Jahresbericht 1998/99
Vor gut einem Jahr hat unser Verein sein hundertjähriges Jubiläum gefeiert (Anm. 1998). Dieser Jahresbericht ist folglich ein Schritt in ein neues Jahrhundert der Vereinsgeschichte. Wir wollen aber nicht allzusehr in der Vergangenheit schwelgen oder die Erfolge und Mißerfolge der Vereinsgeschichte noch einmal ausführlich Revue passieren lassen. Das ist bereits zur Genüge geschehen.
Ich möchte aber doch daran erinnern, wie der Verein in den ersten zwei Dritteln seiner Existenz sich in hohem Maße mit den in der Regel bösen Auswirkungen der allgemeinen, der „großen“ Geschichte auseinandersetzen musste und darunter litt.
Dies beginnt möglicherweise in der Gründerzeit des Vereins, als Vertreter einer dominanten kleinstädtischen Elite die Vereinslinie auf Jahrzehnte hinaus prägten und eine spezifische Rothenburg-Ästhetik formulierten, gegen die damals sowohl Vertreter der Moderne als auch – und das ist im Grunde recht interessant – extreme Butzenscheiben- und Fachwerkromantiker keine Chance hatten. An dieser Position der „wilhelminischen“ Epoche mag man heute herumktitikastern und über sie die Nase rümpfen; im Grunde aber müßte man sie erst einmal richtig erforschen.
Der Erste Weltkrieg und die Not der Nachkriegsjahre ließen natürlich die Möglichkeiten des Vereins zusammenschrumpfen. Kaum hatte man sich bei den in der Regel ja deutschnationalen Alt-Rothenburgern mit der wohl als schäbig empfundenen Normalität der leicht erholten Weimarer Republik abgefunden, kam die Hitler-Diktatur. Gewiß von vielen Alt-Rothenburgern begrüßt, war sie dennoch alles andere als eine glorreiche Zeit für den Verein, der nun aller Chancen zu einer eigenständigen Meinungsbildung beraubt war und im Rahmen der Gleichschaltung zwar äußerlich hochgeachtet weiterexistierte, jedoch zum Claqueur degradiert wurde. Es war ja auch gar nicht so wichtig, was damals der Verein Alt-Rothenburg tat. Denn auf die kurze Zeit eines ohnehin größtenteils in den Hirnen der Propagandafritzen und in den Wochenschaufilmchen existierenden Aufschwungs folgte der Krieg, zunächst an der „Heimatfront“ in Form einer merklichen Verarmung spürbar, dann in der größten Katastrophe und Zerstörungsorgie mündend, die Deutschland, aber auch die alte Reichsstadt an der Tauber jemals erlebt hatten.
Anschließend kam für den Verein eine Pause, bis er von den amerikanischen Besatzern wieder zugelassen wurde. Die folgenden Jahrzehnte wurden bestimmt vom Wiederaufbau und der Diskussion um die Gestaltung des Stadtbildes. Wieder, und vermutlich ähnlich stark wie in der Zeit um 1900 mischte der Verein mit bei der Ausarbeitung des Gesamtkunstwerks „Alt-Rothenburg“. Ich spreche hier nicht von einer gezielten, sowohl von schnödem Eigennutz als von ästhetischer und historischer Inkompetenz gelenkten „Inszenierung“ eines Pseudo-Mittelalters, wie es Michael Kamp für die Mannen um Scheibenberger, Hübscher und Adam Hörber in polemisch-überspitzter Weise getan hat. Den Alt-Rothenburgern der Wiederaufbauzeit zolle ich ein hohes Maß an Bewunderung für ihre Mitarbeit an einem Jahrhundertwerk, das in enger und positiver Zusammenarbeit zwischen Behörden, Privatleuten und eben auch Institutionen oder Bürgervereinigungen, um ein modernes Wort zu gebrauchen, wie dem Verein in recht sachlicher und sachorientierter Atmosphäre zustande gebracht wurde. Ich habe es schon mehrmals angeregt: auch und gerade die Epoche des Wiederaufbaus der Stadt Rothenburg o. d. T. verdiente eine wissenschaftliche Bearbeitung. Hier muss leider angemerkt werden: wie bei der Erforschung bzw. Dokumentation der Stadtgeschichte im Nazireich sterben auch hier die Zeitzeugen allmählich weg. Man sollte etwas tun.
