Jahresbericht 2006/07

Vorgetragen auf der Jahreshauptversammlung 2007 von Dr. Richard Schmitt, Schriftführer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren

den heurigen Jahresbericht möchte ich mit einer komischen Anregung beginnen: Das düstere Toppler-Bild von Ernst Unbehauen sollte eigentlich raus aus dem Rathaus! Es gehört als Zeitdokument ins Museum. Es kann nicht das Geschichtsbild und das Selbstverständnis einer Stadt verkörpern, die sich als human, fortschrittlich und weltoffen präsentieren will.

Das mag ich hier jetzt nicht weiter ausführen, sondern ich werde zurück in die Gegenwart springen. Aber ich komme in wenigen Minuten auf mein Ihnen momentan vermutlich reichlich merkwürdig vorkommendes Verlangen zurück, den Unbehauens Phantasie entsprungenen Heinrich Toppler aus dem Rathaus zu entfernen.

Ich springe zum nächsten Thema. In Rothenburg geht manches langsam voran. Wie es sich für eine Stadt gehört, die angeblich nach der Topplerzeit oder spätestens dem Dreißigjährigen Krieg in einen Dornröschenschlaf fiel und erst mit der Belebung des Fremdenverkehrs wachgeküsst wurde. Ein gehöriges Maß an Zweifel gegenüber dieser klassischen Deutung der Stadtgeschichte muss allerdings erlaubt sein. Historische Arbeit lebt vom Zweifel, vom Infragestellen, vom Schlachten heiliger Kühe.

Vor mehr als einem Jahrzehnt erließ die Stadt nach unendlich zäher, schneckenmäßig voranschreitender Diskussion einen Bebauungsplan für die Altstadt. Seit langem hatte sich der Verein dafür eingesetzt, den Wohnwert in der Altstadt zu erhöhen, das Vordringen touristischer und gastronomischer Nutzungen in Bahnen zu lenken, unnötigen Autoverkehr zu verhindern. Ich erinnere mich noch, wie wir an jeden Stadtrat, an unzählige Behörden und Verwaltungsstellen fingerdicke Gehefte verschickten, in denen wir unsere Vorstellungen darlegten. Es wurde uns kaum direkt geantwortet, die Reaktion der Entscheidungsträger blieb schwach. Dennoch werden viele der seinerzeit vom Verein in die Diskussion geworfenen Themen ihren Niederschlag in der Abfassung des Bebauungsplanes gefunden haben.

Es ist ja leider – oder gottseidank – seit Jahrzehnten so, dass der Verein als Ideengeber fungiert, Entwicklungen anstößt und manche Missetaten verhindern hilft, indem er geschehene anprangert. Man denke an die Erforschung und Darstellung der jüdischen Geschichte, an die Stadtarchäologie, an den Ausbau des Reichsstadtmuseums. An die Diskussion um den „Massentourismus“, an den Bebauungsplan. Und nicht zuletzt an das Toppler-Jahr 2008, an das der Verein – wer denn sonst? – frühzeitig erinnert hat.

Was die momentane Stadtentwicklungsdiskussion anbelangt, so rät der Verein zur Vorsicht. Generelle Lockerungen des Bebauungsplanes bedürfen einer sorgfältigen Prüfung. Man sollte im Interesse der Altstadt und ihrer Bewohner restriktiv bleiben. In begründeten Ausnahmefällen können ja Einzelfallregelungen getroffen werden. Aber ein Bebauungsplan muss Pfähle für die Zukunft einsetzen, somit auch Planungssicherheit für Bauwerber gewährleisten, in erster Linie aber die Ziele der Stadtentwicklung klar und eindeutig vorgeben. Und zu diesen Zielen muss meines Erachtens ohne jede Einschränkung auch der Denkmalschutz gehören.

