Jahresbericht 2007/08

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

vor gut einem Jahr fiel mir ein, dass Heinrich Toppler 1408 gestorben ist. Zum sechshundertsten Todestag könnte, ja müsste die Stadt eigentlich die Erinnerung an diesen bedeutenden Mann in irgendeiner Form pflegen, dachte ich mir ganz harmlos. 1908 und 1958 hat man das ja auch getan, teils bombastisch und schwülstig, mit Umzügen und patriotischen Reden, wie es eben den Gepflogenheiten damals entsprach – und, wie ich anmerken möchte, dem bescheidenen und oft irrigen Wissensstand jener Zeit. Solch provinziell-spießiges Spektakel wirkte heute nur noch lächerlich.

Von unserem Verein wurde dann die Stadt auf das Gedenkjahr hingewiesen. Man zeigte sich interessiert und schmiedete Pläne. Dann haben wir uns Gedanken darüber gemacht, was der Verein zum Toppler-Jahr beitragen könnten. Ein Kultur- und Wanderführer, der das Gebiet der ehemaligen Landwehr abdecken und interessierte Heimatfreunde ansprechen sollte, Unterstützung des Reichsstadtmuseums bei einer Toppler-Ausstellung, Beratung der Stadt hinsichtlich der Gestaltung eines großen Festaktes, Einbeziehen der Landgemeinden und so weiter und so weiter. Man redete viel und tat wenig. Projekte wurden angedacht, aber nicht zu Ende geschmiedet. Ich mache niemandem einen Vorwurf, am wenigsten mir selber. Denn mir ist inzwischen klar geworden, dass ein großes Vorhaben auch eine lange Phase der Planung und Organisation benötigt. In Zukunft werden wir uns bemühen, auf stadtgeschichtlich bedeutsame Gedenkjahre rechtzeitig hinzuweisen. Heuer ist ja auch das Primus-Truber-Jubiläum zu begehen, das man beinahe übersehen hätten, wenn uns nicht Lothar Schmidt darauf gestoßen hätte. Und an die von den Nazis grotesk-brutal inszenierte „Ausweisung“ der kleinen Rothenburger Judengemeinde Ende Oktober 1938 wird ja seitens der Stadt ebenfalls erinnert werden.

Toppler-Jahr 2008! Großartiges im Sinne des Vereins, das heißt der Geschichtsforschung und der Denkmalpflege, erwarten wir nicht mehr. Für die Präsentation der Stadt ist allerdings schon einiges geschehen. Das Stadtarchiv hat unter seinem neuen Leiter, Herrn Fieg, einen sensationell erfolgreichen Tag der offenen Tür erlebt, den die Rothenburger zu Hunderten nutzten. (Es gibt weitere städtische Bauwerke, an denen die Bürger Interesse hätten. Mal darüber nachdenken!) Topplers Wirtshaus „Zum Greifen“ konnte man durch das Engagement der Familie Klingler im Februar vom Keller bis in die Gästezimmer besichtigen und dabei ein vielseitiges kulturelles und gastronomisches Angebot nutzen. In diesem Rahmen stellte Edmund Zöller aus Ansbach, als langjähriger Kreisheimatpfleger und Kirchenburgexperte kein Unbekannter, sein Faltblatt über die Rothenburger Landwehr vor. Erhältlich für einen Euro. Wenn ich mir überlege, wie bescheiden die Rothenburger Presse diese solide, in jahrelanger Arbeit entstandene, auf knappstem Raum äußerst informative Publikation besprochen hat, ärgere ich mich. Im Unterschied dazu die Beweihräucherung des „Toppler-Comics“. Dessen ästhetische Beurteilung ist nicht meine Sache, den blonden Milchbubitoppler registriere ich als sehr gut erhaltenen Endsechziger schulterzuckend. Das Rothenburg-Bild des Comics mit Renaissancerathaus samt barocker Altane, Feuerleinserker, Herterichsbrunnen und anderen ahistorischen Bildelementen hat mit der Zeit um 1400 wenig zu tun. Es passt jedoch in den unsortierten Rothenburg-Krempel, den ein Mischmasch aus Toppler-Meistertrunk-Legenden und Pferdekutschenführerdarbietungen erfolgreich verkauft. Wie ist das möglich? Woher kommt das, frage ich wieder einmal? Das Nebeneinander von seriöser Geschichtsforschung und unbeirrt davon weiter betriebener Legendenphantasterei in Rothenburg wird mir immer mehr zum Rätsel. Es kann nicht sein, dass hier seit langem ernsthafte und erfolgreiche historische (auch archäologische, kunstgeschichtliche …) Arbeit betrieben wird – in einem Ausmaß, den (sich) wenige vergleichbare Städte überhaupt leisten und auf die wir stolz sein können – und andererseits das Schneckentempo, mit dem die Ergebnisse dieser mühseligen Recherchen nur zäh ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Touristenwerbung gelangen.

