Jahresbericht 2016/2017

Am 28. März 2017 hat der Verein Alt-Rothenburg zu seiner turnusmäßige Vollversammlung eingeladen.

Dr. Richard Schmitt, Schriftführer des Vereins, hat seinen Jahresbericht vorgelegt. Lesen Sie, was im vergangenen Jahr alles passiert ist.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

das vergangene Vereinsjahr begann für uns mit einem Schock. Völlig überraschend verstarb Reinhold Glaser, unser Türmer auf dem Röderturm. Seinen Angehörigen und seinen Freunden gilt unser Mitgefühl. Bis heute ist es uns nicht gelungen, einen Nachfolger zu finden. Vor einer Wiedereröffnung des Turms müssten endlich verbesserte Werbemaßnahmen in seinem Umfeld in die Wege geleitet werden.

Sehr erfreulich war dagegen, dass uns in diesem Jahr die Sanierung zweier „kleiner Kostbarkeiten“ gelungen ist. Gesichert wurden die Türe am Pulverturm und die Turmspitze („Kreuzblume“) im Klostergarten. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei den beteiligten Handwerkern, nämlich den Firmen Haag in Bettwar und Herzig in Schnelldorf für ihr großzügiges Entgegenkommen – sie haben praktisch um Gotteslohn gearbeitet – und bei Frau Knoll-Schäfer für ihr Engagement ganz herzlich bedanken. Wir werden diese Aktion fortsetzen und werben schon heute um Sponsoren und Helfer, die uns bei der Fortsetzung dieses Projekts unterstützen sollen.

Es gibt eine Reihe kleinerer Erfolge zu vermelden, die von der Lebendigkeit unseres Vereins zeugen und uns in der Öffentlichkeit positiv darstellen. Jochen Ehnes hat mit seiner „Bücherkiste“, die er zu Veranstaltungen wie der „Stadtmosphäre“ oder den Vereinsvorträgen mitbringt, zum einen die Vereinskasse ein bisschen aufgefüllt und zum anderen die Buchbestände ein wenig gelichtet. Zusätzlich stellte er für uns in großer Zahl Flyer her, die auf den Verein aufmerksam machen und eine ganze Reihe von Neueintritten bewirkt haben. Unsere Mitgliederzahl hat sich im letzten Jahr positiv entwickelt.

Führungen durch das Haus Judengasse 10 mit der Mikwe am „Tag des offenen Denkmals“ am 11. September und im Zusammenhang mit der „Jüdischen Woche“ 15. – 23. Oktober erfuhren großen Zuspruch und beweisen ein großes Interesse vieler Leute an historischen und denkmalpflegerischen Themen. Herr Mall führte erneut eine Landhegewanderung durch. Die ungeschickt platzierte Werbetafel an der Wolfgangskirche konnte versetzt werden.

Der Historische Verein für Mittelfranken veranstaltete Ende April seine Jahreshauptversammlung 2016 im Städtischen Musiksaal. Anwesend waren u.a. Regierungspräsident Dr. Bauer und Prof. Seiderer/Erlangen. Dr. Naser hielt einen Vortrag über „Rothenburg im Spätmittelalter“. Am Sonntag fand eine Bus-Exkursion in die westliche Landwehr statt, geführt vom Schriftführer und Bernhard Mall, begleitet von Dr. Naser. Stationen waren der Landturm bei Lichtel (Führung durch Herrn Stein), die Kirchenburg Wildentierbach (Erläuterungen durch den Ortspfarrer und die Mesnerin), der Rohrturm bei Hilgartshausen, die Synagoge und der jüdische Friedhof in Michelbach an der Lücke (mit Führung) und die Kirche in Wettringen.

Zum Thema „Rothenburg in Krieg und Frieden – Generationengespräche“ führte die Evangelische Akademie Tutzing vom 24. – 26. Juni 2016 im Wildbad eine Tagung durch, die von Dr. Gußmann initiiert wurde. Zu den Referenten zählten u.a. Prof. Rupp, Dr. Naser (über unseren Verein und seine Rolle in der NS-Zeit und in der Nachkriegszeit), Michael Kamp und Wolf Stegemann. Gezeigt wurden die beiden Filme von Thilo Pohle über Brettheim und über die Zerstörung Rothenburgs 1945. Erstaunlicherweise erschien bei der Veranstaltung kein offizieller Vertreter der Stadt, auch die Lokalpresse tauchte erst am Sonntagmorgen auf. Hier muss etwas schiefgelaufen sein!

