08.12.2006 | Beobachtungen beim Umbau der Marienapotheke

Erhellende Befunde und offene Fragen

von Eduard Knoll

Eduard Knoll.

In der winterlichen Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg berichtete Architekt Eduard Knoll (Klingengasse) vergangenen Freitag in der „Glocke“ über die umfangreichen Baumaßnahmen, die als Folge der notwendigen Modernisierung der traditionsreichen Marienapotheke an der Südwestecke des Marktplatzes inzwischen ihren Abschluss gefunden haben. Vor allem die Schaffung ebenerdiger Zugänge, verbunden mit der Entfernung der Treppenstufen, und das nun deutlich tiefere Niveau des Erdgeschosses hatten zunächst bei manchen „Alt-Rothenburgern“ für Stirnrunzeln gesorgt.

Knolls Ausführungen glätteten die entstandenen Sorgenfalten wieder. Hier wurde kein Denkmal zerstört, sondern lediglich teilweise in einen durchaus historischen Zustand „zurückgebaut“.

Bei diesen Arbeiten wurden denkmalpflegerische Prinzipien in einem Ausmaß berücksichtigt, wie man sie sich überall wünschen würde: Erstellung von Aufmaßen und Dokumentation vor Baubeginn; dendrochronologische Befunde; Zusammenarbeit mit den Denkmalpflegebehörden; Hinzuziehung der Stadtarchäologie (Horst Brehm), der historischen Forschung (Dr. K.-H. Schneider, Prof. Borchardt) und eines sachkundigen Restaurators (G. Heckmann); Dokumentation der Baumaßnahmen und ihrer Ergebnisse. All dies wäre aber ohne die Unterstützung durch Apotheker Stegmann so nicht möglich gewesen. Auch er war als Haus- und Bauherr ein Glücksgriff.

Knoll geht davon aus, dass das „Haus des Schultheißen“ schon um 1170 am Ort des Fleischhauses existiert habe. (Hier besteht Forschungsbedarf.) Dort habe sich dann später der „Innere Rat“ getroffen. Als dann ein „Äußerer Rat“ hinzukam, habe man im östlichen Teil der heutigen Marienapotheke einen weiteren Bau, das „Rathaus“ errichtet. Nachdem man um 1390 gegenüber das jetzige Rathaus erbaute, erwarb der Patrizier Stefan Groß das alte „Rathaus“ und vereinigte es mit dem benachbarten Anwesen. Um 1460 folgte die Familie Jagstheimer, die in den folgenden Jahrzehnten beide Häuser unter einem Dach vereinigte, das nun mit dem Giebel auf den Herterichsbrunnen hin ausgerichtet wurde und im Wesentlichen so aussah wie heute.

Der Erker trug allerdings ein gotisch-spitzes Dach, das erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts beseitigt wurde. Ende des 16. Jahrhunderts errrichtete Leonhard Weidmann den langen Anbau entlang der Hofbronnengasse mit der schönen Durchfahrt zum Hof. Plastisch reich verzierte Konsolen und Kragsteine aus seiner Hand finden sich trotz der zahlreichen Umbauten im Inneren des Hauses. Nach dem Ende der Reichsstadtherrlichkeit kaufte Apotheker Schiller das Anwesen und richtete dort eine Apotheke ein. Jetzt wurde das Erdgeschoss erhöht, wurden neue Türen im Stil der Zeit eingebrochen und einiges im Inneren verändert. Erst nach dem 2. Weltkrieg ließ die Apothekerfamilie Etter das Fachwerk wieder freilegen.

Zu den Baubefunden. Im Kellerbereich wird klar, dass es sich bei der Marienapotheke ursprünglich um verschiedene Häuser handelte. Für Rothenburg typische mittelalterliche Abwässerkanäle bzw. Drainagen, die Sickerwasser entfernten, wurden von Horst Brehm aufgedeckt. Der Hauptzugang zum Kellerbereich lag zur Herrengasse hin. Mögliche Verbindungen zum Fleischhaus bleiben vorläufig reine Hypothese.

Das Haus hat eine lange und wechselhafte Geschichte. Spuren der immer wieder (und nicht immer besonders sorgfältig) durchgeführten Veränderungen und Modernisierungen finden sich überall, wie Knoll und Heckmann mit vielen Bildern belegen konnten.

Der Umbau der Marienapotheke war ein schwieriges Unterfangen. Zum Beispiel ging man früher mit statischen Problemen wesentlich sorgloser um als heute. Folglich mussten nun Eisenträger eingezogen oder brüchige Mauern unterfangen werden.

Letztlich war es sogar notwendig, dass man den Keller um einen Dreiviertelmeter abgrub, um den modernen Arzneimittelcontainer, einen Aluminiumkasten mit 12 Meter Länge dort unterzubringen, ohne die Bausubstanz zu beeintächtigen. Was lernen wir daraus? Denkmalschutz und zeitgemäße Nutzung eines historischen Gebäudes müssen nicht von vorneherein im Widerspruch zueinander stehen.

Dr. Richard Schmitt