Jahresbericht 2000/01
Jahresrückblick 2000/2001
Man wird immer mal wieder darüber streiten dürfen, was für den Verein Alt-Rothenburg ein gutes und was ein schlechtes Jahr gewesen ist. Manche werden der Auffassung sein, der Rückblick auf ein gutes Jahr beinhalte erstens die üblichen Leistungen des Vereins in der Unterstützung der Geschichtsforschung und –schreibung, zweitens sein je nach Finanzlage größeres oder bescheideneres Engagement als Mäzen des Reichsstadt-Museums und drittens auch eine positive Zusammenarbeit mit Stadtrat und Stadtbauamt in Fragen der Denkmalpflege, eine harmonische und unauffällige Beziehung, ein am „Gleichen-Strang-Ziehen“, das zur Erhaltung und Rettung von manch gefährdetem und liebenswertem Alt-Rothenburger Mosaikstein führen konnte. Solche Jahre hat es sicherlich immer wieder gegeben, und es waren in der Tat gute Jahre, wenn etwa der Verein durch die Sanierung der Judengassenhäuser im Einklang mit der Stadt und mit ihrer Hilfe ein Zeichen setzte. Diese Jahre gab es – ich könnte weitere Beispiele nennen – und wird es hoffentlich wieder geben.
Daneben war es über lange Jahrzehnte immer wieder der Fall, dass der Verein in denkmalpflegerischen Fragen mit seinen Vorstellungen und Initiativen keinen großen Erfolg hatte, obwohl er seine Bedenken mehr oder weniger deutlich und öffentlich geltend machte. Man verstand sich als eine Gruppe interessierter Laien, als eine Bürgerinitiative, deren Ziele in einer an Kommerz und Show orientierten Gesellschaft eben schwer vermittelbar sind und die folglich mit Niederlagen leben muss und kann, was nicht zwangsläufig zum Verlust der Vereinsidentität führen wird. Sind wir hier gescheitert, haben wir vielleicht nächstes Mal Glück; ein bisschen für Alt-Rothenburg, was immer das sein mag, zu erreichen ist besser als gar nichts. Die Lokalpresse hat den Verein in der Vergangenheit der „Geheimdiplomatie“ in Zusammenarbeit mit der Stadt bezichtigt, wenn man unter Vermeidung der öffentlichen Konfrontation versuchte, zu verträglichen Lösungen zu kommen. Nun gut, die Presse hat natürlich ein Interesse an lautstarken Streitereien, an der „Sensation“, die sie leider Gottes in dieser Stadt zum Beispiel in einem künstlich hochgespielten Streit zwischen Denkmalpflege und der Pfarrgemeinde St. Jakob sucht und findet.. In diesem Zusammenhang gebe ich aber zu: Wir müssten die Lokalzeitung stärker darauf hinweisen, was in unseren Interessensgebieten läuft in und um Rothenburg, wir müssten die Pressearbeit verstärken, ganz ohne Zweifel.
Und dann gab es auch andere Jahre, nämlich die Krisenjahre, die Konfliktzeiten, in denen sich der Verein offensiv und lautstark einmischte in Fragen der Erhaltung und Pflege der historischen Stadt Rothenburg. Seit seiner Gründung vor mehr als 100 Jahren, als er gegen den Hirschen-Neubau anging und Sturm lief, hat der Verein immer mal wieder auf die große Pauke gehauen, hat Zähne gezeigt und zugebissen. Dass er sich dabei, obwohl gewiss keine Ansammlung von Extremisten und Radikalinskis, sondern eher Teil des städtischen Establishments, Leute verärgerte und selbst oft gewaltigen Ärger bekam, war die logische Konsequenz. Ein solches Jahr, ein Jahr des Streites, waren die vergangenen 14 Monate ohne Zweifel. Ob es ein gutes Vereinsjahr war, wird die Zukunft zeigen.
Lassen Sie mich die Geschehnisse des verflossenen Jahres kurz referieren.