Erst seit dem Ende der eigentlichen Wiederaufbauzeit möchte ich davon sprechen, daß der Verein ohne größere politische Rücksichten und ohne massive Einschränkungen durch Zeiten der Krisen und Not seinen Zielen nachgehen kann, natürlich nach wie vor in enger Verknüpfung mit der Stadt.
Diese Freiheit von Not und diese Unabhängigkeit hat allerdings die Arbeit des Vereins nicht leichter gemacht, eher im Gegenteil. Herrschte etwa zur Zeit des Wiederaufbaus ein ziemlich alle Bevölkerungsschichten der Stadt umfassender Konsens hinsichtlich der Ziele von Denkmalpflege und Stadtplanung, war also der Verein noch fest in der Bevölkerung verwurzelt und konnte sich in Konfliktsituationen – in der Regel wegen brutaler Modernisierungsvorhaben – der Unterstützung der Stadt und der Öffentlichkeit sicher sein, so ist das heute in einer Zeit, in der die Verhältnisse durch die schnelle Entwicklung und Veränderung wissenschaftlicher und denkmalpflegerischer Erkenntnisse und Konzepte auf der einen und durch die immer rasanter und schier zwanghaft ablaufenden ökonomischen Vorgänge im Vergleich zu früheren Jahrzehnten komplizierter, differenzierter und letztlich weniger beherrschbar geworden sind, nicht mehr so.
An einem Beispielen aus dem verflossenen Vereinsjahr möchte ich Ihnen das illustrieren.
Das Haus Hafengasse Nr. 18, die ehemalige Schreibwarenhandlung Gahm, kam im letzten Jahr in die Schlagzeilen. Ein möglicher Käufer für das Haus richtete eine Bauvoranfrage an die Stadt, derzufolge er das Haus nur unter der Bedingung erwerben könne, falls die Stadt ihm im Vorhinein eine Abrißgenehmigung erteile.
So verständlich und nachvollziehbar es ist, wenn ein Geschäftsmann den größtmöglichen Profit sucht, so inakzeptabel ist es natürlich von unserem Standpunkt aus, daß ein Bauwerber in der Rothenburger Altstadt in einer Art Erpressungsversuch die Vernichtung wertvoller historischer Bausubstanz kaltblütig und zugleich wohl aus Unkenntnis der Bedeutung des Bauwerks anstrebt.
Die Haltung des Stadtrates in dieser Frage schien zunächst abwartend und wurde von uns aufmerksam verfolgt. Der Vereinslinie entsprechende Stellungnahmen wurden vom 1. Vorsitzenden in der Presse abgegeben. Als dann ein anderer Interessent auf den Plan trat, der das Haus erwerben und zugleich erhalten wollte, schien die Sache für die Vorstandschaft im positiven Sinne „gelaufen“ zu sein. Man beobachtete weiter. Erst als sich das Vorhaben des zweiten Bewerbers verzögerte, als für ihn Schwierigkeiten auftraten und die Abrißpläne einer Entscheidung durch den Stadtrat entgegensahen, hat der Verein den Schritt an die Öffentlichkeit getan, hat zuvor an den Oberbürgermeister, den Stadtbaumeister und die Mitglieder des Bauausschusses appelliert. Das angeblich zögerliche Verhalten des Vereins wurde aus den eigenen Reihen, offenbar aber auch in der Stadt von engagierten Bürgern moniert. Ich finde aber, wir haben zum richtigen Zeitpunkt das Richtige getan, ohne übertriebenen Aktionismus. Und wir haben schließlich auch Erfolg damit gehabt – zumindest vorläufig. Die Zerstörungspläne für das Gahm-Haus sind hoffentlich ein- für allemal gescheitert, zukünftigen Bestrebungen, den Abriß eines historischen Altstadt-Wohnhauses von vorneherein einzuplanen, könnte damit ein Riegel vorgeschoben worden sein. Das heißt: Leute, die Ähnliches planen wie es in der Hafengasse der Fall war oder noch ist, haben hoffentlich einen Dämpfer verpaßt bekommen und werden die Finger von solchen Attacken auf die historische Substanz der Stadt lassen.
