Jahresbericht 2017/18
Verein Alt-Rothenburg
Jahresbericht 2017/18
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Vereinsmitglieder,
das vergangene Vereinsjahr war geprägt von einer Mischung aus erfreulichen und eher negativen Ereignissen und Entwicklungen. Dass am Ende die Erfolge und das Gelungene überwogen, kam für mich ein bisschen überraschend und ist vor allem dem Engagement unserers 1. Vorsitzenden zu verdanken.
Gerade noch rechtzeitig vor Weihnachten 2017 konnten wir die beiden Jahresgaben für 2016 und 2017 versenden. Es handelt sich um zwei bedeutende Werke zur Geschichte Rothenburgs und seines Umlands. Zum einen um die Dissertation von Daniel Bauer über die Geschichte Rothenburgs im 3. Reich, materialreich und kritisch, an der keiner, der sich in Zukunft mit dieser unseligen Zeit der Stadtgeschichte beschäftigen wird, vorbeikommt. Zum anderen ein voluminöser Sammelband zum 60. Geburtstag von Professor Karl Borchardt, der seine wichtigsten Arbeiten zu unserer Geschichte enthält und diese unseren Vereinsmitgliedern sowie allen Rothenburg-Forschern bequem zur Verfügung stellt. Den aufwendigen Versand samt Verpackung hat Dr. Naser organisert. Ihm und unseren Mithelfern bei dieser etwas abenteuerlichen Aktion in der Naserschen Scheune in Wolfsau, die dann doch noch zu einem guten Ende führte, sei herzlich gedankt.
Es ist allerdings klar, dass wir in Zukunft nicht jedes Jahr derartig gewichtige, repräsentative und damit teure Bücher an die Mitglieder verteilen können. Zum einen hängt das natürlich mit unserer Finanzlage zusammen – wir wollen und müssen sparen, um für vermutlich anstehende Bau-Investitionen in der Judengasse gerüstet zu sein. Zum anderen wird es so bald nicht wieder vorkommen, dass in schneller Aufeinanderfolge wissenschaftliche Großprojekte zur Rothenburger Geschichte vorgelegt werden. (Was in gewisser Weise auch zu bedauern ist.)
Peter Nedwal, unser Kassier, ist mehrfach zusammengezuckt, als er die Kosten für die beiden Bücher erfuhr. Es blieb nicht beim leisen Grummeln, manchmal wurde es etwas lauter. Aber ich möchte daran erinnern, dass wir ja nicht nur ein Denkmalschutzverein, sondern im gleichen Maß auch – oder vor allem? – ein Verein zur Pflege der Geschichtsforschung sind. Wir übernehmen damit Aufgaben, die in anderen kleinen Städten vom Stadtarchiv und anderen städtischen Institutionen übernommen werden – auf Kosten der Kommune. Dass die Stadt Rothenburg seit vielen Jahrzehnten für die Erforschung ihrer Geschichte relativ wenig ausgeben musste und diese Aufgabe überwiegend von unserem Verein wahrgenommen wird, soll hier einmal deutlich gesagt werden. Gerade eine Stadt wie Rothenburg, die zu einem guten Teil vom Fremdenverkehr lebt und erfolgreich mit ihrem historischen Erbe wirbt, sollte die Leistungen der in unserer Stadt vor allem durch die Forschertätigkeit von Ludwig Schnurrer und Karl Borchardt auf einem modernen Stand befindlichen Geschichtsforschung nicht übergehen.
Die Idee, einen „Turmweg“ um die Rothenburger Mauern für die Gäste der Stadt anzulegen und zu bewerben, halte ich nach wie für ausgezeichnet. Dass sich sowohl im gedruckten Werbeheft wie auch auf den Informationstafeln in großer Zahl sachliche Fehler finden lassen – mal abgesehen von manchmal sprachlich-stilistischen Kuriositäten – zeigt, wie sehr man die seriöse Arbeit des lokalen Geschichtsvereins schätzt. Man hat ihn einfach gar nicht befragt, so, als ob es ihn nicht gäbe. Vielleicht nach dem Motto: Was nix kost, ist nix wert.