Nach der Jahreshauptversammlung am 17. Mai 2000 schien das Vereinsleben in den gewohnt ruhigen, gemächlichen Bahnen fortzuschreiten. Man hatte sich endlich über die Jahresgabe 2000, die Arbeit von Frau Heilmann über das Wildbad, geeinigt und wollte sich dem modernsten aller Medien, dem Internet verstärkt zuwenden. Doch am 22. Mai, einem Montag, las unser 1. Vorsitzender zufällig in der Zeitung, am Abend des selben Tages würde im Bauausschuss ein geplanter Übergang zwischen zwei Gebäuden in der Klostergasse und im Klosterhof besprochen. Es ging offenbar um die Klosterscheune, und das konnte und durfte nicht wahr sein. Keine Einladung des Baubeirates und damit des Vereins Alt-Rothenburg in einer denkmalpflegerisch heiklen Angelegenheit! Zumal wegen der Klosterscheune, für die der Verein vor Jahren auf die Barrikaden gestiegen war! Der 1. Vorsitzende machte sich sachkundig, gemeinsam mit dem Schriftführer wurde ein Brief an die Mitglieder des Bauausschusses verschickt, in dem man vor allem darum bat, die Sache nicht bereits am gleichen Abend zu entscheiden, sondern zumindest einen Ortstermin anzuberaumen. Dieses Vorgehen war natürlich nicht mit den übrigen Mitgliedern des Vorstandes und des Ausschusses abgesprochen, das konnte es, da sich der Vorgang innerhalb weniger Stunden abspielte, auch gar nicht sein. Dass es an meinem Einspruch und an dem des 1. Vorsitzenden formaljuristische und offenbar beleidigte Kritik seitens des Stadtrates gab, mag auf vielerlei Ursachen zurückzuführen sein, über die ich hier nur spekulieren kann.
Hat man den Verein einfach vergessen, war man sich über die Brisanz der Angelegenheit nicht im Klaren? Möglich. Hat man ihn bewusst übergangen, weil man seinen mit Sicherheit zu erwartenden Appell an die Öffentlichkeit fürchtete? Oder hat der Verein in der Stadt derzeit lediglich die Position einer kleinen Randgruppe, die man nach Belieben zuzieht oder links liegen lässt?
Der Baubeirat ist bei der augenblicklichen Rechtslage die einzige Chance für den Verein, an Informationen über fragwürdige Bauvorhaben in der Stadt heranzukommen und seine Meinung zu äußern. Es war in meinen Augen eindeutig eine Missachtung des Vereins, eine Verletzung von geschriebenen und überdies traditionellen Regeln, ein Skandal, wenn in diesem Falle der Verein nicht beigezogen wurde. Das konnte man nicht mehr schlucken, das war zuviel.
Die Reaktionen aus Teilen des Stadtrates, die das böse Foul gegenüber dem Verein durch die Hinweise auf einen läppischen Regelverstoß unsererseits, nämlich das unautorisierte Schreiben an den Bauausschuss, zu relativieren versuchten, ließen nichts Gutes ahnen.
Und es kam auch nichts Gutes nach. Aus dem Umkreis der Bauwerberin unsachliche, absichtlich verletzende und mehr als geschmacklose Äußerungen in Leserbriefen der Lokalzeitung. Damit war zu rechnen, damit muss der Verein leben können. Auf Attacken auf diesem Niveau sollten wir im Grunde gar nicht antworten, und wir haben es auch nur im unbedingt notwendigen Umfang getan. Verfolgen Sie ruhig den Leserbriefwechsel aus jenen Tagen einmal nach! Bilden Sie sich selbst Ihr Urteil!
Dass uns auch aus dem letztlich entscheidungstragenden Gremium des Bauauschusses, also des Stadtrats, ein kalter, ja teilweise ein eisiger Wind ins Gesicht blies, hat mich damals ebenso verwundert wie heute. Weniger unsere Argumentation in der Sache scheint Thema gewesen zu sein als die vermeintliche Anmaßung des Vereins, sich bei Bausachen zu Wort zu melden. Wie bereits erwähnt ist das einerseits sein gutes Recht, der Verein muss manchmal gehört werden, andererseits ist es seine Verpflichtung, sich zum Anwalt bedrohter Baudenkmäler zu machen. Wenn man sich aus Kreisen des Stadtrates „Nachhilfe“ seitens des Vereins, wenn man sich Rat verbittet, wenn man gar den Stadtrat zum „Souverän“ der Stadt erklärt – der zitierte Stadtrat hat offenbar im Sozialkundeunterricht schlecht aufgepasst – , dann offenbart sich ein unzureichendes Demokratieverständnis – Note 6 – und zugleich ein Mangel an Gesprächsbereitschaft.
Ein Versuch, dem Verein durch einen geradezu widersinnigen Hinweis auf seine – gewiss nicht immer einwandfreie – Rolle in der Stadtgeschichte Inkompetenez und Inkonsequenz nachzuweisen, war das Sahnehäubchen; es wurde nämlich unterstellt, der Verein habe vor gut hundert Jahren beim „Hirschen“-Neubau eine unglückliche Rolle gespielt. Der Leserbrief von Hans Winnerlein, dem ich hier danken möchte, rückte die Dinge zurecht. Fest zu halten ist, dass wir uns seitens des Bauausschusses in der Angelegenheit Klosterscheune und wohl auch hinsichtlich der Stellung des Vereins in Denkmalschutzfragen überhaupt keiner großen Beliebtheit erfreuten.