Was im Verein Alt-Rothenburg an historischer Basisforschung geschieht, ist selten spektakulär. Schritt für Schritt geht es dennoch voran. Jedes Jahr ein Jahrbuch, ununterbrochen die „Linde“, immer wieder wissenschaftliche Vorträge, die unser Wissen um die Vergangenheit ergänzen Ich möchte die Leute, die sich im Verein betätigen, als Wurzelbearbeiter bezeichnen. Wurzeln bleiben meist unbeachtet, sie liegen versteckt und sind meist nur mit mühseliger Knochenarbeit aufzudecken. Sind sie aber krank, fehlen sie gar, kann auch die Krone des Baumes nur schwer gedeihen. Und häufig bilden sich aus ungepflegten Wurzeln unerwünschte, wild und üppig wuchernde Nebentriebe, die im schlimmsten Fall den schönen alten Baum unterdrücken.

Einem dieser jahrzehntealten Wasserschösse hat Ludwig Schnurrer bei seinem Vortrag im Februar 2008 mit dem scharfen Schnittmesser des kritisch geschulten Historikers den Garaus gemacht. Heinrich Topplers Aufstieg wurde nicht durch die Heirat mit „der reichsten Erbin der Stadt“, einer angeblichen Wernitzerin, befördert. Seine erste Ehe schloss er mit einer aus ordentlichen Verhältnissen stammenden, aber keineswegs auffallend wohlhabenden Bürgerstochter. Topplers Biographie muss damit in einem wichtigen Punkt neu geschrieben werden. Ob und wann dies in die gedruckten und gesprochenen Stadtführungen eingehen wird? In fünf, zehn, zwanzig Jahren oder nie? Touristisch nutzbare Rothenburg-Legenden sind zäh wie eine Katze, haben ein langes Leben. „Schrecklich, schrecklicher, Schreckenbach“, möchte man rufen. Dessen Roman „Der König von Rothenburg“, sprachlich aufdringlich parfümiert und inhaltlich voll reaktionären Gestanks, hat dem mittelmäßigen Schreiberling einen Rothenburger Straßennamen beschert und verkörpert für viele historische „Wahrheit“. Man schlägt die Hände vor dem Kopf zusammen, obwohl man weiß, dass Dummheit nie auszurotten ist. Die Rothenburger Legendengläubigkeit bleibt ein Rätsel. Jammern hilft aber nicht, bringt uns nicht weiter. Es gibt nur eins: Weitermachen wie bisher, Sachverstand bewahren, die Wurzeln pflegen, Auswüchse bekämpfen, frühere wie gegenwärtige. (Als Fußnote sei angefügt: König Philipp von Schwaben, der Sohn Barbarossas, war gewiss nicht der edle Pazifist, als den ihn das rotour-Heftle vor kurzem beschrieb. Bitte nicht noch eine neue Rothenburg-Legende! Und ich kann auch über die Mär, die das Grabtuch Christi für einige Jahrzehnte in Standorf oder sonstwo am nördlichen Rand der Landwehr zwischenlagern möchte, nur gequält lächeln. Vielleicht finden wir ja den Heiligen Gral einmal eingemauert in der Blasiuskapelle.)

