21.02.2014 | Rothenburger Hausbau in reichsstädtischer Zeit – Bedeutung und Stellung im süddeutschen Raum
Prof. Dr. Konrad Bedal, Bad Windsheim, Stadtheimatpfleger v. Rothenburg o.d.T.
„Rothenburger Hausbau in reichsstädtischer Zeit – Bedeutung und Stellung im süddeutschen Raum“.
Freitag, 21. Februar 2014, 20.00 Uhr | Gasthof „Zur Glocke“ (Kelter)
Unbekannte Schätze in großer Zahl
Kürzlich (21.02.2014) sprach Prof. Dr. Konrad Bedal in der gut besuchten „Kelter“ des Gasthofs „Zur Glocke“ über die Entwicklung des Rothenburger Hausbaus vom Ende des Hochmittelalters bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Zurückhaltend kündigte er sein Referat als „Notizen“ an, doch es wurde schließlich mehr daraus, nämlich ein geraffter Überblick über die bisherigen Kenntnisse vom Rothenburger Bürgerhaus, eine Art Zwischenbilanz.Anton Ress hat 1959 mit seinem Inventarband die kirchlichen Baudenkmäler Rothenburgs gründlich erforscht und dokumentiert. Für die profanen Baudenkmäler der Vergangenheit fehlt leider eine derart großartige, breit angelegte Forschungsarbeit. Die weltlichen Repräsentativbauten und die Stadtbefestigung mit ihren Toren und Türmen sind zwar teilweise bearbeitet, die Ergebnisse gelegentlich publiziert, aber die Geschichte der Häuser der reichen wie der armen Bürger mitsamt ihren Scheunen ist wissenschaftlich noch unzureichend erforscht und vor allem der breiten Öffentlichkeit so gut wie unbekannt. Dabei sind es jedoch gerade diese Gebäude, die maßgeblich zur Einmaligkeit unserer Stadt beitragen. Der Bestand an Häusern aus der Zeit vor 1750 ist nämlich trotz der Kriegszerstörungen von 1945 noch immer sehr groß.
Thesenartig werden im Folgenden einige von Bedals Ergebnissen zum bürgerlichen Hausbau in Rothenburg zusammengefasst.
Ungewöhnlich groß im Vergleich zu ähnlichen Städten wie Windsheim oder Dinkelsbühl, aber auch zu Nürnberg (und in Einzelfällen relativ früh in den Archivquellen erfasst) ist der Bestand an Steinhäusern der patrizischen Oberschicht, vor allem in der Herrngasse oder um den Marktplatz. Diese Häuser stehen bzw. standen mit der Giebelseite zur Straße und verfügen über die für Rothenburg typischen großen Durchfahrtshallen. Die Decke des Erdgeschosses wurde von teilweise erhaltenen Unterzügen getragen, die aus einem runden Baumstamm bestanden und von steinernen oder hölzernen Säulen gestützt wurden. Die auffällige Bautradition des runden Unterzugs hat sich hier bis in die Zeit um 1600 gehalten. Diese Steinhäuser muss man wohl als Indiz für den Reichtum der führenden Rothenburger Familien werten.
Turmhäuser, wie wir sie aus Regensburg kennen („Geschlechtertürme“), können in Rothenburg in Einzelfällen nachgewiesen (bzw. vermutet) werden. Sie standen neben oder hinter den eigentlichen Wohngebäuden und reichen wohl ins 13. Jahrhundert zurück. Das „Topplerschlösschen“ bei der Fuchsmühle war sicherlich kein Verteidigungsbau, sondern eher eine Art standesgemäßes „Gartenhaus“ des Erbauers. Das „Schlösslein“ in Detwang entspricht dagegen eher dem Typ des spätmittelalterlichen Wohn- und Wehrturms.
Eine Besonderheit der Innenraumgestaltung stellt die gewölbte Bohlendecke aus dem Jahr 1356 im ehemaligen Dominikanerinnenkloster, dem jetzigen Reichsstadtmuseum, dar. Sie gehört zu den größten ihrer Art in Süddeutschland, weitere kleine Bohlendecken finden sich im „Pesthaus“ im Spitalbereich (das keines war, sondern ein Wohnhaus für Pfründner des Spitals) oder im Gasthof „Zum Greifen“. Solche „gewölbten Stuben“ finden sich vermutlich in weiteren Rothenburger Häusern. Bei Umbaumaßnahmen sollte man darauf achten.
