25.03.2011 | Das frühe Rothenburg und die Staufer
Eckehardt Tittmann:
„Das frühe Rothenburg und die Staufer“
Zum Abschluss des Stauferjahrs 2010 referiert der Heimatforscher Ekkehardt Tittmann zum o.g. Thema.
20.00 Uhr | Gasthaus Glocke | Plönlein | 91541 Rothenburg ob der Tauber | Eintritt frei
Die Rothenburger Stauferburg als Kerker für den Kölner Erzbischof
Ekkehart Tittman referierte beim Verein Alt-Rothenburg über die Frühgeschichte Rothenburgs
Vergangenen Freitag (25.03.2011) zeigte sich im Rahmen der winterlichen Vortragsreihe des Vereins Alt-Rothenburg in der gut besuchten „Kelter“ des Gasthofs „Zur Glocke“, wie man mit Fleiß und Forscherspürsinn sowie durch die Kombination der verschiedensten historischen Hilfswissenschaften ein bisschen mehr Licht in die im Grunde recht „dunkle“ Entstehungszeit unserer Stadt bringen kann. Zudem stellte Ekkehart Tittmann eine Reihe interessanter Hypothesen und Fragestellungen zur Debatte, die die hiesige „Hochmittelalterdebatte“ unter Fachgelehrten wie Laienforschern ungemein anregen.
Aus der großen Fülle der von Tittmann ausführlich und mit reichhaltigem Bildmaterial vorgestellten Aspekte können im Folgenden nur einige in chronologischer Reihenfolge kurz vorgestellt werden.
Der Bergsporn links der Tauber zwischen Schandtauber- und Blinktal heißt „Spielberg“. Die Ortsnamenforschung und analoge Beispiele andernorts legen die Vermutung nahe, dass sich hier in ottonischer Zeit, also im 10. Jahrhundert, eine Gerichtsstätte bzw. ein Platz für Volksversammlungen befand. Als die Comburg-Grafen im 11. Jahrhundert in den Rothenburger Raum kamen und oberhalb des Wildbades auf dem Essigkrug ihre Burg errichteten, wurde dieses Machtzentrum über die Tauber in die neue Burganlage verlegt. Die ab 1142 entstehende staufische Königspfalz löste dann ihrerseits den „Essigkrug“ ab, an dessen Existenz man noch im 14. Jahrhundert unter dem Namen „alte Burg“ erinnerte. Noch heute ist die Wenggasse (mittelalterlich „Wendgasse“, das bedeutet „Grenzgasse“) die Trennlinie zwischen den Pfarreien St. Jakob und Heilig-Geist. Bis hierher verlief also der ehemals comburgische Machtbereich um Gebsattel mit der Burg auf dem Essigkrug.
Im Gebiet des ersten Rothenburger Mauerrings (Dominikanerinnenkloster, Judengasse, Weißer Turm, Markusturm, Alter Stadtgraben, Johanniterkommende) haben mehrere in den letzten Jahren von Bodendenkmalpfleger Horst Brehm und seinen Helfern durchgeführte archäologische Grabungen den Nachweis erbracht, dass der Bereich der inneren Stadt bereits vor dem Bau der Stauferburg teilweise bewohnt war. (Grubenhäuser, Keramikfunde) Wie umfangreich diese Siedlungen waren, ob es durch die Staufer zu einer „Wiederbegründung“ Rothenburgs kam, ist natürlich noch völlig unklar. Hier kann man auf weitere Funde hoffen.
Das Ausgreifen der Staufer in den Raum an der oberen Tauber war offenbar Teil eines großen territorialpolitischen Plans. Von ihrer überragenden oberrheinischen Machtbasis (Elsass, Pfalz) aus wollten sie quer durch Süddeutschland bis nach Nürnberg einen Sperriegel gegen ihre mächtigsten Konkurrenten, die Welfen, errichten, die die Herzogtümer Bayern und Sachsen innehatten. Die Erstürmung der Burg Weinsberg („Weibertreu“ mit der bekannten Sage) durch Konrad III. im Jahre 1140 war eine Episode dieser kriegerischen Auseinandersetzungen. Kurz darauf entstand die „Rothenburg“ an der Kreuzung extrem bedeutender Reichsstraßen (Speyer – Prag; Würzburg – Augsburg). Damit wurde eine Lücke geschlossen im sich allmählich bildenden „Stauferstaat“, in dem man zwischen Königsgut und Familienbesitz kaum mehr unterschied. (Rothenburg stammte aus dem Eigengut der Staufer.) Zur immer noch umstrittenen Deutung des Ortsnamens Rothenburg merkte der Referent Folgendes an: Die Farbe Rot stand im Mittelalter symbolisch für die „Hohe“, die Blutsgerichtsbarkeit, die ja zu den wichtigsten Herrschaftsrechten zählte. Die Rothenburg war also nach Tittmann die irgendwo rot gestrichene Burg mit einem herausgehobenen Gericht. (In Würzburg tagte das Geistliche Gericht „vor der roten Türe“).