Die Erforschung der Rothenburger Geschichte wurde im vergangenen Vereinsjahr durch unsere Vortragsreihe sicherlich ein bisschen vorangebracht. Professor Heil aus Heidelberg konnte Rabbi Meir, den wohl bedeutendsten Rothenburger, in seinem Vortrag in der Johanniterscheune beeindruckend in den Kontext jüdisch-christlicher Beziehungen seiner Zeit stellen. Vorurteil, Konflikt, Toleranz, unbarmherzige Vertreibung und Massenmord – all das bietet die jüdische Vergangenheit Rothenburgs. Einen Vergleich mit Heinrich Topplers Fall bot der Vortrag von Prof. Franz Fuchs aus Würzburg über den Nürnberger Patrizier Niklas Muffel, der ein Menschenalter nach dem Rothenburger Heros von seinen Standesgenossen aus großer Höhe gestürzt und hingerichtet wurde. Neben der Bewunderung für die originelle und subtile Untersuchung auf den ersten Blick eher nebenrangig scheinender Quellen wie Muffels Reiserechnungen bleibt von diesem Vortrag in Erinnerung, wie schnell damals offenbar die stadtaristokratische Führungsschicht einen missliebig gewordenen Großen aus den eigenen Reihen zu vernichten wusste. Rothenburg hat dies ja mit seinem Vorgehen gegen Lupold Vetter, den Stadtschreiber von Lichtel, Heinrich Zuckmantel und Heinrich Rosstäuscher im 14. Jahrhundert praktiziert, hat unter Beteiligung Topplers oder unter seiner Führung mit unbarmherziger Härte den reichen Hans Wern ins Würzburger Exil gezwungen. Heinrich Toppler wusste ohne Zweifel, was ihm blühte, wenn er einmal zum Stadtfeind erklärt würde.

Unser dritter Vortrag im Februar gehörte Dr. Schnurrer. Vor allem die Berichtigung der Toppler-Biographie hinsichtlich seiner ersten Ehefrau muss hier noch einmal erwähnt werden. Bemerkenswert daneben: Toppler unterhielt offenbar eine Kanzlei, für die er qualifizierte Nachwuchskräfte heranbildete. So, und nur so erweitert sich Mosaikstein für Mosaikstein das Bild von der Rothenburger Stadtgeschichte und seines Umlandes. Nämlich mit penibler Erforschung des Archivmaterials, der Boden- und Baudenkmäler.

Aus dem Reichsstadtmuseum ist Erfreuliches zu vermelden. Zum einen denke ich hier an die Ausstellung mit den „Rothenburger Gesichtern“ auf Fotos von Richard Wagner, zum anderen an die Eröffnung der alten Sakristei. Hier wurde den Rothenburgern ein weiteres Stück Mittelalter aufgeschlossen und von Dr. Möhring mit ansprechenden Ausstellungsstücken eingerichtet. Allein die Sakristei mit ihrem gelungenen Restaurierungskonzept aus dem Büro Knoll/Konopatzki ist einen Museumsbesuch wert. Ergänzung eines gotischen Rippengewölbes durch Eisenträger unter Bewahrung der alten Substanz und zugleich ohne Kosmetik – wo sieht man das sonst? Es geht also weiter, im Museum und anderswo, Schritt für Schritt und seriös. Auch beim Verein Alt-Rothenburg. Gelegentliche, manchmal nur zwischen den Zeilen vernehmlich Kommentare über unsere Tätigkeit wundern mich deshalb. Ich kann damit leben, dass man uns an einem Alt-Rothenburg-Streiter wie Wilhelm Staudacher misst. Wenn man uns den braunen Unbehauen vorhält, schweige ich einfach.

