Das veränderte Rödertor

Die kulturgeschichtliche Bedeutung des Rödertors dürfte jedem, sogar den heftigsten Verfechtern der Veränderung bewusst sein. Es ist 1649 datiert, der Bau (bzw. der Neuaufbau) fällt also interessanterweise in die Zeit kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg. Solche Vorbauten von Befestigungen sind in Deutschland durch die Industrialisierung extrem selten geworden.

Zustand ca. 1978 (Aufnahme Nr. 10 s/w von Michael Jeiter aus dem Buch „Rothenburg ob der Tauber“ von Vincent Mayr, Deutscher Kunstverlag, 1978)

 

Rothenburg besitzt gleich mehrere solcher Wehrbauten, nämlich am Klingentor, am Rödertor und am Spitaltor. Jedes ist auf die besonderen topographischen Gegebenheiten zugeschnitten. Das Rödertor war möglichst niedrig konstruiert, um das Tor gegen das flache Terrain widerstandsfähig zu gestalten. Es ist in einem harmonischen Rundbogen ausgeführt und mit einem aufwändigen und wohldurchdachten Diamantierungsrhythmus gewölbt. Das Burgtor und das Spitaltor sind ähnlich gestaltet, und es ist anzunehmen, dass die abgerissene Bastei am Würzburger Tor gleiche Konstruktionsmerkmale aufwies.

 

 

 

 

 

Die Veränderungen, die jetzt vorgenommen wurden, stören das Denkmal ganz erheblich:

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Die Gesamtproportion der Westansicht hat sich ebenfalls verändert; die Torwärterhäuschen wirken nun viel kleiner als vorher.

 

 

 

 

 

 

3. Der Rhythmus der diamantierten Bogensteine ist gestört. Bisher war immer ein kleiner und ein großer „Diamant“ alternierend aufgebaut. Im linken Gewände sind nun plötzlich zwei große Diamanten übereinander, ein scheinbar grotesker Fehlgriff des Erbauers!

 

 

 

 

 

 

 

4. Die Diamantierung des eingeschobenen Kämpfersteins ist flacher gehalten als im Original; trotzdem hat man das gleiche Material verwendet. Auch dies sieht nach einer verpfuschten Reparatur aus.

5. Durch die Erhöhung des Bogens mussten naturgemäß auch im Schultermauerwerk neue Steine eingebaut werden; an welcher Stelle das erfolgte, ist aber nicht sichtbar, d.h. die Original- ist nicht mehr von der Neusubstanz zu unterscheiden, ein eklatanter Verstoß gegen Restaurierungsrichtlinien!

Dies alles wäre vielleicht noch zu ertragen gewesen, wenn mit dieser Veränderung wirklich eine positive, langfristige Entwicklung für die Stadt in Sicht gewesen oder wenn wenigstens ein breiter Konsens hergestellt worden wäre. Aber das Gegenteil ist Fall: man hat, oligarchisch entscheidend, ein Denkmal dem Verkehr geopfert, noch dazu völlig ohne Not.

Der Umbau dieses Tores kann jetzt nur als Einladung verstanden werden, noch höhere Fahrzeuge als bisher in die Altstadt zu locken. Die Beschädigungen werden also weitergehen, vielleicht sogar noch stärker und häufiger als vorher. Oder glaubt man etwa, dass sich LKW-und Busfahrer von Höhenangaben abschrecken lassen?

Diese Veränderung wirft unseres Erachtens auch die Frage auf, wie die Stadt generell in Zukunft mit Denkmälern umgehen will. Wenn man jedem kurzfristigen partikularen Interesse nachgibt (und die Anpassung an den Autoverkehr ist so eine), dann werden bald weitere, ähnlich lautende Anträge auf dem Tisch der Stadt liegen. Mit welcher Rechtfertigung wird man dann die Veränderung von Toren und Türen an denkmalgeschützten Häusern verhindern wollen?

Bernhard Mall, 26.04.2003