Jahresbericht 2014/15

ahresbericht 2014
des Verein Alt-Rothenburg e.V.

gehalten von Dr. Richard Schmitt
Schriftführer des Verein Alt-Rothenburg e.V.
in der „Schranne“, Rothenburg ob der Tauber

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

das letzte Vereinsjahr war ein kurzes. Deshalb kann auch mein Jahresbericht kurz ausfallen

Unser 1. Vorsitzender Dr. Karl-Heinz Schneider hat sich 2011 nach dem im Konflikt mit der Stadt erfolgten Rücktritt von Bernhard Mall, den ich nach wie vor als Ehrenmann sehr schätze, ein zweites Mal dem Verein als 1. Vorsitzender zur Verfügung gestellt, nachdem er bereits von 1986 bis 2002 sechzehn Jahre lang dieses Amt ausgeübt hatte. Mit seiner insgesamt zwanzigjährigen Tätigkeit als 1. Vorsitzender ist er „Rekordhalter“. Einige seiner Vorgänger wie Keith oder Mall haben ihr Amt im Groll mit der Stadt niedergelegt. Bei Karl-Heinz Schneider ist das wohl ein bisschen anders, doch als Stadtrat zog er in den letzten Jahren gewiss so manchen Giftpfeil an, der dem Verein galt, aber in erster Linie ihn traf.

Er ist Ehrenmitglied des Vereins, eine Art Laudatio wurde ihm bereits im Jahresbericht für 2002 gehalten. So sind zusätzliche Verbeugungen vor seiner Person eigentlich eine Wiederholung. Aber ich möchte ihm heute abend herzlich danken dafür, dass er fast vier Jahren lang dem Verein noch einmal gedient hat. Diese Jahre waren nicht immer angenehm für ihn. Man denke an die Auseinandersetzungen um die Mehrzweckhalle am Friedrich-Hörner-Weg und an das sogenannte Ärztehaus beim Amtsgericht. In letzter Zeit wurde dem Verein gelegentlich vorgeworfen, er sei „führerlos“. Das soll bedeuten, Karl-Heinz Schneider habe sich zu sehr zurückgenommen und Entscheidungen anderen überlassen. Natürlich war das nicht so. Das Vorgehen der Vorstandschaft des Vereins wurde immer untereinander abgesprochen und – gelegentlich nach Mehrheitsmeinung – in die Tat umgesetzt. Wenn Dr. Schneider nicht jeden Schriftsatz unterschrieben hat, lag das eben an seiner öffentlichen wie privaten Position in der Stadt. Den Verein hat er trotz alledem auch im schwierigen letzten Jahr geführt. Das sei hier deutlich gesagt.

Wir hoffen, dass er uns auch zukünftig sein enormes Wissen um die Stadtgeschichte wie auch seine Einblicke in die aktuelle Stadtpolitik zur Verfügung stellen wird. Sei es informell, sei es von Fall zu Fall als beratendes Mitglied des Vorstands und des Ausschusses. Wie ich ihn kenne, gehe ich davon aus, dass er sich auch weiterhin in den Dienst des Vereins stellen wird, so wie das auch Bernhard Mall seit Jahren unauffällig und unaufdringlich tut. Auch ihm möchte ich so ganz nebenbei meinen Dank aussprechen. Im September 2014 hat er zum Beispiel unter dem Motto „Die Rothenburger Landhege entdecken“ wieder eine Halbtageswanderung von Speckheim nach Lichtel (11 km) organisiert. Auf diesem Abschnitt sind immerhin 3,5 km der alten Rothenburger Grenzmarkierung erhalten, darunter der besterhaltene Landturm bei Lichtel. Die bereits durchgeführten und zukünftigen Landhege-Begehungen sollen in einer Broschüre zusammengefasst werden, an der sichd er Verein sicherlich beteiligen wird.