Dass die „Linde“ 2018 ihren 100. Jahrgang vorlegen kann, ist das Verdienst ihrer Autoren und Redakteure – Ekkehart Tittmann sei einmal erwähnt, vor allem aber Dr. Möhring, der Monat für Monat das Layout besorgt, und nicht zuletzt der Verlag Schneider, der uns die Treue hält und mit dem wir auch weiterhin gerne zusammenarbeiten möchten.
Um die Ergebnisse der Wissenschaft breiteren Kreisen zu vermitteln, haben wir in unserer winterlichen Reihe folgende Vorträge angeboten, die unterschiedlich gut besucht wurden:
– Bodendenkmalpfleger Probst (Binzwangen) über die Vor- und Frühgeschichte des Rothenburger Raumes
– Heinz Ott (Lohr) über die Geschichte der Kirche in Bockenfeld
– Professor Dr. Hartmut Krohm (Berlin) über Riemenschneider in Rothenburg, Creglingen und Umland (gemeinsam mit dem Evangelischen Bildungswerk und der ehemaligen städtischen Kulturbeauftragten Johanna Kätzel, die uns leider verlassen hat.
– (Papier)Restauratorin Henriette Reißmüller (Binzwangen) über die Voraussetzungen und erstaunlichen Möglichkeiten ihres interessanten Berufs
– Dr. Thomas Eißing (Universität Bamberg) über den Beitrag der Dendrochronologie (Holzaltersbestimmung) zur Bauforschung und damit letztlich auch zur allgemeinen Geschichtsschreibung
Einige Referenten haben auf ein Honorar verzichtet. Hierfür ein herzliches Dankeschön.
„Eine wundersame Rettung“ nannte der „Fränkische Anzeiger“ am 24. April den vorgesehenen Verkauf unseres Hauses Judengasse 10 (mit der spätmittelalterlichen Mikwe, dem rituellen jüdischen Frauenbad) an die neu ins Leben gerufene Stiftung „Kulturerbe Bayern e.V“., die sich demnächst in allen bayerischen Regierungsbezirken der Öffentlichkeit präsentieren wird. Die Veranstaltung für Mittelfranken findet übrigens bald in Rothenburg statt. Dass es uns gelang, das Haus bei dieser Stiftung als erstes zu förderndes Objekt und als eine Art Musterprojekt „unterzubringen“ – gegen zahlreiche und namhafte Konkurrenz aus allen Teilen Bayerns – , ist neben der Tatkraft unseres 1. Vorsitzenden auch dem Engagement von Eduard Knoll zuzuschreiben, der seine Kenntnisse und Beziehungen für das Vorhaben einsetzte. Außerdem spricht es dafür, dass wir als sachkundiger und vertrauenswürdiger Verhandlungspartner angesehen werden.
Zwar wurde am 22. April von beiden Seiten – dem Verein und der Stiftung – vorläufig nur eine „Absichtserklärung“ über den Verkauf unterzeichnet, aber den Worten werden sicherlich Taten folgen. Diese Zuversicht habe ich. Wenn es dann aber eines vermutlich gar nicht so fernen Tages so weit sein wird, dass die beiden Häuser Judengasse 10 und 12 nach denkmalpflegerischen Maßstäben saniert werden, kommt auf den Verein allerdings eine schwere und umfangreiche Aufgabe zu. Wir müssen ja dann das weiterhin in unserem Besitz verbleibende Haus Nr. 12 zumindest so weit auf unsere Kosten renovieren, wie es im Zusammenhang mit Nr. 10 unbedingt erforderlich ist. Ich denke da an den mit Nr.10 gemeinsamen Dachstuhl und die Dachfläche – es handelt sich ja um ein spätmittelalterliches Doppelhaus -, an die Außenwände, Fenster und anderes mehr. Dafür werden gewaltige Anstrengungen notwendig sein, und das in einer Zeit, in der die Reserven der Vereins nicht in erster Linie durch unsere wissenschaftlichen Publikationen, sondern vor allem durch die von der Stadt geforderte Beteiligung an der Sicherung des Röderturms gegen Feuer- und Rauchentwicklung enorm geschmälert wurden. Außerdem ist es uns bisher nicht gelungen, einen ständigen „Türmer“ für den Turm zu finden. Trotz des Einsatzes unseres 1. Vorsitzenden, der an vielen Wochenenden einen Türmerdienst organisiert hat und sich auch selbst in die luftigen Höhen begibt, kam es natürlich zu erheblichen Einnahmerückgängen aus dem Turm.