Im Burggarten wurde eine seriös gemachte, anschauliche Übersichtstafel zur Geschichte der Rothenburger Königspfalz aufgestellt. Neben dem Verkehrsverein und dem Verein der Rothenburger Gästeführer haben wir dieses Projekt mit 1000.- Euro finanziell unterstützt.

In unserer winterlichen Vortragsreihe konnten wir im März 2016 Professor Konrad Bedal, den Schöpfer des Windsheimer Freilandmuseums, begrüßen. Er referierte über den spätmittelalterlichen Dorfkirchenbau in Westmittelfranken und brachte dabei mit zahlreichen Bildern auch hochinteressante Beispiele aus der Rothenburger Landwehr. Hier möchte ich auf sein 2015 erschienenes ‚Buch „Dorfkirchen in Franken“ hinweisen, ein inhaltlich grundlegendes und zugleich sehr anschauliches Werk, von dem Experten und interessierte Laien gleichermaßen profitieren.

Im April sprach Frau Professor Alison Rowlands (Universität Essex) über das Thema „Wie die Kirchenordnung vollzogen werden soll…“: Reformation und Gesellschaft in Rothenburg ob der Tauber 1558 – 1700″.  Dies war auch ein Beitrag zum Lutherjahr. Als Fazit ihrer Forschungen verwies Prof. Rowlands darauf, dass die Reformation kein einmaliges Ereignis, sondern ein langfristiger Prozess gewesen sei. Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges kam es zu einer Art „Neureformation“, die vieles, was vorher bereits vorhanden gewesen war, wieder neu schaffen musste. Insgesamt stärkte die Reformation die Position des Stadtrats gegenüber der Kirche und den Untertanen. Und schließlich war die Durchführung der Reformation auch ein „Verhandlungsprozess“, in dem es die Stadt mit den politischen Nachbarn, der Geistlichkeit und den Untertanen zu tun hatte.

Dipl. Ing. Dr. Dieter Birmann aus München stellte im Juli Sonnenuhren in Rothenburg und im Landkreis Ansbach, ihre Symbolik, Funktion und Konstruktion vor.

Frau Stephanie Fuchs aus Berlin sprach im Oktober über historische Mikwen und bezog dabei unser Haus Judengasse 10 in ihre Betrachtungen mit ein. In Anschluss an den Vortrag konnte die Mikwe in der Judengasse besichtigt werden. 

Der Hauptaltar in der Jakobskirche, der „Herlinaltar“, war im November zum Gedenken an seine Entstehung vor 500 Jahren Gegenstand des Vortrags von Dr. Ralf Krüger, Berlin, dessen Dissertation über den aus Rothenburg stammenden und überwiegend in Nördlingen tätigen Maler und Altarbaumeister Friedrich Herlin von uns 2004 als Jahrbuch veröffentlicht wurde.

Erhellende und unterhaltsame Streifzüge durch die literarische Landschaft zwischen Steigerwald und Frankenhöhe hat seit Jahrzehnten unser Vereinsmitglied Werner P. Binder unternommen. Die  Beiträge des langjährigen Redakteurs erschienen zwischen 2005 und 2012 als Serie in der „Fränkischen Landeszeitung“ und in der „Windsheimer Zeitung“. Nun hat er sie in einem überaus gelungenem Buch mit dem Titel „Aysch bringt rote Pfaffenhütlein“ zusammengestellt, das er uns im November im Gasthof „Zur Glocke“ präsentierte. Sie handeln von Schriftstellern und Kulturschaffenden, die im Aischgrund und den angrenzenden Landschaften gewirkt haben, die von hier stammen oder familiäre und andere Beziehungen zu dieser Region hatten – und manchmal einfach nur hier durchkamen. Auch für Rothenburg und sein Umland ist eine ganze Anzahl von Beiträgen von besonderem Interesse.

Altdekan Dr. Dietrich Wünsch arbeitete in seinem Vortrag „Das evangelische Rothenburg, seine Immigranten und Emigranten“ Lebenswege heraus, die sich in Rothenburg kreuzten. Nach dem Anschluss Rothenburgs an die Reformation im Jahre 1544 kamen viele theologische Fachkräfte in unsere Stadt. Bekannte Namen sind etwa Andreas Karlstadt, Jakob Andreae oder der slowenische Geistliche Primus Truber.