Auch die Presse war uns nicht wohlgesonnen. Wir wurden nicht um unsere Meinung gebeten, niemand kam auf uns zu – wie seit langem. Die Thematik interessiert im „Fränkischen Anzeiger“ nicht bzw. erst dann, wenn ein bestimmter Klamaukfaktor erreicht zu sein scheint. Die Karikatur von Robert Hellenschmidt, die den Verein in der Gestalt des Don Quichote zeigt, der an eingebildeten, nur in seiner Wahnwelt vorhandenen und übermächtigen Gegnern scheitert, mag noch zwiefältig interpretiert werden können; Don Quichote ist immerhin eine im Grunde ehrbare Figur, wenngleich eine belächelnswerte. Die Bildunterschrift in der Zeitung, von wem auch immer entworfen, suggeriert jedoch, auch die Basis des Vereins, folglich die Mitglieder, unterstellten uns, wir hätten uns im Vorgehen gegen die Bauangelegenheit Klosterscheune lächerlich gemacht, uns in die Ecke der von vorneherein zum Scheitern verdammten Fundamentalisten etc. gestellt. Das scheint mir nicht so zu sein. Viel Zuspruch von Rothenburgern hat mir gezeigt, dass unser Engagement in Sachen Klosterscheune nicht ungehört blieb und durchaus auch positiv bewertet wurde.
Ich habe es in den vergangenen Jahren immer und immer wieder gesagt und geschrieben: Wir sind kein realitätsfremder, versponnener Zirkel von Vertretern einer „Reinen Lehre“, wir sind auch kein asozialer Haufen von rückwärtsgewandten Spinnern, die es Menschen zumuten, in Wohnverhältnissen des 19. Jahrhunderts zu leben. Unsere Häuser in der Judengasse beweisen eigentlich das Gegenteil dessen, was man uns ein ums andere Mal unterstellt. Es ist dümmlich oder perfide oder beides zugleich, dem Verein die Narrenkappe der „Reinen Lehre“ aufzusetzen; diese von welchen Interessen auch immer gelenkte Taktik kann im tagespolitischen Geschehen hin und wieder aufgehen, kann zum Erfolg führen, wird aber auf Dauer stets Gegenwehr erzeugen und gewiss nicht das Wohl der Denkmalpflege in Rothenburg befördern. Wir lassen uns nicht in die Ecke der utopieversessenen Eiferer stellen, unser Blick geht nicht nur in die Vergangenheit, sondern er reicht auch und ziemlich intensiv in die Zukunft.
Die Affäre um die Klosterscheune hat uns wieder einmal unsere Grenzen erkennen lassen, hat uns aber auch das Gefühl vermittelt, dass wir noch wahrgenommen werden in dieser Stadt, dass unsere Stellungnahme Reaktionen hervorruft. Das Schlimmste für den Verein wäre, wenn man ihn in der Öffentlichkeit nicht mehr bemerken würde, wenn man ihn zum Honoratiorenzirkel oder zur im Elfenbeinturm tagenden Ansammlung von hysterischen Klageweibern degradieren könnte. Das soll und kann nicht geschehen; wir wollen auch weiterhin nicht Öl, sondern Sand sein im Getriebe der Stadt Rothenburg mit ihrer unmessbar großen Bürde des historischen Erbes. Dieses Erbe verpflichtet, es stellt die Verantwortlichen der Stadt, jeden einzelnen Hausbesitzer und nicht zuletzt den Verein Alt-Rothenburg vor die unendlich reizvolle und verantwortungsvolle Aufgabe, diese Vergangenheit zu erforschen und die auf uns gekommenen Substanz zu erhalten. Beides, die Geschichtsforschung wie die Denkmalpflege, sollten wir hier in Rothenburg auf einen Standard bringen, der den Anschluss hält oder findet an moderne wissenschaftliche Erkenntnisse und die aktuelle öffentliche Diskussion über diese Fragen zumindest kennt. Dass es sich dabei um eine schwierige Aufgabe handelt, dass wir eine kleine Minderheit darstellen, sobald wir uns anmaßen, das Dauer-Reizthema, nämlich den Widerstreit ökonomischer Interessen mit Erfordernissen der Stadt- und Denkmalerhaltung zur Sprache zu bringen, dass wir mit Unkenntnis, Unverständnis und – wie eh und je – in einzelnen Fällen auch mit Feindschaft rechnen müssen, ist uns allen klar. Der Verein muss solche Konflikte ausfechten, er muss auch Niederlagen ertragen können. Denn er wäre nicht mehr er selber, würde er allzusehr zwischen den Fronten lavieren. Wir werden unbequemen Themen auch in Zukunft nicht aus dem Weg gehen.