Zur Rothenburger Lokalpresse möchte ich Folgendes anmerken. Wir brauchen den „Fränkischen Anzeiger“ durchaus, um unsere Informationen – etwa über die winterliche Vortragsreihe – und unsere Standpunkte – etwa zum Ärztehaus – an die Öffentlichkeit zu bringen. Das hat in der Vergangenheit meist auch gut funktioniert. Im letzten Vereinshalbjahr musste ich allerdings feststellen, dass die Zeitung sich beim Bericht über unsere Jahreshauptversammlung im Juni 2014 auf das Nötigste beschränkte. Früher übliche Auszüge aus dem Jahresbericht, der doch einigen Konfliktstoff enthält (und auch enthalten soll), und (wie in der Vergangenheit oft gerne dazu abgelieferte, gelegentlich polemische) Kommentare seitens des Fränkischen Anzeigers dazu fehlten 2014 völlig. Man wundert sich und stellt fest: Unsere Anliegen interessieren die Lokalpresse manchmal offenbar wenig. Belegt wird dies durch ein Gespräch, das Frau Knoll als Vertreterin der Bürgerinitiative und ich im Sommer 2014 mit dem damals verantwortlichen Redakteur führten, in den Räumen des Verlagshauses, ungefähr eineinhalb Stunden lang. Es ging um die Ziele des Vereins, um sein Verhältnis zur Bürgerinitiative, die sich wegen der Mehrzweckhalle gebildet hatte. Es war vergeudete Zeit, denn das Gespräch fand keinen Niederschlag in der Berichterstattung des „Fränkischen Anzeigers“. Ein weiterer Kommentar erscheint mir unnötig.

Nachdem das Bürgerbegehren gegen die Mehrzweckhalle am Friedrich-Hörner-Weg gescheitert war, mussten wir uns notgedrungen wieder mit dem nächsten drohenden (und wohl nicht mehr abzuwendenden) Vorhaben im Zusammenhang mit der sich ankündigenden (Zer-)Störung des Grüngürtels vor den Stadtmauern beschäftigen. Es geht um das sogenannte Ärztehaus. Auch darüber kann man im Jahresbericht für 2013/14 einiges nachlesen. Trotz einiger Veränderungen bei den Planungen erscheint uns das Haus immer noch zu hoch und zu groß. Es nimmt wenig Rücksicht auf die Umgebung, eine Bausünde der Vergangenheit – die Wohnblöcke in der Leydig-Straße – dient als argumentatorisches Feigenblatt hinsichtlich der Bauhöhe. Man könnte das polemisch etwa so interpretieren: Wenn früher Mist gebaut wurde, kann man das doch auch heute noch so machen. Diese Kröte müssen wir wohl schlucken. Wie so manche in der Vergangenheit.

Ob der Bau eines großen neuen Hotels vor dem Würzburger Tor auch zu diesen Kröten gehören wird, ist noch unklar. Es kommt darauf an, wie es letztlich aussehen und einen der wichtigen Zugänge zur Altstadt prägen wird. Im Sommer 2014 wurde bekannt, dass die ehemalige Metzgerei Albig abgerissen werden sollte. Recherchen seitens des Vereins ergaben, dass das – im Inneren sicherlich mehrfach umgebaute – Metzgereigebäude die alte Rappenwirtschaft aus dem Ende dess 17. Jahrhunderts war, festzustellen an Katasterplänen, einer Lithographie von Gustav Kraus (um 1840) und einem Steimetzzeichen des Stadtbaumeisters Caspar Füchslein kurz vor 1700. Hingewiesen wurde ferner auf den stattlichen Giebel der Ziegeleischeune aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Die Firma Hahn, die hier zusammen mit den bereits in ihrem Besitz befindlichen Gebäuden ein großes Hotel schaffen möchte, wurde über die Denkmalwürdigkeit des alten Gasthofs „Zum Rappen“ informiert. Hingewiesen wurde ferner auf den stattlichen Giebel der Ziegeleischeune aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Einige Wochen später war das Gebäude verschwunden. Vertreter des Vereins Alt-Rothenburg waren dann zu einem Treffen im Hotel „Rappen“ eingeladen, bei dem die Firma Hahn der Öffentlichkeit ihre Planungen für das Hotel vorstellte. Auf den ersten Blick wirkt das neue Gebäude, das das Hotel Rappen mit dem Hospiz zu einer großen Straßenfront zusammenschließen wird, auf den Planzeichnungen nicht unbedingt abstoßend. Man wird abwarten müssen, wie es dann in der Realität aussehen wird.