Kompliziert war die Behandlung des Falles Hafengasse 18 für den Verein, da es ähnlich wie bei der Stadtarchäologie noch immer nicht gelungen ist, ins Bewußtsein vieler Bürger zu verankern, wie wichtig auch die schlichte und nebensächlich erscheinende Architektur des einfachen Bürgerhauses für das Stadtbild und für die Geschichtsforschung ist. Ebenso ist es wohl noch zu wenig bekannt, wie sich mit phantasievollen, erfindungsreichen, aber doch keineswegs mehr so selten praktizierten architektonischen Lösungen historische Gebäude, und scheinen sie noch so unbewohnbar für moderne Ansprüche, nutzen lassen.
Die logische Konsequenz, so mögen Kritiker des Vereins meine Ausführungen interpretieren, müsste doch dann sein, daß seitens des Vereins mehr Aufklärungsarbeit erfolgen sollte. Dies ist natürlich richtig, doch eine stärkere, offensivere Informationspolitik seitens des Vereins ist bei der momentanen Zusammensetzung von Vorstand und Ausschuß vor allem wegen vielfältiger beruflicher und privater Verpflichtungen kaum möglich. Wir würden uns deshalb über jeden freuen, der im Rahmen der Möglichkeiten des Vereins – Vorträge, Publikationen, Zeitungsartikel usw. – dazu beitragen möchte, die Ziele moderner Denkmalpflege und Stadterhaltung in Rothenburg populär zu machen.
In diese Richtung, nämlich die Aufgabenbereiche der Denkmalpflege zu aktualisieren und zu erweitern, gingen zwei Anträge auf der Jahreshauptversammlung 1998.
Der erste wurde aus den Kreisen des Naturschutzes an uns herangetragen, da befürchtet wurde, eine mögliche Nordumgehung der Straße für den Autoverkehr im Bereich Detwanger Steige/Heckenacker würde das sensible Gefüge des Taubertales gefährden. Selbstverständlich gehört das Taubertal um Rothenburg kraft Satzung zu den Aufgabenbereichen des Vereins, doch nach gründlicher Information seitens der Vorstandschaft erschien es uns eher unwahrscheinlich, dass ein derartiges Straßenbauprojekt jetzt oder in näherer Zukunft bevorstehen könnte, zumal das Verkehrsaufkommen dort eher gering erscheint. Dennoch – falls derartiges irgendwann einmal drohen sollte, ist der Verein natürlich gefragt.
Den zweiten Punkt, um den es damals ging, möchte ich allerdings als gewichtiger einschätzen. Auch darüber wurde in unseren Ausschußsitzungen diskutiert, wenn auch eher unverbindlich. In der Jahreshauptversammlung 1998 wurde nämlich von verschiedenen Vereinsmitgliedern angeregt, neben der Altstadt und ihrem Mauergürtel auch die äußeren Bezirke der Stadt in den Schutzauftrag des Vereins mit einzubeziehen. Die Antragsteller haben dabei möglicherweise an den weitgehenden Abriß des Brauhauses vor dem Klingentor gedacht, der vor Jahren erfolgte, gewiß natürlich an die zahlreichen öffentlichen Bauten aus der Zeit der Jahrhundertwende, denen natürlich keine große Gefahr zu drohen scheint, aber auch an die Privathäuser der historistischen Ära, die vom vornehmen Villencharakter bis hin zur putzig-fachwerkigen Kleinbürgerarchitektur ein vielfältiges Spektrum aufweisen und über weite Strecken sehr gut erhalten sind.