Angesichts der Affäre Klosterscheune Nr. 2 und der noch längst nicht entschiedenen Angelegenheit mit dem Brauhausgelände möchte ich hier etwas anmerken. Man hat es der Vereinsführung immer mal wieder süffisant unter die Nase gerieben, sie lasse sich von Einzelinteressen für deren eigensüchtige Ziele instrumentalisieren. Soll heißen, unser 1. Vorsitzender, der in der örtlichen Hotellerie kein Unbekannter ist, nutze seine Position aus. Soll heißen, die in unserem Kreis vertretenen Architekten, Künstler oder Restauratoren möchten über den Verein ihre Geschäfte befördern. Dem war und ist nicht so. Bei entsprechenden Diskussionen haben sich die in Frage kommenden Vorstands- bzw. Ausschussmitglieder sehr zurückgehalten, haben sachlich mitgearbeitet. Dass ein gewisser Verdacht zurückbleiben wird, dass immer etwas hängenbleibt, ist klar. An der persönlichen Integrität unseres 1. Vorsitzenden mag ich nach fünfzehnjähriger Zusammenarbeit aber nicht zweifeln. Persönliche Vorteile hat ihm seine Tätigkeit für den Verein wohl nicht verschafft, dagegen aber eine Unmenge an Arbeit und Konflikten.
Kaum war die Auseinandersetzung um die Klosterscheune vorbei, entstand der nächste, von uns eigentlich gar nicht geplante Krach, der in der Lokalzeitung ein entsprechendes und für uns alles andere als günstiges Echo fand. Ekkehart Tittmann, unserem 2. Vorsitzenden, war bekannt geworden, dass im Zusammenhang mit der Wiederaufstellung des Mariä-Krönungs-Altars in der St.-Jakobs-Kirche die 1962 freigelegte Scheinarchitektur-Malerei eines Renaissance-Fensters (wie man damals noch vermutete) an der Stirnwand des nördlichen Seitenschiffs zugetüncht werden sollte. Mit Zustimmung des Landesamtes für Denkmalpflege, das das ästhetische und liturgische Konzept von St. Jakob abgesegnet hatte. Herr Tittmann beantragte in einer Ausschußsitzung, der Verein möge sich an St. Jakob wenden und um die Erhaltung des Wandgemäldes bitten. Der Ausschuss folgte seiner Argumentation und stimmte mit großer Mehrheit einer Initiative zur sichtbaren Erhaltung der Malerei zu, das zweifelsohne ein bedeutendes Zeugnis der ersten protestantischen Umgestaltung der Rothenburger Hauptkirche ist. Ein Brief an St. Jakob wurde verfasst, vom 1. und 2. Vorsitzenden autorisiert bzw. unterschrieben. Es kam anders als man es erhoffte. Ein Zeitungsartikel spielte die im Grunde für den Verein gar nicht so essentielle Frage hoch, ärgerliche und manchmal nachvollziehbare Reaktionen seitens der Kirchengemeinde waren die Folge. Ich möchte im Nachhinein betonen, dass der Verein im Zusammenhang mit St. Jakob andere Themen als die Erhaltung der Renaissance-Malerei nie offiziell behandelt hat; weder über die Eintrittspreise in St. Jakob noch über die Wiederaufstellung des neogotischen Mariä-Krönungs-Altars, gegen die man meiner Meinung nach durchaus berechtigte Argumente vorbringen kann, wurde bis dahin jemals im Ausschuss gesprochen. Es ging ausschließlich darum, das Bauzeugnis der Zeit um 1600 dem Besucher der Kirche als Dokument einer bestimmten und wichtigen kirchengeschichtlichen Epoche auch in Zukunft vor Augen zu führen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Schließlich kam es zu einer Aussprache zwischen dem Kirchenvorstand von St. Jakob und dem Vereinsausschuss, in der zunächst Ekkehart Tittmann und Dekan Dr. Wünsch ihre Sichtweise der Dinge darlegten. Anschließend ereignete sich etwas für mich völlig Neues, Ungewöhnliches, nämlich eine in der Vereinsgeschichte selten stattgefundene, öffentliche Zerfleischung des Ausschusses. Ich erwarte ja nicht, dass die Ausschussmitglieder geschlossen, wie ein monolithischer Block immer hinter der Vorstandschaft oder auch nur einzelner ihrer Mitglieder stehen, aber dieses beinahe chaotische Bild, das der Ausschuss in dieser Sitzung abgab – und zwar öffentlich ! – , ist das einzig Peinliche, das ich in all den Querelen des vergangenen Jahres erkennen kann. Die anschließende interne Abstimmung ergab dann, dass der Verein gegen eine Übertünchung der umkämpften Malerei in St. Jakob nichts mehr einzuwenden hatte.