Sogenannte Spunddecken aus Balken und Brettern folgten auf die Balkendecken. Von ihnen finden sich viele Beispiele in Rothenburg; das bedeutendste ist die Decke im Kaisersaal des Alten Rathauses mit einer Fläche con 40 x 10 Metern – vielleicht die größte erhaltene Decke dieser Art.
Aus dem 14. Jahrhundert haben sich nur wenige Fachwerkbauten in Rothenburg erhalten. Aus dem 15. Jahrhundert fällt auf, dass man hier kaum Häuser mit vorkragenden Obergeschossen errichtete – im Unterschied etwa zu Neckarschwaben oder Nürnberg. Die Ratstrinkstube aus dem Jahr 1466 wurde mit ihrem Zierfachwerk im gleichen Jahr von Friedrich Herlin auf dem Hauptaltar der Jakobskirche abgebildet, während oder kurz nach ihrer Entstehung. (Auch das dürfte einmalig sein.) Herlins Gemälde dokumentiert offenbar den damaligen Wunsch der Rothenburger nach „glatten“ Fassaden – die man dann in der Barockzeit im 18. Jahrhundert problemlos überputzen konnte.
Das „Rothenburger-K“, eine zur Stabilisierung des Balkenwerks dienende Stützenform des Holzbaus, findet sich in seiner spezifischen Ausprägung vor allem in Rothenburg. Auch die Schmuckformen des Fachwerks im 16. und 17. Jahrhundert weisen in Rothenburg Besonderheiten auf. Hier finden wir die ältesten Beispiele für das geschweifte und genaste Andreaskreuz im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts; später schmückte es in geradezu üppiger Ausprägung die Fachwerkstädte in Mainfranken, am Rhein und in Südwestdeutschland.
Rothenburg war nach Bedal eine „Hochburg der Renaissance“. Neben der aufwendigen und außerordentlich qualitätvollen Ornamentik in Holz und Stein bewiesen seine Fotos die Bedeutsamkeit des Spitals (1570 ff.), dessen Baudetails nach der Renovierung vielleicht besser ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken könnten.
Nicht vergessen spllte man die Altstadtscheunen. Möglicherweise war die 1945 zerstörte gewaltige Bauhofscheune in der oberen Wenggasse ein dem Windsheimer Bauhof vergleichbares Bauwerk. Insgesamt waren viele der Rothenburger Scheunen auffallend groß, größer als in Windsheim und sogar in Nürnberg. Viele von ihnen waren (und sind) sehr repräsentativ, in ihrer Gesamtheit prägten sie das Stadtbild genauso wie die Wohnhäuser. Auch heute sind sie für die Atmosphäre der Stadt unverzichtbar.
Betrachtet man das profane Bauwesen Rothenburgs im Ganzen, so kann man eher Nürnberger Einflüsse als Beziehungen nach Westen, etwa nach Schwäbisch Hall, feststellen. In manchen Bereichen fanden aber in Rothenburg ausgesprochen eigenständige Entwicklungen statt, die mit der Bedeutung der Stadt und ihrem Selbstbewusstsein im Zusammenhang stehen dürften.
Professor Bedals Vortrag dürfte zum einen bei vielen Zuhörern den Wunsch geweckt haben, noch mehr über das Rothenburger Bauwesen des „Mittelalters“ zu erfahren. Zum anderen war er trotz – oder gerade wegen – seiner unaufgeregten Sachlichkeit ein Appell an die Verantwortlichen, repektvoll und schonend mit dem reichen und schönen Erbe umzugehen, das unsere Bürgerhäuser darstellen.
Dr. Richard Schmitt
Impressionen aus der Veranstaltung
Auf Anfrage schicken wir Ihnen gern die Powerpoint-Präsentation zum Vortrag zu. (für den Upload hier leider zu groß)