Der „Tag des offenen Denkmals“ 2007 wurde für den Verein im Großen und Ganzen von unserem Ausschussmitglied Pfarrer Oliver Gussmann und der Pfarrei St. Jakob organisiert. Ihm sei hier gedankt. Wenig bekannte oder
kaum zugängliche Objekte, etwa die Kobolzeller Kirche oder der Dachstuhl der Jakobskirche wurden einer überaus großen Besucherzahl präsentiert. Anmerken möchte ich hier freilich: Der Tag es „Offenen Denkmals“ ist nur ein Beispiel dafür, wie die Aufgaben des Vereins und die Erwartungen der Öffentlichkeit an ihn seit langem zunehmen, ohne dass wir die dafür notwendigen personellen und materiellen Ressourcen erweitern konnten. Auf den Vorstandsmitgliedern und einem Teil des Ausschusses lastet eine Bürde, die mit der vergangener Jahrzehnte kaum zu vergleichen ist. Ich wünsche mir in Zukunft mehr verbindliche, zuverlässige, eigenständige Mitarbeit seitens der Vereinsmitglieder. Wir sind kein Kaffeekränzchen, bei dem jedermann ein bisschen herumpalavern kann. Unsere Arbeit sollte Folgen zeitigen – und dafür benötigen wir sachkundige, fundierte Beiträge.

Der Tag des offenen Denkmals 2008 hat Archäologie und Bauforschung zum Thema. Für Rothenburg kommen z. B. die Rossmühle und die Sakristei im Reichsstadt-Museum als Objekte in Frage. Eine Vereinsfahrt zum Lichteler Landturm ist ebenfalls geplant. In diesem Zusammenhang vermerkte OB Hartl, dass etwa für das sog. Pesthaus und das sog. Hegereiterhaus keine Nutzungskonzepte vorlägen. Um das „Pesthaus“, das in Wirklichkeit ein Reihenhaus für Kleriker war, könnten auch wir uns Gedanken machen.

Dank abzustatten gilt es in diesem Jahresbericht. Neben all den anderen, die sich in der Vereinsarbeit engagierten und sich etwa wie Heckmann und Pfitzinger mit Fotoaufnahmen am „Landwehr-Führer“ beteiligten, Dr. Schnurrer, der die „Linde“ nach wie vor betreut, Lothar Schmidt, der unserer Internet-Seite auf dem Laufenden hält, Karl-Heinz Schneider, der uns die Johanniterscheune zur Verfügung stellt, wenn wir ein Ausweichquartier oder einen Veranstaltungsraum für besondere Anlässe benötigen, und sich auch sonst unkompliziert-hilfsbereit zeigt, sowie weiteren, hier nicht namentlich genannten Helfern sei Prof. Karl Borchardt hervorgehoben. Unser ehemaliger zweiter Vorsitzender wird uns als profilierter Historiker nach seinem Wegzug nach München sehr fehlen. Wir hoffen, dass er uns als Ratgeber in Fragen der Geschichtsforschung und eventuell als Referent für unsere Vorträge weiterhin zur Seite stehen wird. Quasi als Abschiedsgeschenk hat er uns die Jahresgabe für 2007, das Schragsche Wappenbuch in Zusammenarbeit mit Dr. Möhring hergestellt. Eine feste Größe der Rothenburger Denkmalpflegeszene war über Jahrzehnte Michael Severini, der langjährige Stadtbaumeister. Als Stadtheimatpfleger hat er nun sein Amt niedergelegt und steht dem Vereinsausschuss nicht mehr zur Verfügung. Wir danken Herrn Severini für seine verantwortungsbewusste Arbeit auch im Verein Alt-Rothenburg. Wir wissen, was er als Stadtbaumeister für die Erhaltung der städtischen Denkmale geleistet hat, wir wissen um die äußerst schwierige Position eines Bauamtsleiters im Widerstreit der Interessen von Bauwerbern, Stadtrat, Landesamt, der Öffentlichkeit und nicht zuletzt der ewig-unbequemen Mahner des Vereins Alt-Rothenburg. Gedankt werden soll auch Herrn Dreiss, der dem bis vor kurzem in Neustadt/Aisch beheimateten Degener-Verlag in Insingen eine neue Heimat gegeben hat Seine Unterstützung bei der Verpackung des für unsere (finanziellen) Verhältnisse als Jahresgabe recht großzügig gediehenen „Schrag“ hat uns sehr geholfen. Die Veröffentlichung des Wappenbuches war allerdings nur möglich, weil uns vor allem die Sparkasse Rothenburg massiv finanziell unterstützt hat. Auch dafür sagen wir herzlichen Dank.

