2017.03.07 | Die Nikolauskirche in Bockenfeld im Wandel der Zeit
17.03.2017:
Vortrag Heinz Ott,
„Die Nikolauskirche in Bockenfeld im Wandel der Zeit“,
„Glocke“, 20.00 Uhr
Ein Streifzug durch die Geschichte der Bockenfelder Nikolauskirchen
Im Rahmen der winterlichen Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg stellte Heinz Ott aus Lohr, langjähriger Mitarbeiter im Rothenburger Notariat, im Gasthof „Zur Glocke“ seine in gründlicher Forschungsarbeit entstandenen Ergebnisse über die St.-Nikolaus-Kirchen in Bockenfeld vor. Sein Vortrag wurde von Stefan Walther aus Bockenfeld hervorragend durch Fotaufnahmen historischer Bild- und Textquellen illustriert.
Warum spricht Heinz Ott von drei Nikolauskirchen statt von einer einzigen? Das erklärt sich daraus, dass die mittelalterliche Bockenfelder Chorturmkirche im 18. Jahrhundert so baufällig geworden war, dass sie 1767 komplett agberissen und durch einen Neubau des berühmten Ansbacher Barockbaumeisters Johann David Steingruber im Markgrafenstil ersetzt wurde, bei dem der Turm wie beim Vorgängerbau im Osten stand. 1770/71 weihte man das neue Gotteshaus. Interessant sind in diesem Zusammenhang die kleinlichen Streitereien zwischen dem Markgraftum Ansbach und der Grafschaft Hohenlohe-Schillingsfürst. In Bockenfeld war nämlich Hohenlohe Landesherr, besaß also die weltliche Herrschaft (Hochgerichtsbarkeit, Aufsicht über die bäuerliche Gemeinde usw.), während Ansbach die Kirchenherrschaft (Patronat) ausübte, die es im Zuge der Reformation vom Stift St. Gumbert in Ansbach übernommen hatte.
Aber Steingrubers Kirche musste schon 80 Jahre später wegen Baufälligkeit gesperrt werden. Den im „germanischen“, also neogotischen Stil errichteten Neubau mit seinem markanten, 38 Meter hohen Westturm weihte man im Jahr 1865 ein. „Dankbar konnte die Bockenfelder Gemeinde dafür sein, dass es zu keinem Unfall bei den Bauarbeiten gekommen ist, anders als in Lohr, wo es 1856 einen Toten und in Diebach 1897 zwei Tote gab.“ (Heinz Ott) An der oberen Tauber befindet sich nämlich ein kleines „Nest“ von historistischen Kirchenbauten aus dem 19. Jahrhundert: Oestheim (1835/38, mit neoromanisch-klassizistischem Gepräge), Lohr (1854/57, neoromanisch), Bockenfeld (1861/67) und Diebach (1897/99, beide neugotisch).
Aus der Bockenfelder Kirchen- und Dorfgeschichte wusste Heinz Ott Interessantes und Neues zu berichten.
Das Patrozinium des heiligen Bischofs Nikolaus könnte auf hochmittelalteriche Beziehungen zum Stift Comburg (bei Schwäbisch Hall) hinweisen, das ja von den Grafen von Comburg-Rothenburg gegründet wurde und bis zum Ende des Alten Reiches bedeutenden Besitz in Gebsattel hatte. Orte mit dem Kirchenheiligen Nikolaus liegen oft an fischreichen Wasserläufen (Marktbreit, Winterhausen, Mistlau/Jagst, Schäftersheim und Elpersheim/Tauber). Dies könnte ebenso zu einem gewissen Wohlstand Bockenfelds im Mittelalter geführt haben wie die Lage an der großen Straßenverbindung, die von Norddeutschland über Würzburg, Rothenburg, Donauwörth und Augsburg nach Rom führte. „Alle Wege führen nach Rom – und einer über Bockenfeld.“ Aber diese günstige Verkehrslage führte auch dazu, dass Truppendurchzüge eine Plage waren und im Dreißigjährigen Krieg fast der gesamte Ort zerstört wurde. Im Jahr 1627 steckten sich die Bockenfelder mit der „Pest“ an, 43 Kinder und 39 Erwachsene starben innerhalb eines Jahres.
Bemerkenswert ist die Historie der Bockenfelder Glocken. Im Ersten Weltkrieg mussten (wie dann auch im Zweiten) viele Glocken von den Kirchtürmen als Rohmaterial für die Rüstungsindustrie abgeliefert werden. Aus Bockenfeld holte man 1917 eine bienenkorbförmige Glocke ab, die wahrscheinlich zu den ältesten Glocken unseres Raumes gehörte. Zwei andere Glocken von 1422 und 1519 kehrten 1947 aus dem Hamburger „Glockenfriedhof“ zurück und ertönen noch heute wundersamerweise vom Bockenfelder Kirchturm.
Über die Einführung der Reformation in Bockenfeld war man bisher häufig der Meinung, dass sie wie in der Markgrafschaft bereits 1528 erfolgt sei. Doch Heinz Ott korrigierte hier einiges. Die Tatsache, dass Bockenfeld zur Grafschaft Hohenlohe gehörte, die erst um 1540 evangelisch wurde, sowie die jeweiligen örtlichen Verhältnisse haben dazu geführt, dass von einer flächendeckenden, zeitlich einheitlichen Durchsetzung des neuen Glaubens im Raum Insingen-Bockenfeld nicht gesprochen werden kann. Da Bockenfeld zu den um Insingen zentrierten Patronatspfarreien von St. Gumbert gehörte, hattes es kirchenorganisatorisch mit Rothenburg nichts zu tun, sondern gehörte zum ansbachischen Dekanat Leutershausen.
1968 wurde die Bockenfelder Kirche durch eine starke Betonmauer am Fundament gesichert, 2013 erfolgte in einem aufwendigen Verfahren (metertiefe Injektion von Zweikomponentenharzen ) eine erneute Festigung. Heinz Ott kommentiert: „Bei der 200-Jahr-Feier der Kirche wird man dann feststellen können, ob dies mehr Erfolg brachte als die Betonmauer.“
Dr. Richard Schmitt