Die Vorgehensweise des Bauwerbers im Fall „Rappen“ lässt durchaus Fortschritte erkennen im Umgang mit den „selbsternannten Denkmalpflegern“, als die uns ein Stadtrat bezeichnet hat. Man erklärte uns das Vorhaben ausführlich, wir hatten ebenso wie der Stadtheimatpfleger Gelegenheit, die Pläne zu kommentieren. Wir wissen es auch zu würdigen, dass vor dem Abriss Bauuntersuchungen durchgeführt wurden und einiges dokumentiert oder gerettet wurde. Die Ideallösung sähe für mich allerdings so aus: Information des Vereins bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt! Dann hätte man die Denkmaleigenschaft des alten „Rappen“ und seine stadtgeschichtliche Bedeutung, die dem Stadtbauamt offenbar unbekannt waren, besser in die Vorüberlegungen mit einbeziehen können

Festzuhalten bleibt: Mit dem alten „Rappen“ ist ein Stück Alt-Rothenburg verschwunden.

Bleiben wir noch kurz beim Grüngürtel. Rein theoretisch könnten auf nicht zu wenigen Grundstücken am Bezoldweg oder am Hornburgweg neue, recht große Gebäude beantragt werden, da es dort keinen Bebauungsplan gibt. Warum sollte, folgt man der bisherigen Argumentation zum Ärztehaus, nicht neben der Berufsschule ein weiteres Ärztehaus oder Ähnliches mit stattlichem Volumen und großer Höhe entstehen, wenn es einem Investor Gewinn verspricht? Wie will man so etwas verhindern?

Ich denke, dass es nun für unseren Verein endlich an der Zeit ist, offiziell und öffentlich an die Stadtverwaltung und den Stadtrat heranzutreten und den Schutz der historistischen Bausubstanz mit ihren Gärten auch jenseits der bisher gezogenen Linien zu beantragen. Das Ensemble Alt-Rothenburg endet nicht schlagartig 50 Meter vor den Mauern.

Im letzten Jahresbericht habe ich mich kritisch zur derzeitigen „Stadtmöblierung“ geäußert. Eine Ergänzung bzw. Erweiterung dieser „Aufhübschung“ stellt die kurz vor dem Weihnachtsmarkt fertiggestellte Beleuchtung des Herterichsbrunnens, des Fleischhauses und der Marienapotheke dar. Verschiedene Vereinsmitglieder äußerten sich negativ über das anfangs in abwechselnden Farbtönen erstrahlende Spektakel am Brunnen sowie über die gleißend hellen Flakscheinwerfer im Gehsteig. Es gibt sogar Leute, die das Ganze als ausgesprochenen Kitsch betrachten, für den die Stadt teuer bezahlen musste. Und ein Vereinsmitglied fragte mich gar, ob und inwieweit der Verein Alt-Rothenburg von der Stadt im Vorfeld in die Planung des Lichtkonzepts mit eingebunden gewesen sei. Man traut uns also noch einiges an Einfluss zu! Leider ist das nicht der Fall.