Zu den „Bausachen“ in der Altstadt seien heuer nur einige Randnotizen angebracht. Wir werden das Thema allerdings in Zukunft wieder stärker in den Mittelpunkt unserer Tätigkeit rücken. Die bevorstehenden Umbaumaßnahmen am Amtsgericht vor dem Rödertor lassen uns schon zusammenzucken. Das Landesamt für Denkmalpflege hat durch einige Einwendungen bereits im Einvernehmen mit dem Stadtbauamt und den neuen Besitzern des Gebäudes Änderungsvorschläge in Gang gebracht, z. B. wird statt einer geplanten Einfahrt von der Ansbacher Straße her nur eine Fußgängertür in den Garten angestrebt. Problematisch erscheint mir nach wie vor die Beseitigung eines Teils der Mauer zum Topplerweg. Freilich muss man froh sein über eine neue Nutzung des Gebäudes. Das steht außer Frage. Der hohe Denkmal- und Ensemblewert des Amtsgerichts als Bauwerk des Historismus in der unmittelbaren Umgebung des Rödertores schreit allerdings geradezu nach sensibler Behandlung. Ich hoffe, dass man die weitere Entwicklung des Amtsgerichts und seines kleinen Parks seitens der städtischen Behörden aufmerksam begleiten wird. Es stellt sich nämlich auch die Frage: Darf der Amtsgerichtsgarten in der Zukunft bebaut werden?

Für die Umbaumaßnahmen an der Bäckerei Trump, die in eine Café verwandelt wurde, zeigte man im Ausschuss teilweise Verständnis, da es, nicht zuletzt auf den Rat von Peter Nedwal hin gelungen ist, ursprünglich viel schlechtere Pläne zum Positiven hin zu verändern. (Oder sollte man sagen: Zum nicht mehr ganz so Negativen?) Die sehr weit herabgezogenen Fenster an einem derart exponierten Punkt der Altstadt zum Beispiel erscheinen mir nicht als Ideallösung.

Die geplante Erschließung eines Baugebietes am Philosophenweg wurde vom Verein nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Betont wurde allerdings, dass bei der Planung möglichst viel Grün erhalten bzw. geschaffen werden und die bestehenden Spazierwege bestehen bleiben müssten. Auch die Tittmannsche Idee, dass man im Bereich zwischen Turmseelein und Klingentor den topplerzeitlichen Schutzbereich im Vorfeld der eigentlichen Stadtmauer dokumentieren sollte, erscheint mir nicht absurd. Ich wiederhole mich: So manches, was aus unseren Reihen als Luftschloss belächelt wurde, hat sich ja in der Vergangenheit zum Nutzen der Stadt umsetzen lassen.

In „Bausachen“ herrscht zur Zeit ein bisschen Funkstille zwischen dem Verein und der Stadt. Wenn ich allerdings am Burggärtnerhaus vorbeigehe und bemerke, dass man die Burgmauer aufgeschlitzt hat, um offenbar einen Treppenaufgang von unten zu ermöglichen, wenn ich darüber nachdenke, wie wenig der Verein Alt-Rothenburg und vielleicht auch der Bauausschuss über das Vorgehen an dieser Wurzel der Stadt informiert und beteiligt wurde, dann denke ich mir: Es geht weiter wie seit eh und je. Ein weiteres und zentrales Problem scheint mir zu sein, wie man Architekten und Baufirmen dazu bringt, von selbst mehr Sensibilität beim Umbau von alten Häusern zu praktizieren. Nachträgliches Schimpfen, wenn das Kind schon im Brunnen ertrunken ist, nutzt wenig und reißt eher Gräben auf. Vielleicht ist gerade hier eine Initiative des Vereins notwendig.