Mit dieser Lösung kann man leben, meine ich, wenngleich mir eine Aufstellung des neuen Altars an der Stirnseite des südlichen Seitenschiffs immer noch als praktikable Lösung des Streites erschiene. Eben als Kompromi
s. Unser Ausschussmitglied Prof. Borchardt hat in Leserbriefen seine Ansicht der Dinge dargestellt; da konnte man vielleicht ein laues Sowohl-als-auch herauslesen, ebenso aber ein „Der Verein hat es besser gewusst, eine Zutünchung und damit Vertuschung von Geschichte widerstrebt ihm; wenn die Kirchengemeinde allerdings anderer Ansicht ist, muss man das hinnehmen und sich, da mehr nicht zu erreichen ist, mit einer sachgemäßen Konservierung des Denkmals zufrieden geben.“ Der Verein hat dies aus inhaltlichen Gründen akzeptiert, und auch ich kann mich damit abfinden.
Für Ekkehart Tittmann war jedoch das Scheitern in dieser Angelegenheit, seine auch persönliche Enttäuschung, offenbar der Anlass, dem Verein öffentlich mahnende Worte ins Stammbuch zu schreiben. Ich kann ihn einerseits gut verstehen, bin allerdings zugleich ob seiner mit dem restlichen Vorstand nicht abgesprochenen Reaktion verwundert. Summa summarum bedaure ich seinen Rücktritt zutiefst, da er zu denjenigen gehört und hoffentlich auch in Zukunft gehören wird, die sich ernsthaft und zudem qualifiziert, ja leidenschaftlich um die Erforschung und die Erhaltung Alt-Rothenburgs kümmern. Ich wünsche sehr, dass Ekkehart Tittmann auch weiterhin im Verein Alt-Rothenburg mitarbeitet, wie auch immer dies Kooperation aussehen kann.
Und dann kam die Sache mit dem Brauhaus, die ja noch längst nicht abgeschlossen ist. Wir sind mit folgender Argumentation an die Öffentlichkeit getreten und haben darum gebeten, in der Angelegenheit nichts zu überstürzen und vom Brauhausensemble so viel wie möglich zu retten. Ich zitiere aus der damaligen Stellungnahme des Vereins:
Das von der ehemals bedeutenden Brauerei vor dem Klingentor als einziges Gebäude aus der Gründerzeit erhaltene Sudhaus befindet sich in einem beklagenswerten Zustand, das ist offensichtlich. (Nebenbei: Warum hat man das stattliche Haus eigentlich so herunterkommen lassen, warum unterblieben selbst einfachste Sicherungsmaßnahmen?) Klar ist auch, dass es sich um eines der wenigen Zeugnisse der historisierenden Industriearchitektur aus der Zeit um 1900 handelt, die in Rothenburg noch existieren, eben um ein Technik-Denkmal. Gleichzeitig gehört das Brauhaus zu jenem Ensemble rings um die Stadtmauer aus einerseits öffentlicher und andererseits privater Architektur der Kaiserzeit, das mit den Stichworten Schlachthof, Luitpoldschule, Amtsgericht, ehemaliges Gymnasium am Bezoldweg sowie Villen- und einfachere Wohnhausbebauung grob umrissen werden mag. Und zum dritten ist das ehemalige Brauhaus mit seinem parkartigen bzw. parkfähigen Garten auch Teil des Grüngürtels um die Altstadt, auf den die Rothenburger zu Recht so stolz sind.
Für den Verein ergeben sich folgende Konsequenzen:
Das Sudhaus darf als „Technisches Denkmal“ nicht einfach abgerissen werden, es muss erhalten werden und in jede denkbare Form der Neunutzung mit seiner historischen Gestalt eingebunden werden. Es ist kein „Restgebäude“, das kurzsichtiger Profitmacherei zum Opfer fallen darf, sondern ein eigenständiges, markantes und wichtiges Objekt. Wir befürchten, dass aus dem „Restgebäude“ demnächst eine „Teilruine“ und schließlich ein Fall für die Abrissbirne wird. Das kommt für uns nicht in Frage. Auch ein Gebäude, das nicht in der Denkmalliste der Stadt enthalten ist, kann ein schützenswertes Bauwerk sein. Das Landesamt für Denkmalpflege hält das Sudhaus durchaus für ein Baudenkmal, das zu erhalten ist.
Eine schnelle, ja übereilte Beschlussfassung über das Brauhausgelände ist nicht nötig. „Investoren“ kommen und gehen, sie mögen Nutzen stiften oder Schaden anrichten, vorübergehend oder dauerhaft. Das Brauhausgrundstück ist ein derart wertvolles und für die Stadt wichtiges „Filetstück“, über dessen zukünftige Nutzung man lange und gründlich nachdenken sollte. Insofern warnen wir vor übereilten Schritten seitens der Stadt und erwarten bei jedem in Frage kommenden Projekt neben der Erhaltung des Sudhauses auch eine Verträglichkeit der Neubebauung im Hinblick auf das Stadtbild, die unmittelbare Nachbarschaft sowie den Grüngürtel um die Stadtmauern.