Ausblicke in die Jahrzehnte und Jahrhunderte nach der Reformation runden den Vortrag ab: Protestantische Exulanten aus Österreich und Bayern im 17. Jahrhundert, die Salzburger Glaubensflüchtlinge des 18. Jahrhunderts, die Anfänge der katholischen Gemeinde zu Beginn des 19, Jahrhunderts, die Niederlassung jüdischer Mitbürger im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, die Auswanderungsbewegung nach Nordamerika oder der Beitrag der Siebenbürger zum Leben der evangelischen Gemeinde.

Den Abschluss der Vortragsreihe bildete Heinz Ott aus Lohr, der die Kirchengeschichte Bockenfelds vorstellte. Das Patrozinium St. Nikolaus wurde ebenso behandelt wie die früher vorhandene, sehr seltene mittelalterliche Glocke, die Einführung der Reformation, die Leiden des Dreißigjährigen Krieges, der Neubau der Kirche durch den Ansbacher Baumeister Steingruber 1770 und der erneute Kirchenbau in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts, der wegen des instabilen Bauuntergrundes notwendig wurde. 

Ein Teil unserer Vereinsvorträge konnte in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Bildungswerk und der Kulturbeauftragten der Stadt Rothenburg organisiert werden. Ich möchte an dieser Stelle Pfarrer Dr. Gußmann und Johanna Kätzel für ihr Engagement herzlich danken. Herr Gußmann hat übrigens im Oktober 2016 für seine beachtlichen Leistungen bei der Erforschung der jüdischen Geschichte und der nationalsozialistischen Vergangenheit Rothenburgs den Kulturpreis des Frankenbundes auf dessen Jahreshauptversammlung im Wildbad verliehen bekommen. Herzlichen Glückwunsch!

Dass wir unsere Jahresgabe nicht rechtzeitig zu Weihnachten 2016 verteilen konnten, liegt an den überaus komplizierten und umfangreichen Satz- und Layoutarbeiten, die noch nicht ganz abgeschlossen sind. Es handelt sich um einen voluminösen Aufsatzband von Professor Borchardt, in dem die meisten seiner Rothenburg betreffenden Arbeiten enthalten sein werden. Für die Fachwissenschaftler und Heimatforscher wird dieses Buch eine unentbehrliche Fundgrube sein. Wir werden es zusammen mit der Jahresgabe für 2017 ausliefern, nämlich der Dissertation von Daniel Bauer über Rothenburg im 3. Reich, die demnächst erscheinen wird. Haben Sie noch etwas Geduld, Sie erhalten im Frühjahr oder Frühsommer ein dickes Paket mit zwei für die Rothenburger Stadtgeschichte sehr wichtigen Werken. Das Buch von Daniel Bauer müssen Sie also nicht kaufen, Sie bekommen es als Jahresgabe für 2017.

Eine außergewöhnliche Freude war für mich und viele Freunde unseres Vereins, den neunzigsten Geburtstag von Dr. Ludwig Schnurrer am 12. Februar 2017 mitfeiern zu dürfen. Über seine Verdienste um die Rothenburger Geschichtsschreibung braucht hier nicht viel gesagt zu werden, sein Lebenswerk spricht für sich selbst. Wir danken ihm für seine langjährige Tätigkeit im Dienst der Rothenburger Geschichtsforschung und -schreibung und wünschen ihm für die Zukunft weiterhin Gesundheit und Schaffenskraft. Unser Dank gilt auch seiner Ehefrau Rita, die ihn immer unterstützt hat und auch unserem Verein eine wertvolle Hilfe war und ist.

Es käme einem Wunder gleich, wenn ich Ihnen in meinem Bericht nur Positives, nur Erfolge mitteilen könnte, so schön das auch wäre.

Dass die beiden angekündigten, sehr teuren Jahresgaben für 2016 und 2017 ein großes Loch in unsere Vereinskasse reißen, ist angesichts ihrer Bedeutsamkeit unumgänglich, ärgert aber sicherlich unseren Kassier gewaltig. Auch die zusätzlichen Feuer- und Rauchschutzmaßnahmen am Röderturm kosten Geld. Trotzdem sind wir finanziell weiterhin handlungsfähig.

Bedenklich waren im letzten Jahr einige Bausachen. In Wohlgefallen aufgelöst haben sich allerdings Bedenken angesichts der ungewöhnlichen und für manchen gewöhnungsbedürftigen neuen Farbgestaltung am Spital. Das nun zu sehende dunkle Grau ist laut Farbuntersuchungen die ursprüngliche Fassung. Prof. Bedal bestätigte, dass diese Farbe in der Bauzeit durchaus verbreitet gewesen sei, und meinte, insgesamt sei das Spital durch die neue Farbgebung aufgewertet worden.

