetzt schreibt er Titel, Vorgänge und Ergebnisse in eine prächtig ornamentierte, vielgestaltige Kartusche.

 
 
 
 
 
 

 

Eine weitere Waldkarte soll gezeigt werden: Der Endseer Berg {10} in fast plastischer Her-ausstellung mit den ihn umgebenden Stücken, dazu die genaue Zugehörigkeit der nicht eigens ausgearbeiteten Ackergüter, Wiesen und Hutschaften, vermutlich um 1780 entstanden auf einem Blatt von mittelgroßem Format. {10} Die Erläuterungen sind angeheftet: vier Seiten lang! {11} {12} Und wie überall ist hier nichts gedruckt, wie man vielleicht meinen könnte. Alle Kohler-Karten sind Zeichnungen; die Schriften, die sie tragen, sind mit spitzer Gänsekielfeder bzw. bereits mit spitzer Stahlfeder angefertigt – so unterschiedlich sie von den Lettern her auch sein mögen.

 
Bild 11 Bild 12
 
 

Zunächst soll hier aus den Kohlerschen Flurkarten ganz kurz eine der wohl ersten seiner Rothenburger Tätigkeit vorgestellt werden {13} ; sie entstand 1773 – das großformatige Original lagert im Nürnberger Staatsarchiv. Thema: Vermessung und Zeichnung eines dem ehe-maligen Dominikanerinnen-Kloster zehntpflichtigen Distrikts zu Morlitzwinden, der an Brandenburg-Ansbachische wie an Hohenlohe-Schillingsfürstliche Gebiete grenzt und außerhalb der Landhege liegt. Unverkennbar bereits jetzt die Kohlersche Manier seine Karten zu ge-stalten! – Beachten Sie die vielen, sorgfältig gezeichneten Acker-Gewannfluren, versehen mit – mdal. gesagt -: „Be-itr un Furche“.

Es ist offensichtlich, dass die meisten Flurkarten wie auch die Waldkarten entstanden sind aus Unklarheiten über die Zugehörigkeit bestimmter Flächenstücke und den Streitereien daraus; doch auch die Bitten um Neuvermessung und Neuverteilung etwa aus Gründen eines Erbfalls oder Verkaufs machten neue Karten nötig; oder es handelte sich einfach um unrechtmäßige Einverleibung eines Stück Bodens, vielleicht sogar durch den gewaltigen Frevel der Steinversetzung bzw. -vernichtung.

Bei einer Neuvermessung und eventuellen Neuverteilung von Grund und Boden waren stets die Siebener, die Feldgeschworenen anwesend, denn sie setzten die Marksteine – unter Umständen sogar ohne den Geometer, denn es sollten möglichst wenige andere Zeugen zugegen sein. Unter jeden Stein kam das sog. „Geheimnis“, d.h. ein bestimmtes Zeichen. Jede Gemeinde wählte sieben Männer aus, angesehene Leute, die eingeschworen wurden und diese Aufgabe ein Leben lang verrichteten.

Dem nächsten Blatt {14} kann sehr gut eine Situation an der Grenze der Landhege entnom-men werden: Die kleinformatige Karte von 1780 mit dem Arbeitstitel zit. „Anstößere [Anrai-ner] innerhalb uf Rothenburger Seite sowie die an die Landhege dort angrenznden Nachbargebiete“ aus dem Bereich Neustett. Standorte der alten Marksteine führt Kohler zum Beweis an links unten.

Was aber das Kärtchen darüber hinaus wert voll macht, sind einmal der eingezeichnete Riegel („Neustetter Riegel“) am „Fuhrweeg nach Eqarhofen“ im Bereich der mit Sicherheit befestigten Landhegegrenze, zum anderen der Schlupf am „Gehweeg nach Freudenbach“.

Direkt über die sich südlich an die Stadt anschließende Flur informiert diese großformatige Karte von 1788. {15} Ihr Inhalt befasst sich mit der Lage wichtiger Marksteine im Bereich der Rothenburger Geländestücke Kleiner und Großer Brühl (nur noch wenige kennen diese Namen) vor dem Friedhof und der Friedhofskirche sowie der Leichenhalle und einem Gebäude an der Landstraße nach Neusitz.

Alt schon ist der Streit zwischen der Reichsstadt und dem Comburger Besitz Gebsattel – und diese Karte hier zeugt ebenfalls davon: Comburg soll sich südlich des Kappenzipfels kleinere Stücke einverleibt haben. – Betrachten Sie bitte die Windrose! Hier habe ich erstmals bei Kohler die heute gebräuchliche Ausrichtung und die modernen Bezeichnungen entdeckt!