Eine gewisse Scheu seitens des Vereins liegt gewiß und zu Recht darin begründet, daß eine Ausdehnung unseres Aufgabengebietes auch zu einer gewaltigen Vermehrung der Aufgaben und damit der Arbeitsbelastung führen würde. Vor allem jedoch herrscht in unseren Reihen wohl noch keine Klarheit darüber, wie schützenswert letztlich die Baudenkmäler des 19. Und 20. Jahrhunderts sind in einer Stadt wie Rothenburg, die das Mittelalter auf ihre Fahnen geschrieben hat. Das Amtsgericht, das filmkulissenreife Gasthaus „Rödertor“, das Notariat – wohl ja; die „Hasa-Fabrik“, die Wohnbebauung an der Erlbacher Straße auch? Das weiß man nicht so recht.
Fast spruchreif wurden diese Fragen, als im vergangenen Jahr der Städtische Bauhof an eine Einzelhandelsfirma der unteren Preisklasse verkauft wurde und infolgedessen die Bauhofgebäude aus dem ersten Viertel unseres Jahrhundert abgerissen wurden. Gewiß handelte es sich dabei nicht um einzigartige, außergewöhnlich originelle Architektur, aber an dieser doch markanten Kreuzung an der Erlbacher Straße bildete der Bauhofkomplex zusammen mit der Turnhalle, dem Schlachthof und der gegenüberliegenden historistischen Wohnbebauung ein vertrautes und das Stadtbild bereicherndes Ensemble. Erst jetzt, da statt des Bauhofes eine 08/15-Einkaufsscheune samt ausgedehntem Parkplatz mit Betonsteinpflasterung und Standard-Begleitgrün Marke Bau- und Gartenmarkt entstanden ist, wird der Verlust vielleicht von manchem erkannt.
Es war in der damaligen Ausschußsitzung in erster Linie unser langjähriges Ausschußmitglied Frau Bert, die energisch Einspruch erhob gegen den Abriß. Da die Würfel schon gefallen waren, geriet die Diskussion knapp, für mich im Nachhinein zu knapp. Ich denke, wir sollten uns mit dieser Thematik einmal in aller Ruhe grundsätzlich beschäftigen.
Das hundertjährige Vereinsjubiläum prägte selbstverständlich auch unsere Aktivitäten im Bereich der wissenschaftlichen und kulturellen Arbeit.
Zum einen ist hier zu nennen die von Stadtarchivarin Frau Krösche organisierte und von Herrn Dr. Möhring unterstützte Ausstellung im Stadtarchiv, die bemerkenswerte Exponate aus dem Vereinsarchiv, dem Vereinsschrifttum und dem Bestand an Kunstgegenständen in der Vorweihnachtszeit im Ausstellungsraum des Büttelhauses präsentierte. Die Ausstellungseröffnung im Beisein auch zahlreicher Stadträte könnte dazu beigetragen haben, die Bedeutung des Vereins und seiner Anliegen wieder stärker ins Bewußtsein der politisch Verantwortlichen zu rücken. Frau Krösche soll hier für ihre Mühe und umfangreiche Arbeit herzlich gedankt werden; die immerhin ganz passabel besuchte Vereinsschau war sowohl unter inhaltlichen wie gestalterischen Gesichtspunkten außerordentlich gelungen. Wiederholungen bzw. Fortsetzungen können wir natürlich nicht verlangen, aber wir können auf sie hoffen.