Angemerkt sei, dass der (zweifelsohne kommende) Verdacht, die Position des Vereins werde in dieser Angelegenheit durch geschäftliche Interessen einzelner Vorstands- bzw. Ausschussmitglieder beeinflusst, ohne Grundlage ist. Seit einiger Zeit bemüht sich eine Arbeitsgruppe des Vereins, die Baudenkmäler Rothenburgs außerhalb der Altstadt zu erfassen. Sie wollte im Fall des Brauhauses in näherer Zukunft vorstellig werden, wurde aber von den Ereignissen überrollt. Soll heißen: Der Verein hätte sich demnächst sowieso für das Sudhaus stark gemacht, auch unabhängig von den momentanen Querelen wegen der zukünftigen Entwicklung des Brauhausareals.
Auch das Brauhaus ist ein Stück Alt-Rothenburg. Seine denkbare, unter Umständen auch schon geplante, möglichst in aller Stille stattzufindende und im Nachhinein mit Krokodilstränen betrauerte Beerdigung können wir nicht so ohne weiteres akzeptieren.
Im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung der Klosterscheune und den Brauhaus-Planungen ist mir aufgefallen, dass in unserer altehrwürdigen Stadt mit harten Bandagen gekämpft wird. Da ist nichts von Spitzweg-Romantik oder Weihnachtsdorf-Idylle zu spüren, da fühlt man sich eher an die hassdurchtobte Zeit des Dreißigjährigen Krieges erinnert, wenn man so manchen miserabel-polemischen Leserbrief im Nachhinein liest oder an die ominöse „Schwarze Liste“ denkt, mit der man auf das Abstimmungsverhalten der Stadträte in Sachen Brauhaus hinwies. Das i-Tüpfelchen angesichts dieser rauhen Sitten war wohl die „Verlängerung“ der Adventszeit um eine Woche, eine dem Kommerz zuliebe gegen den Widerstand der evangelischen Kirche durchgezogene Geschmacklosigkeit, die mit ihrer Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Althergebrachten dem Geist Alt-Rothenburgs eklatant widerspricht.
Diesen überwiegend negativen Beobachtungen in meinem Rückblick möchte ich nun Positives gegenüberstellen.
Wir haben im letzten Jahr verschiedene Ansätze zu einer effektiveren, nachhaltigeren Denkmalpflege durch den Verein diskutiert. Erste Vorarbeiten zu einer Inventarisierung der Rothenburger Baudenkmäler, zu denen auch die einfachen Häuser und Scheunen gerechnet werden sollen, haben durch einen Arbeitskreis um die Ausschussmitglieder Konopatzki, Dr. Möhring und Gustav Weltzer begonnen. Es sollen in der Art eines provisorischen , vorläufigen Häuserbuches besonders gefährdete Objekte erfasst, beschrieben und erforscht werden, um den Hausbesitzern und den Behörden eine Art Wegweiser zu liefern. Natürlich stehen solche Projekte erst am Anfang, natürlich sind sie von einer kleinen Gruppe allein nicht vollständig realisierbar, es können vorläufig nur die berühmten Tropfen auf den heißen Stein sein. Aber auch ein Mammutwerk will einmal angegriffen sein.
Vorarbeiten zu einem anderen Aspekt der Denkmalpflege wurden auch auf einem anderen Gebiet geleistet. Für den nördlich vor dem mittelalterlichen Rothenburg gelegenen Vorstadtbereich in Richtung Heckenacker wurden interessante und historisch bemerkenswerte Bauwerke – ich sage nicht einmal Baudenkmäler im herkömmlichen Sinne – erfasst und dem Ausschuss vorgestellt. Dieses Vorhaben wird hoffentlich in den anderen Vierteln der Stadt des 19. und 20. Jahrhunderts fortgesetzt werden. Ich meine nämlich, auf Dauer kommt der Verein nicht darum herum, sich auch verstärkt um solche Dinge zu kümmern. Zur Kenntnis genommen haben wir das natürlich seit langem, uns ist klar, dass es auch dort Gebäude und Ensembles gibt, die als solche schützenswert sind und der Stadt ihr Gepräge und ihre Identität verleihen. Beim Stadtbauamt wissen wir dieses Anliegen in guten Händen; es geht mir eigentlich eher darum, die Öffentlichkeit, die Presse und die Hausbesitzer für diese Thematik zu sensibilisieren.