Wegen der Attraktivität gerade dieser Groß-Karte {16} ist sie hier mit aufgenommen wor-den. Obwohl sie weder das Fertigungsjahr noch den entwerfenden Geometer angibt, kann sie nur von Matthäus Kohler stammen, und zwar noch aus dem 18. Jahrhundert. Ihr Inhalt befasst sich mit Grenzverläufen und Besitztiteln von Gemeinden im Bereich Lichtel-Schmerbach-Streichental-Münster. Jetzt bringt Kohler sogar die Abkürzungen für die vier Himmelsrichtungen an der Windrose!

 

Ein Detailausschnitt zeigt den Lichteler Landturm {17} .

 

 

 

 

 

Wohl wegen einiger Streitigkeiten in der Gegend um Rödersdorf – wieder mit Gebsattel – wurde das folgende mittelgroße Blatt im Jahr 1781 erstellt {18} .Es zeigt sehr anschaulich die Distanzen zwischen den Gemeinden südlich und südöstlich von Rothenburg. Wir können noch ein wenig ins Detail gehen: {19} {20} – v.a. gewinnt Kohler den plastischen Eindruck durch die Schraffen, die er gestrichelt hat. Wenn man genau hin sieht auf die freien Flächen rechts oder links oben, kann man noch die kleinen Quadrate erkennen, mittels deren Kohler seine Geländeskizzen auf sein Zeichenpapier übertragen hat.

 

 
Bild Nr. 19 Bild Nr. 20

1791 entstand die jetzt vorliegende große Karte {21} . Ihr Titel in einer prächtigen Kartusche: zit. „Die ganze Neusizer Marckung sammt den angränzenden Hölzern und der Stadt-Huth-schafft, nebst der ganzen Belage [Bewuchs] vom Wachsenberg; welche auf Grundgütigsten Gnädigsten Auftrag Eines Hoch-Edlen Raths dahier Wegen sich ergebender Schaaf-Huth und Wayd-Strittigkeit zwischen der Gemeinde zu Neusitz und Gemeiner Stadt Schaaferey, aufgenommen und in gegenwärtigen Grund Riß gebracht worden durch Matthäus Kohler, verpflichten Feldmeßer dahier den 22. April 1793“ – also zwei Jahre nach der Aufnahme.

Wieder sind zahlreiche Einzelheiten aufs Blatt gebracht. In die morphologisch hinreichend ge-nauen Geländeformen am Wachsenberg sind neben den Orten praktisch alle Flurnamen eingetragen, die Straßen und Fuhren, die wichtigen Marksteine.

 

Eine Art Rückfall in ältere Kartendarstellungen weist diese von 1778 aus {22} mit der zweifachen Thematk der zit. „durch das Rothenburgische Gebiet gehenden Heer- und Landstra-ßen“ sowie „der von dem Fürstlichen Haus Hohenlohe Waldenburg Schillingsfürst wegen herstellung derselben geführten Grundlosen Beschwerden“ in einer Kartusche in feinster Barockmanier. Von Rothenburg in der linken Kartenmitte aus ziehen sich die Straßen in südli-cher Hauptrichtung hin bis zum Steilanstieg der Frankenhöhe rechts in der Karte. Einige Details: {23} {24} . Oben begrenzt der Aufgang zur Frankenhöhe das Blatt. Einen Rückfall stellt es insofern dar als die Orte außerhalb Rothenburgs noch in der Schrägsicht plastisch abgebildet sind und Schillingsfürst oben auf der Frankenhöhe thront.

 
Bild Nr. 23 Bild Nr. 24

 

Ähnlich gezeichnet ist die folgende Karte, die ebenfalls die Orte, jetzt auch Rothenburg, als Panorama-Bilder wiedergibt {25} . Man meint hier, sogar die längst überkommene Maulwurfshügel-Methode zu erkennen. Eine Erklärung zu diesen beiden Darstellungen liegt vielleicht darin, dass Kohler – obwohl er sich hier nicht nennt, muss er doch der Zeichner sein – dass also Kohler ältere Karten bei seinen Arbeiten vorgelegen haben.