Für die winterliche Vortragsreihe war nach dem Ausscheiden von Dr. Schnurrer aus der Vorstandschaft im verflossenen Vereinsjahr unser kommissarischer 2. Vorsitzender Ekkehart Tittmann verantwortlich. Mit großem Einsatz gelang es ihm, neue und hochinteressante Referenten zu gewinnen, die sich mit Themen beschäftigten die engen Bezug zur Stadtgeschichte hatten. Zu nennen ist zunächst der Vortrag von Prof. Lotter, Göttingen, der über die großen Judenpogrome der Jahre 1298 und 1336. , also das sogenannte Rindfleisch- und das Armleder-Pogrom, sprach und dabei neben den Ursachen und größeren Zusammenhängen dieser mörderischen Aktionen auch die unmenschlichen Vorkommnisse in Rothenburg darlegte und erläuterte. Damit wurde ein düsteres Kapitel der Stadtgeschichte wohl erstmals auf der Grundlage des neueren Forschungsstandes aufgearbeitet.
Im engen Zusammenhang mit dem Thema von Prof. Lotter stand der Vortrag von Prof. Müller aus Würzburg, der über die Würzburger Judengrabsteine aus dem Mittelalter sprach, die man vor einiger Zeit im Würzburger Stadtviertel Pleich geborgen hat und die zu den bedeutendsten Fundkomplexen ihrer Art gehören. Das blühende Leben der bedeutenden jüdischen Gemeinden in den großen Städten des hohen und späten Mittelalters wurde damit verdeutlicht, Parallelen zu Rothenburg konnten gezogen werden.
Dass wir uns im Jubiläumsjahr des Vereins auch und gerade mit der jüdischen Vergangenheit Rothenburgs lag nicht nur daran, dass der Verein kraft seines Selbstverständnisses eben auch historische Aufklärungsarbeit leisten und moderne Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen will. Dies hatte natürlich auch mit dem Gedenken an das Jahr 1298 zu tun, in dem die Stadt die bis heute umfangreichsten und wohl brutalsten Eruption von Gewalt, ja Bestialität erlebte – und zwar nicht durch auswärtige Feinde, sondern verübt von Bürgern gegenüber ihren Mitbewohnern.
An dieses schreckliche Ereignis wird noch in diesem Jahr ein Mahnmal im Burggarten, genauer an der Blasiuskapelle, also innerhalb des Geländes der hochmittelalterlichen Burg, dem Hauptschauplatz des grausigen Geschehens, erinnern. Angefertigt wird die Plastik von Peter Nedwal, der auch den Entwurf lieferte. Die Anregung zu diesem würdigen und auch am richtigen Ort plazierten Denkmal kam meines Wissens aus den Reihen unseres Vereins, nämlich von Ausschußmitgliedern wie Dr. Heuser oder Gustaf Weltzer, die mehrfach und mit einer gewissen Hartnäckigkeit darauf hinwiesen, dass in diesem Gedenkjahr etwas getan werden sollte. Dank des massiven finanziellen Engagements des Verkehrsvereins konnte das mutige Projekt schließlich in die Tat umgesetzt werden.
Dr. Lubich aus Schwäbisch Hall klärte in seinem Vortrag die Genealogie und Geschichte des Comburger „Grafenhauses“, wobei interessante Thesen zur Frühgeschichte Rothenburgs vorgestellt wurden. Die comburgisch-staufische „Verwandtschaft“ und damit die Erklärung für das „staufische“ Rothenburg können damit wohl endgültig ad acta gelegt werden.
Und schließlich sei hingewiesen auf den sehr gut besuchten Abend mit Anja Friedl aus unserer Stadt, die über ihre Forschungsergebnisse zur Frühgeschichte des Nationalsozialismus referierte. Ihre interessanten und anschaulich dargebotenen Ausführungen lassen auf eine Fortsetzung hoffen und machen natürlich auf die anstehende Publikation gespannt.