Die gastronomische bzw. anderwärtige kommerzielle Nutzung von Kellern und erstem Obergeschoss in der „Mischzone“ der Altstadt sollte nicht von vorneherein genehmigt werden. Insgesamt muss der Wohnwert der Altstadt weiter im Mittelpunkt stehen. Besonders aber, und das kann von einem Verein wie dem unseren nicht deutlich und laut genug gesagt werden, darf bei allen anstehenden oder in Frage kommenden Änderungen der hohe Stellenwert des Denkmalschutzes in Rothenburg nicht vergessen werden. Die Präambel des zu erwartenden neuen bzw. modifizierten Bebauungsplanes muss als „Oberziel“ unbedingt den Schutz des Stadtbildes und der Einzeldenkmäler als Grundprinzip der Stadtentwicklung enthalten. Und nicht nur enthalten, sondern festschrauben, als Orientierungspunkt, als Leuchtturm einzementieren! Ist das nicht der Fall, verzichtet die Stadt von vorneherein auf Gestaltungsmöglichkeiten. Und es wirft ein übles Licht auf die „Perle des Mittelalters“ und den Geist ihres Rates, wenn man den Denkmalschutz nur an Sonn- und Feiertagen in die Festtagsstube einlädt und ihn ansonsten nur allzu gerne in der Besenkammer abstellt, weil man ja im Grunde nichts mit ihm zu tun haben und von ihm in Ruhe gelassen werden will.

Vor gut hundert Jahren war Rothenburg ein neuer Stern am Touristenhimmel. Das nationalkonservativ geprägte Bürgertum des Kaiserreiches strömte in Scharen hierher. Die Maler waren schon da und kamen weiter, auch die Dichter oder die, die sich dafür hielten, natürlich auch die Engländer. Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts hatte unsere Stadt jedoch noch ein weiteres Publikum. Die Elite der nationalen, zumindest der süddeutschen Denkmalpfleger zeigte starkes Interesse an Rothenburg. Was hier geschah, wurde in Fachkreisen eifrig diskutiert. Das trug sicherlich zum Renommee der Stadt bei und befruchtete letztlich auch den Fremdenverkehr. Rothenburg wurde seinerzeit von historisch, kunstgeschichtlich und denkmalpflegerisch geschulten Experten in der breiten Öffentlichkeit durchwegs positiv bewertet.

Heute ist das nicht mehr unbedingt so. Die Auswüchse des Massentourismus werden ja in Fernsehen und überregionaler Presse seit langem gelegentlich recht kritisch, ja spöttisch kommentiert. Mit einem verstärkten Einsatz für die Denkmalpflege könnte man vielleicht den einen oder anderen Pluspunkt beim „seriösen“ Publikum sammeln und eine Chance nutzen, wieder einmal Vorreiter zu sein.

Zusammenfassend sage ich: Denkmalpflege darf in Rothenburg kein Lippenbekenntnis bleiben. Das muss man den Bürgern auch vermitteln, man muss ihnen klarmachen, dass Ansprüche des Denkmalschutzes ernst gemeint sind, wenn etwa an einem historischen Haus konkrete Veränderungen vorgenommen werden sollen.

Unser Klagelied über die gelegentliche Vernachlässigung der Denkmalpflege in Rothenburg – ich sage ausdrücklich, um nicht wieder beleidigte Leberwürste anzustechen und diese zum unnötigen und unappetitlichen Platzen zu bringen, „gelegentliche“, beziehe mich demnach auf eher seltene Anlässe – , unser Klagelied also beginnt bei so offensichtlichen Austricksereien wie dem Rödertorbogen und endet bei Kleinigkeiten wie der ungeschickten Fenstergestaltung von Häusern an der Burggartenfront. Solche aktuellen Missgriffe stören nicht nur den Chefredakteur unserer Lokalzeitung. Sie sind auch uns ein Dorn im Auge. Da man uns über derlei Dinge nicht immer informiert, bleibt uns nur das auf Dauer ermüdende und offenbar zugleich fruchtlose Nachkarteln. Manchmal komme ich mir bei der Erstellung des Jahresberichts vor wie ein Mitarbeiter des TÜV, der an einem Auto diesen und jenen technischen Mangel feststellt, aber dem Fahrzeughalter lediglich gute Ratschläge erteilen darf. Das wird ihn freuen. Und ändern wird er gar nichts!

Das Jammern über einen weiteren Verlust im Stadtbild wird uns hoffentlich erspart bleiben, wenn es um die Zukunft des Brauhauses geht. Die von der Stadt angedachte Streichung des Sudhauses aus der Denkmalliste, die dann doch nicht vollzogen wurde, war sicherlich ein falsches Signal.