Unser zweites Betätigungsfeld neben dem Denkmalschutz ist ja die Geschichtsforschung und die Vermittlung ihrer Ergebnisse. Demnächst wird unsere Jahresgabe für 2014 ausgeliefert werden, ein Sammelband mit Aufsätzen von Ludwig Schnurrer zur Rothenburger Kunst- und Künstlergeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts. Wir sind dem Altmeister unserer Stadthistoriographie sehr zum Dank verpflichtet, dass er sich wieder die Mühe gemacht hat, für uns zur Feder zu greifen bzw. an anderen Orten zwar bereits publizierte, aber nicht immer leicht zugängliche Texte zur Verfügung zu stellen. Hellmuth Möhring hat wiederum das Layout besorgt und die Drucklegung betreut. Rothenburgs Geschichtsbild ist wieder um einen Mosaikstein reicher.

An wissenschaftlichen Vorträgen sind zwei zu nennen, die vom Evangelischen Bildungswerk und der jungen Rothenburger Kulturreferentin Johanna Kätzel organisiert und gemeinsam mit dem Verein veranstaltet wurden. Es waren zwei junge Meister ihres Fachs, nämlich Markus Naser und Florian Huggenberger, die vor einem äußerst stattlichen Publikum im Gasthof „Zur Glocke“ über die Geschichte Rothenburgs zur Zeit der Reformation und des Bauernkriegs referierten. Es braucht einem für die Zukunft also nicht bange zu werden. Die beiden jungen Historiker haben bewiesen, dass sie den hohen Standard, den die Rothenburger Geschichtsforschung seit langem aufweist, weiter in die Zukunft tragen können.

Unsere altehrwürdige Heimatzeitschrift „Die Linde“ grünt und blüht weiter, wie es ihr hoffnungsvoller Name ja verspricht, und nähert sich ihrem 100. Jahrgang. Mein Dank gilt Wolfgang Schneider, der das Erscheinen der Hefte in seinem Verlagshaus ermöglicht. (Nebenbei bemerkt: Auch finanziell unterstützt.) Nicht vergessen werden soll Herr Hofacker, der als Mitarbeiter in der Setzerei die „Linde“ betreut, sich um das Layout kümmert und den Änderungswünschen der Redakteure wohltuend freundlich und mit wahrlicher Engelsgeduld entgegenkommt. Und Ekkehart Tittmann ist es zum zweiten Mal nach 2013 gelungen, für den Farbdruck der „Linde“ genügend Spender zu werben, die das Vorhaben insgesamt mit mehr als 1000.- Euro unterstützten. Auch diesen Sponsoren sei ausdrücklich gedankt.

Dank schulden wir wieder unserem Ausschussmitglied Andreas Konopatzki für die bauliche Betreuung unserer Judengassenhäuser. Er kümmert sich um die Gebäude, er wendet Schaden von ihnen ab. Vielleicht kommen irgendwann einmal bessere Jahre, in denen es die Zeitumstände und die finanzielle Lage dem Vereins erlauben werden, weitere mustergültige Sanierungen in der Judengasse durchzuführen.

Jochen Ehnes möchte ich wieder für die Gestaltung und Betreuung der Internet-Seite des Vereins danken, für die Zügigkeit, Zuverlässigkeit und Eigeninitiative seiner Arbeit. Wir brauchen im Verein sicher Leute, die mitreden, Anstöße geben, Ideen produzieren. Genauso sehr benötigen wir aber auch Mitarbeiter im wörtlichen Sinn: Nämlich Helfer, die die alltägliche Arbeit übernehmen, die nicht nur reden, sondern ganz einfach etwas tun.

Mein letzter Dank gilt drei ausscheidenden Ausschussmitgliedern. Frau Margot Schwob wurde 1973 in den Ausschuss gewählt und gehört ihm nun fast 42 Jahre an – das ist rekordverdächtig. Peter Schaumann ist seit 1985, also nun fast 30 Jahre im Ausschuss – auch eine lange Zeit. Und schließlich tritt auch Altdekan Dr. Wünsch nicht mehr zu den heute anstehenden Neuwahlen an.

Ein Wunsch zum Abschluss: Das spätmittelalterliche Sandsteinrelief – Kreuzigungsgruppe – am Sparkassengiebel neben dem Weißen Turm sollte unbedingt saniert werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Dr. Richard Schmitt
Schriftführer