Über Ideallösungen in der Denkmalpflege darf und soll natürlich gestritten werden und über Fragen des Geschmacks erst recht. Diese Binsenweisheit kam mir in den Sonn, als ich die Verleihung des neuen Sparkassenpreises für vorbildliche Restaurierung von Privathäusern verfolgte. Der Preis als solcher, das finanzielle Engagement der Sparkasse und die damit verbundene Absicht, den Wert alter Bausubstanz und die vielgestaltigen Möglichkeiten ihrer zeitgemäßen Nutzung ins Bewusstsein vieler Hausbesitzer zu rufen, – all das ist lobenswert und ganz im Sinne der Vereinsziele von Alt-Rothenburg. Solche Prämierungen sind sinnvoll, schaffen Anreize und Vorbilder – und müssen unbedingt wiederholt werden. Beim nächsten Mal könnte man vielleicht in der Jury bei den Beurteilungskriterien etwas stärker neben der außenwirksamen auch die denkmalpflegerische Bedeutung der Baumaßnahmen im Auge behalten. Wir raten allen Bauherren in Stadt und Land zur Teilnahme an diesem „Wettbewerb“, der ganz in unserem Sinne ist.

Aus den Protokollen des verflossenen Vereinsjahres möchte ich zum Abschluss des Jahresberichtes noch einige kleine Anregungen weiterleiten.

Leerstehende und ungenutzte historische Gebäude in der Altstadt werden mehr und mehr zum Problem. Man kann sich vorstellen, dass man seitens der Stadt ein Verzeichnis solcher Objekte anlegt und damit das Stadtbauamt zu einer Art Schnittstelle macht, an der sich private Interessenten Informationen beschaffen könnten. Der Zustand der Brunnen und Fischkästen ist teilweise noch immer nicht so, wie er sein sollte. Vom Stadtbauamt wird allerdings dankenswerterweise das „Brunnenprogramm“ weiterverfolgt. Kassier Nedwal kritisierte in einer Ausschusssitzung plumpe Kletterhilfen für Rankgewächse an städtischen Gebäuden. Begrünung in der Altstadt sei an sich zu begrüßen, aber die Stadt müsse hier mit gutem Beispiel vorangehen. Man hat tatsächlich sehr schnell reagiert und Verbesserungen vorgenommen. OB Hartl hält eine deutlichere Sichtbarmachung der jüdischen Geschichte Rothenburgs für angebracht. Eine Rückbenennung des Schrannenplatzes in „Judenkirchhof“ ist vorstellbar, in Anlehnung an den Vortrag von Prof. Heil aus Heidelberg ist an eine „Rabbi-Meir-Straße“ oder einen „Rabbi-Meir-Platz“ zu denken. Auch die Ludwig-Siebert-Straße wurde von einem Vereinsmitglied – zu Recht – in Frage gestellt. Bevor man allerdings daran geht, dem (angeblich) so erfolgreichen Bürgermeister und (hier kann kein Zweifel bestehen) großen Wohltäter Rothenburgs „seine“ Straße abzuerkennen, müsste man genauer Bescheid wissen über seine Rolle als bayerischer Ministerpräsident in der Nazizeit. Man kann es sich zwar kaum vorstellen, dass ein Mann in einer derart exponierten Stellung nicht mit den kriminellen Machenschaften der Nazis in Berührung gekommen sein soll. Aber Genaues weiß man (noch) nicht, auch hier müsste man erst gründlich nachforschen, bevor man ein Urteil fällt. Herr Fieg bedauert die spärlichen Fotobestände des Stadtarchivs über die Nazizeit und regte an, eine entsprechende Fotosammlung mit Hilfe der Bürger anzulegen.

Sie sehen also, wie weit und vielfältig unser Aufgabenbereich ist. Wir können nicht alles leisten, was von uns gefordert und erwartet wird. Dennoch bemühen wir uns nach Kräften.

Unterstützen Sie uns dabei.

Dr. Richard Schmitt, 03.06.2008