Beim Thema Brauhaus müssen wir vom Verein gewiss Versäumnisse einräumen. Die Diskussion über den Wert der Bausubstanz des 19. und 20. Jahrhunderts für Rothenburg haben wir viel zu spät angefacht. Welche Rolle der Schlachthof, der inzwischen verlorene alte Bauhof, die Schulen und das Amtsgericht, letztlich sogar das HASA-Gelände und die bürgerliche und proletarische Bebauung des alten Vorstadtgebietes für das Erscheinungsbild der „Reichsstadt“ spielen sollen – darüber hat man lange Zeit nicht einmal im Ansatz einen Gedanken verloren. Und klare Vorstellungen darüber hat man wohl auch im Moment nicht gerade, das ist einfach (noch) kein Thema. Auch die aktuelle Brauhaus-Diskussion hätte man vielleicht vermeiden können, wenn man schon frühzeitig die Frage aufgeworfen hätte: Was ist schützenswert außerhalb der Stadtmauern, was gehört eigentlich zu Alt-Rothenburg? Es ist noch nicht zu spät, sich darüber Gedanken zu machen und Weichen für die Zukunft zu stellen.

Das „Kultur-Brauhaus“ war zudem ein Forum für Jugend und zeitgenössische Kunst. Mit seinem Ende wurde eine Chance vertan, die Stadt auch einmal von einer anderen, unkonventionellen Seite zu präsentieren. Leuten, die abseits der „Hochkultur“ produzieren und eine Menge an Arbeit und Idealismus investiert haben, wurde ihre Heimat genommen. Die Gewichte werden seitens der Stadt anders gesetzt, städtische Gelder anderswo investiert. Die Abarbeitung des Brauhaus-Konzepts ist vielleicht doch symptomatisch für das Kultur-Klima in Rothenburg. Man könnte fast meinen, dass man wenig Wert man auf die Erhaltung des Industriedenkmals legt. Eine Herzensangelegenheit war und ist das Brauhaus für Stadtverwaltung und Stadtrat sicherlich nicht. Ich wünsche dem Brauhaus eine stärkere Lobby im Rathaus, die wenigstens dafür sorgt, das seine Bausubstanz so lange gesichert wird, bis sich eines Tages eine Lösung des Problems ergeben wird.

Manche Rothenburger sähen es gerne, wenn sich Rothenburg um den Titel „Weltkulturerbe“ bei der UNESCO bewerben würde. Egal was aus diesen Bestrebungen einmal werden wird – es müsste eigentlich selbstverständlich sein, dass eine Stadt mit einem derartigen Anspruch eine vorbildliche Haltung in Fragen der Denkmal- und Geschichtspflege zeigt. Lesen Sie einmal den Artikel zur Stadtgeschichte auf der Internet-Seite der Stadt. Sie werden den Kopf schütteln über das dort vermittelte Bild der angeblichen Rothenburger Historie. So einfach wird man es sich bei einer eventuellen Bemühung um das Etikett „Weltkulturerbe“ nicht machen können, da liegen die Messlatten wohl etwas höher. Man sollte sich erst einmal die Vergabekriterien für dieses äußerst selten vergebene Etikett genau anschauen und sich in Städten wie Bamberg oder Regensburg gründlich informieren, bevor man in der Öffentlichkeit falsche Hoffnungen weckt oder sich gar durch eine vorschnelle und schlecht vorbereitete, von vorneherein zum Scheitern verdammte Bewerbung der Lächerlichkeit preisgibt. Auch bei diesem Thema gilt wie bei so vielen anderen: Solide recherchieren, sauber arbeiten, wenig reden und erst dann handeln, wenn es Aussicht auf Erfolg gibt.
Kommen wir nun zum Reichsstadt-Museum. In meinem letzten Jahresbericht habe ich versucht darauf hinzuweisen, welch eminente Bedeutung es für Rothenburg hat. Im letzten Jahr ist das Museum mehrmals in die Schlagzeilen der örtlichen Presse gekommen. Zunächst durch die kuriose Übereignung eines „Reichsküchenmeister-Kelchs“ , den ich den „Gral von Rothenburg“ nennen möchte, dann durch den Versuch seitens des Rathauses, Museumsbestände zur Sanierung des Stadthaushaltes zu verkaufen, und schließlich durch die Pläne, im Museum zum Toppler-Jahr 2008 ein Theater zu installieren.