Ein kleiner Einschub am Rande: Die Arbeit des Stadtbauamtes erfährt immer mal wieder durch den Verein, sei es in öffentlicher Anklage oder – häufiger natürlich – in unseren Ausschusssitzungen Schelte und Kritik. Das muss so sein, das gehört zu den ureigensten Aufgaben des Vereins. Und es ist auch ernst gemeint, es handelt sich nicht um Spiegelfechtereien oder Schattenboxen. Trotz dieser unvermeidlichen Differenzen ist das Stadtbauamt ein wichtiger Partner für uns, der sich nach Kräften bemüht, die Fahne der Denkmalpflege in Rothenburg angesichts der politischen, sagen wir ruhig der Machtverhältnisse so hoch wie möglich zu halten. Es wird so manchem Bauwerber so mancher Kompromiss abgerungen, man berät und entwirft Alternativvorschläge, und es wird so bei so manchem Projekt mehr an Denkmalschutz verwirklicht, als man es ursprünglich erwartet hat. Ich denke etwa an die Brauhausscheune, bei der sich die Maximalforderungen des Landesamtes wie fast immer nicht durchsetzen ließen. Das Stadtbauamt hat intelligente und tragbare Alternativen gefunden, für die man sich sicher nicht schämen muss. Dieser eher verschämte Dank an das Stadtbauamt, nicht zuletzt an Herrn Stadtbaumeister Mühleck, seitens der Vertreter der „Reinen Lehre“, der Halter der „Heiligen Kühe“ sollte hier bei allen Meinungsverschiedenheiten nicht fehlen. Ohne das Stadtbauamt sähe Rothenburg anders aus – anders, aber nicht besser. Bei allem Lächeln über die konservative Linie dieser Stadt, über ihren „Baufolklorismus“, über ihr teilweises Festhalten an den Maßstäben der Jahrhundertwende – ich meine die um 1900 – , wie sie sich etwa in der Beschilderung der Sehenswürdigkeiten der Stadt im althergebrachten Stil äußerte, muss man beim oft geforderten Blick über die Stadtmauern doch feststellen, dass woanders, eben in Städten mit vergleichbarer historischer Substanz, vieles anders ist als in Rothenburg – anders und schlechter nämlich. Halten Sie einmal die Augen auf, wenn Sie in süddeutschen Kleinstädten spazieren gehen!
Es war, wie Sie den bisherigen Ausführungen entnehmen können, ein turbulentes Jahr für den Verein, ein aufsehenerregendes, ein arbeitsreiches, ein zerstrittenes Jahr. Ob es gutes Jahr war, wissen wir noch nicht.
Eine positive Bilanz ist sicherlich zu ziehen, wenn wir die Vorträge des Winterhalbjahres betrachten, organisiert von Herrn Tittmann, der diesmal vorwiegend einheimische Referenten gewonnen bzw. Themen ausgewählt hatte, die unmittelbar mit der Stadtgeschichte zu tun hatten. Ekkehart Tittmann hat durch die aufwendige und liebevolle Bebilderung der Vorträge mit vielen Dias die Attraktivität unserer Winterveranstaltungen für das Publikum außerordentlich erhöht, so dass gelegentlich überaus viele Besucher den Weg zu uns fanden. Ihm sei hier Dank und Anerkennung ausgesprochen.
Den Auftakt der Vortragsreihe bildete eine zugleich humorvolle und ernsthafte Reise in die bäuerlicher Vergangenheit des Rothenburger Umlandes, die von Altbürgermeister Wittmann aus Gattenhofen veranstaltet wurde. Es war ein Dialekt-Abend der außergewöhnlichen Art. Herr Wittmann sprach selbstverständlich und selbstbewusst in der Mundart seines Dorfes, doch geriet der Vortrag bei allem Heiteren, Anekdotischen und Kuriosen nie zur sentimentalen oder naiven Nabelschau eines gemütlichen alten Herrn. Im Gegenteil – neben der Geborgenheit der „guten alten Zeit“, die natürlich zu ihrem Recht kam, wurden auch deren Schattenseiten, ihre Armut und ihre harten Lebensbedingungen dem Zuhörer manchmal recht drastisch vor Augen geführt. Mehr als einmal musste sich die Gegenwart an den Maßstäben der Vergangenheit messen lassen. Und sie schnitt nicht immer gut dabei ab.
Rüdiger Kutz vom Landesamt für Denkmalpflege, Außenstelle Seehof bei Bamberg, sprach über Rothenburger Bauhandwerker des 17. Jahrhunderts. Man erfuhr, wie viele unerforschte Quellen es in dieser Hinsicht noch gibt, man wäre froh, wenn man diese Quellen für die hiesige Hausforschung nutzbar machen könnte.