Wie Sie in wenigen Minuten den Ausführungen von Kassier Peter Nedwal entnehmen können, ist unsere Kassenlage noch relativ passabel. Das ist nicht zuletzt einigen sehr großzügigen Spenden in den letzten Jahren zu verdanken, die auch bewiesen haben, dass wir in der Öffentlichkeit nicht von allen als Fortschrittsverweigerer und idealistische Spinner wahrgenommen werden. Für die Sanierung von Judengasse 12 werden wir uns bei unseren im Grunde doch bescheidenen Eigenmitteln sehr anstrengen müssen, um Zuschuss- und Kreditgeber zu gewinnen. Noch ist es eine Zukunftshoffnung, eine „Vision“, was wir und das „Kulturerbe Bayern“ mit den zwei Häusern in der Judengasse planen.
Die Voraussetzungen hat der Verein Alt-Rothenburg in den letzten Jahrzehnten geschaffen. Auch durch eine sparsame Haushaltsführung hat unser Engagement in der Judengasse ermöglicht.
Der Verein hat zwar vor mehr als 30 Jahren das Interesse der Öffentlichkeit – heutzutage verwendet man dafür das grässliche Modewort „Fokus“ – für die damals teilweise sehr heruntergekommene Judengasse geweckt. Eduard Knoll hat dafür gesorgt, dass die moderne Bauforschung dort ein fruchtbares Betätigunsfeld erhielt, mit Horst Brehm, an den wir mit Wehmut zurückdenken, hat die wissenschaftliche Altstadtarchäologie dort Einzug gehalten. Aber ohne Zuwendungen von außen hätten wir die linksseitigen Häuser 15 bis 21 weder erwerben noch erforschen und anschließend zu Wohnzwecken herrichten können.
Der Kauf von Nr. 12 unter unserem damaligen 1. Vorsitzenden Bernhard Mall war sicherlich ein Risiko, ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft. Ähnlich verhielt es sich mit dem Kauf von Nr. 10 unter der jungen Vorstandschaft von Markus Naser. Man wusste, welche Belastungen dem Verein dadurch entstehen würden, man wollte aber das bedeutende Rothenburger Kulturerbe in die eigenen Hände bekommen und – was Nr. 10 anbelangt – weiteren Missbrauch bzw. unsachgemäßen Umgang verhindern. Unklar war seinerzeit, wie es weitergehen sollte. Man konnte nur auf bessere Zeiten hoffen. Womöglich sind diese nun durch die Zusammenarbeit mit dem „Kulturerbe Bayern“ gekommen.
Eine Anmerkung aus der Sicht des Historikers sei erlaubt. Was es mit der spätmittelalterlichen Geschichte der Judengasse auf sich hat, ist mir immer noch nicht ganz klar. War das wirklich ein geschlossener jüdischer Wohnbezirk? Bisherige archäologische Befunde konnten da nicht weiterhelfen. Es besteht eindeutig Forschungsbedarf.
Zu den positiven Aspekten des verflossenen Vereinsjahres zählte sicherlich Folgendes:
Oberbürgermeister Hartl stellte in einer Ausschusssitzung Frau Gutzeit vor, die in den nächsten drei Jahren für das Landesamt für Denkmalpflege eine Rothenburger Denkmaltopographie erstellen wird. Das Werk wird mit Farbbildern gedruckt und wird natürlich eine Menge kosten. Frau Gutzeit möchte gerne mit dem Verein zusammenarbeiten, was ihr zugesagt wurde.
Trotz gewisser Unklarheiten mit der Stadt über die Finanzierung konnte im Rahmen unserer „kleinen Kostbarkeiten“ das romanischen Biforienfenster an der Klosterweth renoviert werden. Vielleicht wird man sich bei den nächsten derartigen Aktionen besser absprechen müssen. Eine Drittelfinanzierung ist weiterhin das Ziel: Verein, Stadt, Eigentümer inklusive Spenden. Der Verein wird die „Kleinen Kostbarkeiten“ in gleicher Höhe wie die Stadt bezuschussen. Dabei muss angemerkt werden, dass Zuschüsse der Stadt in diesem Bereich ja nicht dem Verein, sondern der Erhaltung der historischen Substanz Rothenburgs zugutekommen.