Das ehrgeizige Theatervorhaben kommentiere ich nicht, wünsche ihm nur Erfolg. Ein Stück über Heinrich Toppler sollte sich jedoch ernsthaft mit den historischen Fakten auseinandersetzen, sich kritisch absetzen vom Herrenmenschentum der heroisierenden literarischen Vorgaben à la Schreckenbach und Konsorten. Friedrich Schiller, der Schöpfer historischer Dramen schlechthin, hat seinen Wallenstein, seine Johanna, seine Maria, seinen Tell gewiss nicht buchstabengetreu am Gängelband historischer Faktizität entworfen. Wie es aber tatsächlich gewesen ist – damit hat er sich getreulich auseinadergesetzt, hat mit der Geschichte gerungen. Ich hoffe, dass die Betreiber des zu erwartenden Toppler-Stücks vielleicht nicht gerade Schillers, aber doch ein gehobenes Niveau anstreben werden.

Das Wort „Niveau“ bietet mir die Überleitung zum Reichsküchenmeister- theater, das im Winter im Museum aufgeführt wurde. Es war eine Farce, eine Veranstaltung zwar mit Stil, aber ohne Niveau. Der „Kelch“ mit seiner verquasten abendländisch-christlichen Symbolik – was hat der mit Rothenburgs Geschichte und Gegenwart zu tun? Man findet, auch wenn man lange nachdenkt, keine Antwort. Das Geschenk an die Stadt bleibt ebenso dubios wie seine Botschaft. Als Auftakt zum Toppler-Jahr war diese Veranstaltung wenig geeignet.

Die Sache mit dem Küchenmeister-Kelch können wir noch von der heiteren Seite betrachten und sogar ein bisschen darüber schmunzeln. Sehr ernst dagegen nahmen wir die aus Kreisen des Stadtrates geäußerten Überlegungen, durch die Veräußerung von Museumsgut aus den Beständen des Reichsstadtmuseums zur Sanierung des Stadthaushalt beizutragen. In einer Ausschussitzung im Januar haben wir darüber diskutiert und eine Entscheidung verschoben. Freilich sollte es nur um den Verkauf von Doubletten aus dem Museumsdepot gehen, und der Umfang der geplanten Maßnahmen war relativ gering. (So stellt sich freilich die Frage: Wie sollen ein paar Tausend Euro Verkaufserlös aus den Sammlungen des Museums der Stadt eigentlich helfen?) In der Ausschusssitzung wurden damals erhebliche Bedenken geäußert. Ein Leserbrief unseres ehemaligen 1. Vorsitzenden Friedrich Keith im „Fränkischen Anzeiger“, dessen Einschätzung ich teile, hat dann die Problematik klar und scharf analysiert. Stadtrat und Stadtverwaltung mögen bitte vor einer Entscheidung in der Sache diesen Leserbrief noch einmal lesen! Ich möchte hier nur noch Folgendes anmerken: Ein großer, wenn nicht sogar sehr großer Bestandteil der Museumsbestände war bis 1937 eindeutig Eigentum des Vereins-Alt Rothenburg. Sein Übergang in städtischen Besitz in der Nazizeit erscheint mir unter etwas dubiosen Umständen erfolgt zu sein. Und niemand solle sich heute auf den Standpunkt stellen: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.“ Das Jahr 1945 dürfte die Abmachungen der Nazizeit zwischen Stadt (= 1. Bürgermeister Dr. Friedrich Schmidt) und Verein Alt-Rothenburg (= „Vereinsführer“ Dr. Friedrich Schmidt) ohnehin null und nichtig gemacht haben. Ich gehe davon aus, dass der Verein durchaus noch gefragt werden muss, wenn man aus dem Museumsgut Gegenstände ungeklärter Provenienz aus der Zeit vor 1937 verscherbeln will. Und damit stellt sich die Frage nach der Verantwortung des Vereins gegenüber den unzähligen Wohltätern des Museums, die vor hundert und mehr Jahren dem Verein ihre persönlichen Erinnerungsstücke überantwortet haben im guten Glauben daran, dass sie beim Verein gut aufgehoben sein würden. Wären Museumsverkäufe nicht – einmal abgesehen von rechtlichen Fragen – nicht eine Pietätlosigkeit gegenüber den seinerzeitigen Spendern und ihren Nachkommen? Übrigens: Wer garantiert uns, dass nach der einmal begonnenen Verkaufsaktion nicht weitere, umfangreiche
e folgen werden? Was klein anfängt, wird oft zur Methode. Dass der gute Ruf des Museums durch Verkäufe, und seien sie noch so geringfügig, in einem Maße geschädigt würde, das in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, sei nur nebenbei erwähnt. Und wer wird in Zukunft dem Reichsstadt-Museum noch eine Schenkung machen, wenn er nicht sicher sein kann, dass diese auch im Museum verbleiben wird? Man wird sich fragen: Fallen auch die von mir dem Museum überreichten Gegenstände irgendwann unter das „überflüssige“, „entbehrliche“ Museumsgut, durch dessen Verkauf man die städtischen Finanzen sanieren möchte?

