xx.xx.2004 | Vor und nach der Mediatisierung 1802

Ansichten Rothenburgs vor und nach der Mediatisierung

Stadtansichten von Rothenburg gibt es heutzutage, wie jeder weiß, millionenfach: als Ansichtskarte, als Touristenfotos, in Reiseführern. Dass aber seit Jahrhunderten, schon lange vor der Entdeckung der Stadt durch den Fremdenverkehr, eine ungewöhnlich große Zahl von Gesamtdarstellungen, sog. „Veduten“, der alten Reichsstadt existiert, ist wohl weniger bekannt. Auf diesen Sachverhalt hat Dr. Helmuth Möhring, Leiter des Reichsstadtmuseums, in der winterlichen Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg ein zahlreiches Publikum in der „Glocke“ aufmerksam gemacht.

Als eigenes Genre der Malkunst entstand die Vedutenmalerei im 15. Jahrhundert in Italien, abgegrenzt von den heroischen und phantastischen Landschaftsbildern. Schon eines der ersten Beispiele dieser neuen Darstellungsweise zeigt Rothenburger Architekturmotive und eine Art Stadtansicht von Norden, nämlich der Hochaltar in der Nördlinger Sankt-Georgs-Kirche von Friedrich Herlin aus dem Jahr 1462. Der aus Rothenburg stammende Maler hat seine Heimatstadt, wie bekannt, sehr detailliert auch auf den Bildern der Jakobus-Legende in der Rothenburger Hauptpfarrkirche überliefert – noch bevor etwa in der berühmten Schedel´schen Weltchronik eine Ansicht des weitaus bedeutenderen Nürnberg zu sehen war.

Weitere Veduten folgten, bekanntere und unbekanntere, von Braun und Hogenberg, Meichsner, Merian und anderen. Fast alle wählten den Blick von Westen auf das „fränkische Jerusalem“, der die „Stadtkrone“ am imposantesten erscheinen und die Bilder zum „Städtelob“ geraten ließ. Die Bedeutung des Meichsnerschen Kupferstiches für die späteren Werke wurde deutlich: Sogar Fehler in der Darstellung wurden übernommen und weitergegeben.

 

Hans Meichsner, Rothenburg von Westen, Kupferstich auf Papier, datiert 1615.

In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts kam eine „aufgeklärte“ Sichtweise zum Zuge. Johann Friedrich Schmidt präsentierte in seinen akkuraten Stichen 1762 ein aufgeräumtes, sauberes, zeitgemäßes Rothenburg, das es mit den fürstlichen Residenzen des Absolutismus durchaus aufnehmen konnte. Es handelte sich zugleich um eine gebändigte, symmetrische Welt im Kleinen, die auch die Natur in die rechte Form brachte und keinen Blick für das Ungeregelte, Undomestizierte besaß. Zusammen mit den naiv-unbeholfenen Zeichnungen aus der im Stadtarchiv lagernden Chronik des Johann Ludwig Schaefer (1729 – 1748) bilden die Druckgraphiken von Schmidt eine Quelle von unschätzbarem Wert zum Aussehen Rothenburgs vor dem Übergang an das Kurfürstentum Bayern 1802/03.

Der brutale Rationalismus der bayerischen „Okkupanten“ vernichtete ja in Rothenburg wie andernorts zahlreiche Baudenkmäler des Mittelalters, überwiegend geistliche, aber auch weltliche. Was wurde nicht alles geopfert, auf Abbruch und zum Preis der Quadersteine verkauft! Die imposante doppelgeschossige Michaelskapelle am Kirchplatz, die Kirche des Dominikanerinnenklosters, die Marienkapelle am Kapellenplatz, der „Pharamundsturm“ usw. ! Andere Bauwerke überlebten diese Zeit des Umbruchs nur durch Zufall, so etwa die Kobolzeller Kirche.

Mit vielen Bildern zeigte Dr. Möhring schließlich, dass die Bausubstanz und das Erscheinungsbild der Altstadt doch viel mehr als bisher vermutet auch aus dem 19. Jahrhundert stammen.

Prof. Dr. Karl Borchardt, der 2. Vorsitzende des Vereins Alt-Rothenburg äußerte abschließend die Hoffnung, dass Dr. Möhring wenigstens einen Teil des umfangreichen Bildmaterials den an Kunst und Geschichte Interessierten in gedruckter Form zugänglich machen wird.

Ein vorläufiges Resümee über die Thematik bietet in Wort und Bild der von Borchardt und Möhring gestaltete Ausstellungskatalog „Rothenburg 1802/03„, erhältlich für 15,00 EUR an der Museumskasse oder zu bestellen über reichsstadtmuseum@rothenburg.de.

Dr. Helmut Möhring

 

Ernst Bauer, Abriss des Vorwerks vor dem Würzburger Tor, Zeichnung auf Papier, datiert 1839.