Wenn das Spital möglicherweise ein Gewinn für Rothenburg ist, gibt es an anderer Stelle einiges zu bemängeln.

Meiner Meinung nach müsste es immer noch möglich sein, den Eingangsbereich am Hospiz/zukünftiges Großhotel „Rappen“ in den Neubau zu integrieren. Auch der sich anbahnende Abriss der ehemaligen „Freibank“ im Schlachthofgelände bedeutet einen Verlust historischer Substanz und Beschädigung des Ensembles. Auch hier hätte man vielleicht andere Lösungen finden können.  

Die Entwicklung der Altstadt zu einer reinen „Touristenmeile“ schreitet weiter voran. Die Löwenapotheke am Marktplatz, angeblich eine der ältesten Apotheken Deutschlands, wich einem am Fremdenverkehr orientierten Laden. Der einzige altstadtnahe Supermarkt auf dem HASA-Gelände wurde geschlossen, Altstadtbewohner müssen nun weite Wege – in der Regel mit dem Auto – auf sich nehmen, um einkaufen zu können. „Hasa-Gelände quo vadis“ titelte die Lokalzeitung. Diese Frage würde auch uns interessieren.

Den Jahr für Jahr fortschreitenden Prozess, der zum Verschwinden und zur Verdrängung von Geschäften des alltäglichen und auch des gehobeneren Bedarfs aus den Bereichen innerhalb der Stadtmauern geführt hat, haben wir seit Jahrzehnten festgestellt und nach Lösungen für dieses Problem gesucht. Der Zug ist wohl inzwischen abgefahren, man wird zukünftig vermutlich nur noch einzelne Nischen in der Altstadt finden, wo die Rothenburger und die Kunden aus der Umgebung einkaufen können

Wenn Einzelhandelsgeschäfte oder Dienstleistungen in der Altstadt ihre Türen schließen oder vor die Tore ausgelagert werden, verändert das die Struktur der Altstadt und schädigt diese letztlich. Hausbesitzer müssen immer mehr auf den Tourismus setzen, ein Teufelskreis, dem noch manches zum Opfer fallen wird.  Ist das unser Bild von Alt-Rothenburg? 

Unser Vereinsmitglied Prof. Horst Rupp, ein gebürtiger Rothenburger, hat seine Beziehung zur und seine Gefühle für unsere Stadt im letzten Jahr folgendermaßen umrissen: „Und da stellt sich dann neben der Lust, ein Rothenburger zu sein, auch die Last beziehungsweise der Frust, ein Rothenburger zu sein, ein Gefühl, das mich bisweilen immer mal wieder anwandelt.“ Professor Rupp bezieht sich hier vor allem auf den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, der, wie die Auseinandersetzungen um die ehemalige „Ludwig-Siebert-Straße“ zeigten, immer noch – zum Glück, meine ich – ein Thema in unserer Stadt ist und es auch in der Zukunft bleiben muss.  

Zur Mehrzweckhalle möchte ich mich nicht äußern, Nachkarteln ist unsere Sache nicht. Das überlassen wir anderen.

Mein Dank gilt den Vereinsmitgliedern, die im letzten Jahr die Last der Alltagsgeschäfte getragen und hoffentlich auch ein bisschen Lust dabei empfunden haben. Immerhin hatten wir nicht zuletzt dank ihres Engagements eine ganze Anzahl von Neueintritten, die die der Abgänge deutlich übertrifft.

Mit einer gewissen Wehmut muss ich Ihnen leider mitteilen, dass vier Ausschussmitglieder, teilweise wegen anderer ehrenamtlichen Verpflichtungen, unserem Ausschuss in der Zukunft leider nicht mehr angehören werden.

Helmut Döppert wurde 1989 in den Ausschuss gewählt, Dieter Seiferlein und Willi Pfitzinger 1999, Beate Zerkowski vor zwei Jahren.

Wir wünschen ihnen alles Gute und bedanken uns für die langjährige Mitarbeit.

 

Die Aufgaben, die den Verein vor allem durch den Besitz der Häuser Judengasse 10/12 in der Zukunft erwarten, sind gewaltig. Unterstützen Sie uns dabei, sie zu bewältigen.

Dr. Richard Schmitt, Schriftführer