Kommen wir nun zum wissenschaftlichen Vortragsprogramm, das im vergangenen Winterhalbjahr wieder von Professor Borchardt organisiert wurde. Er hatte eine Mischung aus Vertrautem und Ungewöhnlichem zusammengestellt. Da wir seit einiger Zeit mit unserer Berichterstattung in der Lokalzeitung ausführlich und ohne die früher manchmal vorkommenden redaktionellen Verbesserungen zu Wort kommen, beschränke ich mich darauf, die einzelnen Vorträge einfach aufzuzählen.

24. 11. 2006 Frieder Stöckle, Schorndorf, und Roland Bauer, Unterwegs bei den letzten Dorfhandwerkern im nordwürttembergischen Raum. Arbeits- und Lebenswelt einer vergangenen materiellen Kultur

08. 12. 2007 Architekt Eduard Knoll, Rothenburg, Baugeschichtliche Beobachtungen im Zusammenhang mit dem Umbau der Marienapotheke. Hier sei erwähnt, in welch hohem Maße das Entgegenkommen des Hausbesitzers, Herrn Apotheker Stegmann, vorbildliche Denkmalarbeit ermöglicht hat. Gedankt sei auch unserem Ausschussmitglied Knoll, der uns zusammen mit Herrn Stegmann durch die Baustelle geführt und die Umbaumaßnahmen in ihrem historischen Kontext erläutert hat. Manche strittige Frage konnte dabei geklärt werden.

19. 01. 2007 Hans Haider, Dombühl, 450 Jahre evangelisches Kloster Sulz

23. 02. 2007 Prof. Dr. Karl Borchardt, Die ratsfähigen Familien der Reichsstadt Rothenburg im Wandel der Jahrhunderte

09. 03. 2007 Claudia Steffes-Maus, Universität Trier, Der Rabbiner Mendel von Pappenheim 1383 in Rothenburg: Innerjüdische Streitigkeiten im Spiegel christlicher Quellen

Bei den Vertretern der Presse möchte ich mich, wie bereits angedeutet, ausdrücklich für die zuverlässige und korrekte Berichterstattung bedanken. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner meinem alten Freund Herbert Krämer, der mich beim Verfassen der Zeitungsartikel unterstützt, wenn Not am Mann ist.

Doch die winterliche Vortragsreihe war nicht alles, was wir unseren Mitgliedern und Freunden im Vereinsjahr 2006/07 bieten konnten. Am 16. Februar beging Dr. Ludwig Schnurrer seinen 80. Geburtstag. Kaum jemand hat sich um die wissenschaftliche Erforschung der Rothenburger Stadtgeschichte so verdient gemacht wie er. Es stand außer Frage, dass er zu seinem 80. Geburtstag eine kleine Anerkennung seitens des Vereins Alt-Rothenburg verdient hatte. Mehr als 30 Jahre leitete er ehrenamtlich das Rothenburger Stadtarchiv, 35 Jahre war er 2. Vorsitzender des Vereins Alt-Rothenburg und betreute die Publikationen und Vorträge des Vereins, und es werden in wenigen Monaten 40 Jahre, dass er die „Linde“ herausgibt. Prof. Borchardt hatte ein wissenschaftliches Symposium mit einer Serie von fünf Vorträgen namhafter Historiker organisiert, die Ludwig Schnurrer gewidmet waren. (Auch hier sei auf die umfangreiche Berichterstattung in der Lokalzeitung verwiesen.) Zunächst sprach Prof. Borchardt in der „Glocke“ über „die ratsfähigen Familien der Stadt Rothenburg“ und lieferte dabei einen vorzüglichen Überblick über die Verfassungsgeschichte der Stadt. Die eigentliche Festveranstaltung fand in der Johanniterscheune statt.