Anke Köber, die junge Archäologin, die in der Judengasse einen Stadtmauerturm der ältesten in Stein errichteten Rothenburger Stadtbefestigung ausgegraben hat, stellte ihre bisherigen Ergebnisse in einem ebenfalls sehr gut angenommenen Vortrag vor. Manche Skeptiker wurden widerlegt, die die groß angelegte Grabungskampagne eher madig gemacht hatten. Was wird denn dabei schon herauskommen? Dass es da einen Mauerturm gibt, weiß man doch seit langem. Woanders kommt man da doch viel leichter ran usw.. Frau Köber hat mit ihrer bisherigen Arbeit doch viel mehr erreicht, und sie konnte zum Glück ihre Arbeit im Jahr 2001 fortsetzen. Die Finanzierung wurde durch das Entgegenkommen der Stadt gesichert. Zugleich ist in diesem Zusammenhang neben der Stadt auch den Grundstückseigentümern, der Familie Fischer-Zolk, zu danken, die diese Grabung durch ihre Zustimmung und Förderung erst ermöglichte. Dank sei auch den anderen „Sponsoren“ und Geldgebern gesagt, nicht zuletzt Peter Schaumann, der die Forscherin großzügig unterstützte. Der Anteil des Vereins an dieser Ausgrabungstätigkeit war relativ gering; bisher haben wir lediglich 5000.- DM investiert, ansonsten war es Ekkehart Tittmann, der um Unterstützung für das Projekt warb. Vielleicht haben wir dennoch durch unsere ideelle Förderung ein bisschen dazu beigetragen, dass es initiiert und durchgeführt werden konnte.
Hermann Jakobi, ein „proletarisches“ Urgestein aus der jüngeren Rothenburger Stadtgeschichte, hat im letzten Vortrag der Vereinsjahre seine aus vielfältigen Sammlungs- und Forschungsarbeiten resultierenden Ergebnisse über die Rothenburger Stadtgeschichte von 1900 – 1945 teilweise vorgestellt. Sein Engagement, das auch den Kampf gegen das Vergessen und Verdrängen der Nazivergangenheit umfasst, wird hoffentlich nicht unbeachtet bleiben.
Die Beschäftigung mit dem Dritten Reich, dem Horror-Staat schlechthin, wird so schnell nicht enden in Deutschland, auch wenn manche nichts lieber sähen als das. Auch in Rothenburg werden die Gespenster der Vergangenheit immer wieder aus ihren Löchern auftauchen und ihre Fratzen zeigen. Man wappnet sich wohl am besten gegen sie, wenn man sie in den Spiegel blicken lässt und sie mit ihrer eigenen Missratenheit konfrontiert. Es mag darüber gestritten werden, ob das Denkmal im Burggarten, das vor einigen Jahren zum Gedenken an die im Rindfleisch-Pogrom im Jahre 1298 ermordeten Juden der Stadt errichtet worden ist, der geeignete Ort ist, auch der im Dritten Reich in Rothenburg teilweise schikanierten und schließlich vertriebenen jüdischen Bürger zu gedenken, wie dies Stadtrat Friedl vorgeschlagen hat. Diverse Leserbriefe in der Zeitung zeigen jedoch, dass auch in Rothenburg die Ewiggestrigen sich einer redlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus entziehen möchten. Unser Ausschussmitglied Dr. Heuser hat ihnen in gebührender Form in der Presse etwas von falschem und richtigen Geschichtsbewusstsein erzählt. Dass man in Rothenburg stärker als bisher an die zwölf schrecklichen Jahre erinnern und dies nach außen hin deutlich sichtbar dokumentieren sollte, steht für mich außer Frage.
So wie die Vortragsreihe sich von der Archäologie bis hin in die jüngere Vergangenheit erstreckte – auch die Jahresgabe für das Jahr 2000, die umfangreiche und reich bebilderte Studie von Frau Heilmann über das Wildbad, der heuer in Bälde der Fortsetzungsband aus gleicher Feder folgen wird, beschäftigte sich ja mit einem eher „modernen Thema“ -, so sind auch die Aufgaben des Vereins vielfältig in ihrer Thematik und in ihrer zeitlichen Zielansprache. Und diese Aufgaben sind nicht nur vielfältig, ihre Zahl ist schier endlos. Allein aus diesem Grund sollten wir alles tun, um die ja gar nicht allzu zahlreichen Aktivisten, die sich in irgendeinem Bereich mit ihrem Sachverstand für Alt-Rothenburg einsetzen bzw. einsetzen könnten, an den Verein zu binden und zur Mitarbeit zu bewegen. Unsere Personaldecke ist nicht so lang und breit, als dass wir es uns leisten könnten, qualifizierte und fleißige Leute außen vor zu lassen. Freilich muss man auch auf uns zugehen. Nichts Schlimmeres könnte dem Verein widerfahren, als dass kleinliche persönliche Animositäten, Nachkarteln und In-der-Ecke-Schmollen die eigentlichen Sachthemen des Vereins überdecken. Wir brauchen nicht weniger Leute, sondern mehr, die im Ausschuss oder in Arbeitskreisen mitarbeiten.
Lothar Schmidt, 08.08.2002