 

Als Prachtexemplar einer Prozesskarte muss die nächste – wiederum sehr große – gelten {26} : zit. In aufgeblasener barockisierter Sprache: „Geometrische Vorstellung der zwischen der jezig Fürstlich Hohenlohe und Hatzfeldischen Gemein Herrschaft zu Münster, und der Reichs-Stadt Rotenburg bey dem Hochweißen Kayßerlichen Reichs-Kammer-Gericht ob-schwebenden und nun in das 3.te Saeculum andauernden Landes-Gräntz- und Jurisdictions Irrungen nach Kayßerlicher Commissions-Augenschein Protocoll, und dabey befindlichen Abriß de anno 1595, und nach der jezigen würcklichen Beschaffen-heit, aufs neue Gezeichnet von Matthäus Kohler, Geometra aus dem Herzogthum Württemberg“. Angegeben hat er kein Fertigungsdatum, doch deutet der Herkunftshinweis Kohlers auf ein frühes Jahr in den 70ern des 18. Jahrhunderts hin. Ihm lag zweifellos eine ältere Karte vor – im Stadtarchiv gibt es zwei solcher Exemplare. Wie immer hat der Feldmesser auf das Sorgfältigste gearbeitet; das weisen die Grenzverläufe aus.

Recht schön ist das Kärtchen über die Flurverhältnisse im Bereich Seldeneck {27} . Man sieht deutlich die Schlossruine auf dem Schlossbuck; z.B. auch zit. „Johann Georg Geuders Schultheißen zu Bettwar Wießen“ und anderes mehr. Obwohl keine Nennung vorhanden ist, hat Kohler das Gelände eingemessen und gezeichnet.

 

Zwei weitere kleine Flurkärtchen sollen anschließen: zuerst eine Weinbergskarte {28} , die angibt, dass es sich um des zit. „Weyl. Tit. Herrn Stadt-Bürgermeisters v. Staudt Weinberg an der Bronnenmühle“ handelt, „nebst dem von Johann Georg Zahn verkauften Berg“. 1806 ist also der Rothenburger Weinbau in verschiedenen Lagen noch vorhanden – auch an den Hän-gen über der Bronnenmühle – , nicht aber im Rosental, wo er bestimmt auch Jahrhunderte lang betrieben worden ist {29} . Das Blättchen von 1792, das eine Hutwasen-Einteilung beschreibt, zeigt das Toppler-Schlösschen links oben.

 

 

Ein Klick aufs Bild vergrößert es.

Zu den schönsten Karten Kohlers zählen die von Gewässern. Eine der recht großformatigen davon ist die über den Großen Lindleinssee, vom Geometer „Ländleinssee“ genannt {30} . Ihn und die um ihn herum liegenden Wiesen hat er 1804 aufgenommen, gemessen, verteilt und gezeichnet, nochmals dann 1805 wegen ausgerissener Pflöcke, wie er schreibt.

 

Weitere zwei Gewässerkarten folgen: Eine etwas größere über die ehemalige Seenreihe am Siechhaus, leider ohne Unterschrift und Jahresangabe, aber zweifellos von Kohler {31} , und eine mittlerer Größe von 1804 mit gleich zwei Seen {32} , dem „Igelsbach-Seelein oberhalb dem Siechhaus an der Gebsattler Straße“ und dem „Kurfürstlichen Karrachsee oberhalb der Karrachmühle“ – so drückt sich der Geometer aus.

Bild Nr. 31 Bild Nr. 32

Nun zu den Plänen, die Matthäus Kohler gezeichnet hat!
Zunächst wollen wir uns einen kleinformatigen Plan vom Insinger Schlösschen ansehen {33} . 1791 nimmt er ihn auf, misst und zeichnet ihn. Das „Wohllöbliche Rothenburger Steueramt“ und der „Land-Commissarius Albrecht“, der zugleich das Schlösschen bewohnt, teilen sich in den Besitz und der muss eben jeweils zugeordnet werden.

 

Eine Kombination zwischen Karte und Plan zeigt dieser eher kleinformatige Riss {34} von 1797. Die an der Mündung der Schandtauber in die Tauber sowie an dem einen Ende des Mühlgrabens gelegene Schleifmühle sollte umgewandelt werden in eine „Tabak-Stampf- und Mahl-Mühle“, wie es in der Erläuterung heißt. Der oberhalb der Schleifmühle wohnende und arbeitende Schmelzmüller protestierte dagegen, weil er wohl einen Rückstau der stark belas-teten Abwässer aus der neuen Produktion der Schleifmühle befürchtete. Denn gerade an der Schleifmühle befand sich ein bewegliches Stauwehr, das dann in diese Fluss-Enge versenkt wurde, wenn die Schmelzmühle mahlen wollte. Der Plan ist angefertigt worden zit. „auf Hoch-Obrigkeitlichen Befehl durch eine Wohllöbliche Raths-Deputation“, die zusammen mit einigen Sachverständigen das Ganze in Augenschein nahm.