Nach einer kurzen Laudatio von Archivdirektor Dr. Gerhard Rechter aus Nürnberg sprach Prof. Lubich (Universität Bochum) über die Territorialpolitik der Städte Rothenburg und Schwäbisch Hall in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und ihre Beziehungen zu Graf Ulrich von Hohenlohe. Privatdozent Rainer Leng von der Universität Würzburg stellte anschließend das Volkacher Salbuch von 1504 vor, das bisher der Öffentlichkeit eher als wichtige Bilderhandschrift bekannt war und vor allem aus volkskundlicher Sicht ausgewertet und publiziert worden ist. Archivdirektor Dr. Andermann aus Karlsruhe referierte über das auf den ersten Blick etwas skurril anmutende Thema „Das Huhn im Recht des Mittelalters“. Es zeigte sich dann allerdings, dass „das Huhn“ in früheren Zeiten in der bäuerlich-feudalen Welt eine außergewöhnlich wichtige Rolle spielte.

Zum Abschluss der Vortragsreihe stellte Prof. Weiß, Ordinarius für fränkische Landesgeschichte an der Universität Bayreuth, die Beziehungen zwischen dem bayerischen Königshaus und Franken im 19. Jahrhundert vor.

Das wissenschaftliche Symposium zum 80. Geburtstag von Dr. Schnurrer gab einer erstaunlich großen Zahl von Rothenburgern Einblicke in den Stand und die Methodik moderner Geschichtsforschung. Der Verein Alt-Rothenburg ist mit dieser Veranstaltung zweifelsohne ein Risiko eingegangen. Der gute Besuch der Vorträge zeigt, dass sich in und um Rothenburg doch genügend Leute befinden, die an einer seriösen Geschichtsforschung Interesse haben und zu den Wurzeln Alt-Rothenburgs vorstoßen möchten.

Etwas überraschend konnte man schließlich Ende März einen weiteren Vortrag „nachschieben“. Die beiden jungen Architekten Hanns Berger aus Rothenburg und Tobias Lauterbach aus Kulmbach hatten gerade ihre Diplomarbeit im Studiengang Denkmalpflege an der Universität Bamberg abgeschlossen. Das Thema musste die Rothenburger einfach interessieren, ging es doch um den Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt nach 1945. So konnten die beiden jungen Wissenschaftler mit Hilfe des Architekturbüros Knoll-Konopatzki, das die technischen Voraussetzungen bereitstellte, im Rappensaal einem rund zweihundertköpfigen Publikum ein fundiertes und anschauliches Referat bieten, das den Erkenntnisstand zum Rothenburger Wiederaufbau wohl um einiges vorangebracht hat. Wir hoffen, dass dieses grundlegende Werk mit seinen vielen Abbildungen und Plänen bald publiziert werden kann. Vorläufig sollte man es zumindest in der Stadtbücherei als Manuskript zugänglich machen.
Man kann es nicht leugnen: Der Vortrag von Berger/Lauterbach war wohl noch vor dem „Tag des Offenen Denkmals“ ein Höhepunkt des Vereinslebens im vergangenen Jahr. Doch natürlich gehörte auch der „Tag es Offenen Denkmals“ zu den erfolgreichen Veranstaltungen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass sich so viele Leute im Burggarten, im Staudtschen Garten und im Gärtchen der Johanniterkommende einfinden würden. Unter anderem möchte ich Günther Heckmann und Karl-Heinz Schneider für ihr Engagement danken.

Als Hauptaufgabe fürs letzte Jahr hatten wir uns eigentlich die Planung fürs Topplerjubiläum vorgenommen. Aus organisatorischen Gründen kann man damit gar nicht früh genug anfangen. (Dies möge als Rat und Bitte an die Stadt und ihre Fremdenverkehrswerbung interpretiert werden. Außerdem hat mich Professor Borchardt dahingehend belehrt, dass ja die dramatischen Ereignisse, die Topplers Untergang bewirkten, überwiegend schon 1407 stattgefunden haben, etwa die Belagerung der Stadt, die Eroberung und Zerstörung der Burgen, in erster Linie Nordenberg und Endsee.