Mit einer gewissen Berechtigung kann man annehmen, dass die Entstehung des Burgfleckens recht bald nach oder gar gleichzeitig mit dem Bau der Burg erfolgte. Möglicherweise, so Tittmann, kann man an eine „Bauarbeitersiedlung“ denken. Die schon 1144 bezeugte Anwesenheit eines hohen königlichen Beamten, des Vogts Arnold von Rothenburg, der als Truchsess des Königs fungierte, könnte ein Hinweis auf die schon früh einsetzende Bedeutung der jungen Siedlung und ihre zügige Entwicklung zur Stadt sein.
Eine bisher in dieser Deutlichkeit nicht vertretene These ist Tittmanns Vermutung, an der „Stadtgründung“ Rothenburgs seien möglicherweise Juden in größerem Umfang beteiligt gewesen. Nachdem es bereits beim 1. Kreuzzug mit dem Ziel der Eroberung des Heiligen Landes zu massiven Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung vieler deutscher Städte gekommen war, wiederholte sich dieses Trauerspiel beim Aufbruch zum 2. Kreuzzug 1146/47. Zu den sich sammelnden Ritterheeren gesellte sich ein durch antisemitische Hassprediger aufgestachelter Mob, der im Rheinland und schließlich auch in Würzburg sein Unwesen trieb. König Konrad III., Fürsten und Bischöfe konnten dem Treiben nicht Einhalt gebieten, so dass der König schließlich viele Juden in einer sicherlich dramatischen Umsiedelaktion in „königliches Land“ brachte und damit in Sicherheit. Namentlich erwähnt wird in diesem Zusammenhang das große Nürnberg, es wird aber auch auf kleinere Städte hingewiesen, in denen die Juden den Schutz des Staufers fanden. Unter ihnen könnte, ja müsste auch Rothenburg gewesen sein. Diese (vermutete) Ansiedlung einer größeren Anzahl von Juden hätte dann sicherlich die Entstehung einer Siedlung städtischen Charakters beschleunigt.
Die „Nutzung“ Rothenburgs durch das Staufergeschlecht und die gelegentliche Bezeichnung von Staufern als „Herzog von Rothenburg“ im 12. Jahrhundert erklärte der Referent recht überzeugend. Es handelte sich wohl eher um ein „Titularherzogtum“, mit dem nachgeborene Söhne oder Neffen ausgezeichnet wurden, um ihren hohen Rang im dynastischen Beziehungsgeflecht zu betonen. Auf innerfamiliäre Konflikte zwischen einzelnen Mitgliedern der Sippe, auf europaweite Beziehungen der (unglücklich endenden) wenigen „Herzöge von Rothenburg“ wurde ausführlich eingegangen. (Der Barbarossaneffe Friedrich starb jung auf einem Italienzug, sein Sohn Konrad, offenbar ein Wüstling und außerordentlicher Gewaltmensch, wurde vielleicht von einem Ehemann oder gar von einer vergewaltigten Frau erschlagen. Beide bezeichneten sich nach Rothenburg, die hiesige Burg könnte ihnen zeitweise als „Residenz“ gedient haben.) Was es mit dem auf der neuen Stauferstele im Burggarten zu lesenden Zusatz „von Rothenburg“ im Zusammenhang mit der Erhebung Konrads von Staufen zum Herzog von Franken 1116 auf sich hat, müsste noch genauer untersucht werden.
Dass die Rothenburger Burg im staufisch-welfischen Thronstreit zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV. eine (Neben-)Rolle spielte, war bisher vollkommen unbekannt. Der Kölner Erzbischof Adolf von Altena/Berg, eigentlich der Königsmacher Ottos bei der Doppelwahl von 1198, war zur Partei Philipps übergetreten, so dass die welfische Partei mit päpstlicher Unterstützung in Köln einen Gegenbischof wählte, nämlich Bruno von Sayn. Während der kriegerischen Auseinandersetzungen um den Kölner Bischofsstuhl kam es im August 1206 bei Wassenburg (westlich) von Köln zu einer großen Schlacht, in der König Otto verletzt und Bischof Bruno gefangen genommen. Bis November 1207 wurde er auf mehreren Burgen eingekerkert, unter anderem auf dem festen Trifels in der Pfalz. Zu den Orten seiner Haft zählte auch das „castrum firmissimum Rodenburch“! Dieser Fund Ekkehart Tittmanns in einer sächsischen Chronik des Mittelalters ist nun tatsächlich für unsere Stadtgeschichte etwas völlig Neues. Damit ist auch die Stärke der Rothenburger Befestigungsanlage belegt, denn eine solch wichtige Persönlichkeit hielt man ohne Zweifel nur in einer absolut sicheren Burg gefangen.
Zum Abschluss seien die zahlreichen Fotoaufnahmen erwähnt, die den Vortrag veranschaulichten, besonders einige phantastische und überaus aufschlussreiche Luftbilder von Georg Reifferscheid und Willi Pfitzinger. Man sollte sie ebenso wie den Text des Vortrags der Öffentlichkeit in gedruckter Form vorstellen.
Dr. Richard Schmitt