In der Ausschusssitzung vom 24. Oktober 2017 dankte unser 1. Vorsitzender den Initiatoren der Unterschriftenaktion zur „Rettung des Wildbades“ als Tagungsstätte in der Hand der ev. Landeskirche; namentlich erwähnt seien Birmann, Knoll-Schäfer, Wüllner und Zerkowski. Eine entsprechende Unterschriftenliste wurde von den meisten Anwesenden unterschrieben. Zum Glück hat sich das Ganze in Wohlgefallen aufgelöst, die Landeskirche hat sich entschlossen, das Wildbad weiterhin zu betreiben. Der mögliche Verkauf an einen privaten Investor (Ziel: Hotel im Zusammenhang mit dem Hotel „Rappen“ vor dem Galgentor) wurde damit ad acta gelegt.
Gedankt werden muss Stadtbaumeister Knappe, der Frau Däschner und Herrn Tittmann bei der Renovierung des Hohennersturms umfangreiche Untersuchungen zur Baugeschichte des Turms (Steinmetzzeichen etc.) ermöglicht hat.
Zu einem problematischen Vorgang im letzten Vereinsjahr muss aber leider auch einiges gesagt werden.
Sorgen bereitet uns der geplante Anbau eines Balkons an der Klosterscheune in Richtung Klostergarten. Die Sache hat ja eine lange Vorgeschichte. Als die jetzigen Besitzer die Scheune vor rund 30 Jahren erwarb und zu Wohnzwecken umbauen wollte, hat sich der Verein heftig dagegen gewehrt, dieses hochrangige Scheunendenkmal zu verändern. Wir haben damals, wenn auch ohne Erfolg, sogar eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht. Die Bauwerber wissen also ganz genau, wie man mit diesem alten Wirtschaftsgebäude umgehen sollte. Die von ihnen beantragte Veränderung der Dachlandschaft durch weitere Gaupen sowie der vorgesehene Balkon werden den Scheunencharakter sowohl ästhetisch als auch substantiell weiter beschädigen. Ob ein von unserem Verein zähneknirschend vorgeschlagener Kompromiss eine Chance haben wird, ist derzeit noch ungewiss. Zudem handelt es sich um einen Präzedenzfal, ein beängstigendes Signal. Wem könnte man in Zukunft verbieten, sich an einem zwar nicht straßenseitigen, aber dennoch gut einsehbaren, das Stadtbild womöglich prägenden Haus einen Balkon anzubringen? Gilt das im Extremfall auch für die auf der Stadtmauer sitzenden Häuser zum Burggarten hin? Die sind sicher nicht „straßenseitig“.Werden auch hier Balkone genehmigt werden, weil sie „einfach zum modernen Wohnen dazugehören“?
Die Zustimmung des Stadtrats vom 1. März 2018 zum Balkon an der Klosterscheune ist „einfach unsäglich“, ein „rabenschwarzer Tag für den Denkmalschutz“ in Rothenburg, wie unser 1. Vorsitzender in einem Leserbrief an den „Fränkischen Anzeiger“ formulierte.
Sinnvoll wäre es, die Baugestaltungsverordnung Rothenburgs insofern zu verändern, als man nicht nur zur Straßenseite hin, sondern auch an Gebäuden, die von öffentlichen Verkehrsflächen gut einsehbar sind, Balkone prinzipiell verbieten sollte. (Über Ausnahmen kann man im Einzelfall jederzeit reden.)
Der Verein Alt-Rothenburg wurde in der Vergangenheit immer wieder als „Wächter der Altstadt“ bezeichnet. Dass das auch in Zukunft so bleiben möge, ist zu hoffen. Wir benötigen dafür Verständnis im Stadtrat und bei den städtischen Behörden sowie die Unterstützung unserer zahlreichen Mitglieder.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Dr. Richard Schmitt
Schriftführer des VAR