Zu Heinrich Toppler fällt mir spontan Folgendes ein: Rothenburgs Stadtmauern haben ja die Kommune jahrhundertelang vor Feinden geschützt. Vor 600 Jahren bewährten sie sich gegen das Heer der Fürsten. Als einmalige Touristenattraktion, als Gegenstand der Forschung wie der kindlich-staunenden Bewunderung haben die Befestigungsanlagen nationalen, ja internationalen Denkmalsrang. Doch ich wiederhole mich: Gelegentlich verstellen sie den Rothenburgern den Blick nach draußen.

Dies trifft meiner Meinung nach für die Beurteilung des großen Bürgermeisters Heinrich Toppler zu, der schon früh Züge einer Märchenfigur angenommen hat. Sollte man nun im Jahr des Herrn 2007 immer noch diesem Mythos frönen und ein Gedenkjahr planen, das sich auf ein historisch falsches und von der Forschung längst relativiertes oder gar widerlegtes Toppler-Bild beruft, dann müssen wir vom Verein Alt-Rothenburg laut und deutlich sagen: So nicht!

Der Verein Alt-Rothenburg hat das Thema „Toppler-Jahr“ 2008 vor längerer Zeit in seinen Ausschusssitzungen angesprochen und die Stadtverwaltung mit Anregungen versorgt. Es wurde darauf reagiert, auch die örtliche Presse hat den Ball aufgenommen.

Wir haben für 2008 Folgendes vor (und arbeiten auch daran):

Wissenschaftliche Vorträge im Rahmen der winterlichen Vortagsreihe des Vereins, die sich mit der Zeit um 1400 beschäftigen werdenUnterstützung einer Ausstellung im Reichsstadtmuseum über die „Toppler-Zeit“ und die Darstellung Topplers in der Heimatlitertur und historischen RomanenHerausgabe eines Kulturführers „Auf den Spuren Heinrich Topplers“, der eine Art Reisehandbuch für die ehemalige Landhege darstellen und auch die württembergischen Landwehrgemeinden betreffen soll. Beratung der Stadt, z. B. bei der Gestaltung eines Festaktes

Was wir nicht wollen, ist die Erneuerung eines Toppler-Mythos , die unkritisch-unwissende Bewunderung des „größten Bürgermeisters“, des „großen Mannes“, des „mächtigsten und reichsten Bürgerlichen seiner Zeit“. (So ein Quatsch! Die Nürnberger, die Augsburger, die Frankfurter Handelsherren – das waren die Pfeffersäcke. Doch nicht Toppler mit seiner ländlichen Grundherrschaft, die gewiss ansehnlich war, aber keinen Deut größer als der Besitz mancher Ritter in der weiteren Umgebung Rothenburgs. Es kann nicht angehen, dass man Toppler als den superreichen Grundherrn charakterisiert, der Hunderten von Höfen besessen habe. Große Bauernhöfe mit entsprechend umfangreichen Getreideabgaben finden wir in seinem Salbuch nur rund 25. Das war viel. Er hatte dazu einige große Eigenhöfe, wie sie viele Niederadelige nicht vorweisen konnten. Aber insgesamt war sein „Feudalbesitz“ doch nicht so groß, dass man ihn mit den großen Feudalherren, den Fürsten, den Klöstern, den Spitälern, den traditionsbewussten Sippen des Niederadels wie den Seckendorff auf eine Stufe stellen könnte. In Rothenburg war Toppler reich. Woanders gab es aber viel Reichere.

Paul Schreckenbachs literarisch mindergewichtiger Roman über den „König von Rothenburg“ hat Toppler einem breiteren Publikum bekannt gemacht. Trittbrettfahrer gibt es zuhauf. Das dort entworfene Bild Heinrich Topplers ist alles mögliche. Eins ist es bestimmt nicht: historisch korrekt. Wir haben nichts gegen Märchen, Sagen und Legenden. Sie unterhalten und erfreuen uns. Und wir erzählen sie gerne unseren Kindern. Es muss aber bei unseren Erzählungen über Toppler immer dazu gesagt werden: Das sind Märchen, Legenden, so war es in der geschichtlichen Wirklichkeit bestimmt nicht. Wir müssen den Toppler-Mythos abtrennen von der seriösen Geschichtsforschung – und das gerade im Jubiläumsjahr. Was soll zum Beispiel die Mär von der angeblichen Freundschaft des Rothenburger Bürgermeisters mit dem alten, generösen Burggrafen, der wiederum im Zwist mit seinem bösartigen Sohn gelebt haben soll, der den Untergang Rothenburgs anstrebte?