 

indrucksvoll {35} auch der kleine zit. „Situationsplan über den Umfang des Hospithal-Hofes zu Rothenburg und enthält solcher a) die Hofraithe. b) die, in derselben liegende Spithal- und andere Gebäude. c) Graß und Baumgärten. d) Gemüß und Schoorgärten. – Auf Befehl einer Königl. Allgemeinen Stiftungs-Administration dahier, Aufgenommen, und hie-hero gezeichnet. im Monat December 1812. durch Matthäus Kohler, Feldmeßer“. Wir sehen hier auch angegeben einen „Maßstab von 200 Bayerische Schuh“ gleich 14 m bei einer Länge von 28 cm für den bayerischen Schuh. Also hält sich Kohler hier wie wohl auch in seinen an-deren ab 1802/03 gezeichneten Karten an die schließlich 1808 vom König befohlene staats-weite Landvermessung an bayerische Maße. Auf Sorgfalt kam es dabei entscheidend an, denn die Grundsteuer war bereits seit Kurfürstlichen Zeiten ab 1802 die Haupteinnahmequelle des bayerischen Staats.

In diesem Plan sind die Grundstücks- und Gebäudebesitzer einzeln aufgeführt, aber Größenzahlen zu den jeweiligen Flächen fehlen. Man konnte sie sich aus den Längenmessungen leicht errechnen.

Jedoch stieß eine solche genaue Feststellung der Besitzverhältnisse schon ab 1802 auf den ent-schiedenen Widerstand sowohl der Grundherren als auch – und vor allem – der steuerpflichtigen Hintersassen, kam sie letztlich doch einer Art Steuer-Erklärung gleich! (So Karl Borchardt in seinem Buch „Das Ende einer Reichsstadt“.)

Einen weiteren Eindruck von Kohlers wohl wichtigster Tätigkeit nach 1802 gibt die nächste – ziemlich großformatige – Karte {36} ,die er im Oktober 1808 gemessen und im August 1809 gezeichnet hat von den Besitzungen des Spitals beim Schandhof – zit. „ … Auf Befehl einer Königl. Spithal Verwaltungs Administration …“ Akkurat sind alle in Frage kommenden Flurstücke und Hofreiten aufgeführt, vermessen und in ihren Lagen gezeichnet, damit die Grund-steuer erhoben werden konnte! Sie war nicht einheitlich, sondern nach urbaren Feldern, nassen oder trockenen Wiesen, Gärten und Wäldern unterschieden. Außerdem berücksichtigte man damals bereits die jeweilige Bodengüte.

Die akribisch genaue Festsstellung noch einmal extra: {37}

 
 

Mit diesem Blatt aber will ich nicht abschließen!

Eine der letzten Karten, die der Geometer und Kartograph Matthäus Kohler in seinem Rothenburger Vermessungsbüro angelegt hat, scheint diejenige zu sein, die ich Ihnen zum Ende vorstelle {38} : zit. „Entwurf- Ris über den Gemeind-District Rothenburg – gefertiget und gezeichnet im Monat Juny bis July Ann 1813 durch Matthäus Kohler, Feldmeßer“. Hier beschreibt er das Rothenburg seiner alten Tage, das Rothenburg, das nun bereits seit 11 Jahren bayerisch war. Wiederum sind – wir kennen es ja nicht anders – mit Sorgfalt alle kleinen und großen Einheiten aufgenommen, die zum zit. „Ingebriff des Gemeind-Districts Rothenburg“ zählen; neben der Stadt Rothenburg das Dorf Detwang, der Weiler Steinbach, das Hosbach-Schlösslein, der Dürrenhof, der Schandhof, das Wildbad im Tal bei der Stadt, das Siechhaus und die Ziegelei. Zudem sind alle Mühlen an Tauber und Schandtauber eingezeichnet.

 
 
 

Noch einige Details dazu: {39} {40} {41} {42} Beachten Sie wieder die zahlreichen Weinanbauflächen, die hier noch ausgewiesen sind! –

Mit Recht bezeichnet Karl Borchardt Kohlers Karten als zu den „Zimelien“ des Rothenburger Stadtarchivs gehörig – zu den wertvollen Kostbarkeiten dieser Institution.

Für die große – vor allem technische – Unterstützung bei der Herstellung der Kartenfotos und für sehr gute historische Hinweise möchte ich mich bei Herrn Ekkehard Tittmann bedanken, auch bei Herrn Lothar Schmidt für das Foto der Spitalplans. Und für die Unterstützung beim Vortrag bei Herrn Dr. Helmut Möhring.

Damit, meine Damen und Herren, bin ich am Ende meiner Ausführungen angelangt und dan-
ke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit ganz herzlich!

Herbert Krämer-Niedt

Bild Nr. 39

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Bild Nr. 40

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Bild Nr. 41

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Bild Nr. 42