War Toppler wirklich ein „Stadttyrann“? Schützte er die Juden oder nahm die Stadt sie schamlos aus? War er womöglich ein früher Demokrat? (Was ich für unwahrscheinlich halte.) Das alles wissen wir nicht. Und Heine&Co seit Nonne und Schreckenbach wissen das auch nicht. Denn seriöse wissenschaftliche Forschung fehlt, abgesehen von Schnurrer und Borchardt, fast vollkommen. Und: Wenn Toppler so wichtig gewesen wäre, dann hätte sich die große Forschung doch schon seit langem mit ihm beschäftigt.

Der Unbehauen-Toppler ist im Rathaus fehl am Platz. Schon der Maler mit der NS-Vorgeschichte ist ja eine mehr als fragwürdige Person der neueren Rothenburger Historie. Sein Topplergemälde darf unsere Vorstellung des vor 600 Jahren ums Leben gekommenen Bürgermeisters nicht noch weitere 50 Jahre prägen. Der heroische, historisch völlig unkorrekt mit einer Rüstung des 17. Jahrhunderts kostümierte Heinrich Toppler in der guten Stube, dem Empfangsraum Rothenburgs für Einheimische und Gäste verwundert und stört. (Vermutlich sah der historische Toppler eher so aus wie Peter Kreglinger, dessen Epitaph wir in der Franziskanerkirche vorfinden.)

Unbehauens Bild im Rathaus verstrahlt den Geist der Vor- und Nachkriegszeit. Das Ölgemälde mit dem düsteren Hintergrund, gemalt von einem sehr wandlungsfähigen Mann, der vor dem Krieg für Blut-und-Boden-Kunst stand und sich danach im angesagten Maß der „Moderne“ öffnete, wurde und ist immer noch eine Art Heiligenbild, eine Ikone Rothenburgs. Das sollte man ändern. Die „Deutungshoheit“ über Toppler darf nicht mehr allein längst überlebten Schriftstellern wie Schreckenbach und einem Maler wie Unbehauen gehören. Hier bietet das Jahr 2008, das „Toppler-Jahr“, der Stadt eine Chance, sich mit ihrer Geschichte und ihrem Geschichtsverständnis ernsthaft zu befassen.

Den Schluss des heurigen Jahresrückblicks sollen einige positive Anmerkungen bilden. Uns ist es gelungen, das Haus Judengasse 17 zu erwerben, das im Stockwerkseigentum mit dem vereinseigenen Haus Nr. 15 ja eine Einheit bildet. Diese Chance konnten wir uns nicht entgehen lassen, auch wenn durch den Kaufpreis die Vereinskasse merklich belastet wurde. Aber der nunmehr vollkommen im Vereinsbesitz befindliche spätmittelalterliche Gebäudekomplex von Nr. 15 bis 19 ist ja gegen Witterungsschäden gesichert, das Dach ist ebenso dicht wie die Fassade. Etwas kritischer ist die Situation im Haus Judengasse 12. Hier haben wir nicht mehr ewig Zeit. Die in den letzten Jahren durchgeführten Sicherungsmaßnahmen verschaffen uns jedoch etwas Luft. Warum eigentlich verschweigt die offizielle Fremdenverkehrswerbung die beträchtlichen Erfolge solcher denkmalpflegerischen Bemühungen, die ja nicht nur vom Verein, sondern seit langem auch von zahlreichen privaten Bauherren und der Stadt selbst zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden konnten?

Gedankt sei zum endgültigen Schluss meiner Rede der Lokalzeitung für die solide Zusammenarbeit in diesem Jahr, den Leuten vom Tag des Offenen Denkmals, den Ausschussmitgliedern, die die Jahresgabe im Stadtbereich ausgetragen und damit dem Verein eine Menge Geld gespart haben, Lothar Schmidt für die Betreuung unseres nach wie vor gelungenen Internet-Auftritts und allen, die uns unterstützt haben und die ich zu erwähnen vergaß. Der Verein Alt-Rothenburg braucht nicht nur Leute, die mitreden – auch die sind natürlich wichtig -, sondern auch solche, die mitmachen.

Ich danke Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dr. Richard Schmitt
Schriftführer

20.02.2008