Wie schon die beiden vorangegangenen fand auch die Jahresgabe 1998, die sich überwiegend mit Themen der Stadt- und Vereinsgeschichte beschäftigt, Anerkennung und Zuspruch seitens der Vereinsmitglieder und der Öffentlichkeit. Die Verteilung der Jahresgabe verzögerte sich jedoch in manchen Fällen, so dass unter Umständen auswärtige Mitglieder früher im Besitz des Buches waren als einheimische. Wir bitten hier um Nachsicht, muss sich doch die Verwaltung des Vereins, die ja auf wenigen Schultern lastet, nach den Wechseln innerhalb der Vorstandschaft und der teilweisen Umstellung auf elektronische Datenverarbeitung noch einspielen. Ich selber habe nur teilweise ein schlechtes Gewissen, habe ich doch persönliche Opfer gebracht, als ich etwa bei der Abholung der Jahresgaben aus dem Stadtarchiv mit meinem PKW einen Bußgeldbescheid der städtischen Parkwächterei kassierte, der trotz vorsichtigen Widerspruchs unnachsichtig vollzogen wurde. Dies nur am Rande.
Ansonsten war das Verhältnis zur Stadt in der Regel positiv. Zu besonderem Dank verpflichtet sind wir der Stadt dafür, daß sie uns den Röderturm auch weiterhin und recht unbürokratisch überlassen hat; ein wichtiges finanzielles Standbein des Vereins wurde damit auf mittlere Sicht erhalten und damit auch trotz sinkender Einnahmen – über die Ihnen gleich unser Kassier berichten wird – eine gewisser Aktionsspielraum.
Daß die finanziellen Möglichkeiten des Vereins wahrscheinlich in nächster Zeit knapper sein werden, beeinträchtigt selbstverständlich unsere Möglichkeiten. So wurde im letzten Vereinsjahr an Ankäufen lediglich eine Inkunabel von Koberger aus Nürnberg (15. Jahrhundert) für knapp unter 5000. – DM für das Archiv angeschafft. Wahrscheinlich müssen wir sowohl bei den Ankäufen als auch bei den Veröffentlichungen „abspecken“ und kürzer treten. Das soll nicht heißen, daß wir unseren Aufgaben nicht mehr nachkommen werden können, aber wir müssen Schwerpunkte setzen und dürfen unsere Mittel nicht verzetteln. Dieses nun notwendige Maßhalten paßt aber ganz gut in die allgemeine politische und wirtschaftliche Großwetterlage. Insofern ist der Verein voll auf der Höhe der Zeit.
Die Zeit, die unbarmherzige, hat es nun auch mit sich gebracht, dass wir mit Ablauf des vergangenen Vereinsjahres mehrere verdiente Ausschußmitglieder verlieren. Damit meine ich natürlich nicht Frau Däschner und Herrn Brehm, die sich angesichts ihrer Rechtsstreitigkeit mit der Stadt wegen des am Grünen Markt gefundenen Münzschatzes aus dem Ausschuß zurückgezogen haben. Diesen für die Rothenburger Altstadtarchäologie äußerst negativen Vorfall möchte und kann ich hier nicht kommentieren. Ich möchte lediglich vorsichtig anmerken, dass es in Anbetracht der großen Verdienste und des bisherigen völlig uneigennützigen Arbeitens der hiesigen Stadtarchäologie möglich hätte sein müssen, eine gütliche Einigung zu erzielen. Der Verein hatte mit dieser leidigen Angelegenheit nichts zu tun. Wir können nur hoffen, daß es auch in Zukunft mit der Bodendenkmalpflege in der Stadt weitergeht und wichtige Quellen zur Stadtgeschichte nicht unnötig und unbeachtet verloren gehen.
Dem Ausschuß werden in Zukunft leider nicht mehr angehören unsere langjährigen Mitglieder Frau Bert, der in den Ruhestand getretene Stadtbaumeister Herr Severini sowie Herr Boas.
Frau Bert und Herr Boas gehörten dem Ausschuss seit 1971, also inzwischen 28 Jahre an und haben durch zurückhaltendes, aber sicheres Urteil, durch Freundlichkeit und Takt für ein manchmal in der Hitze der Tagesgeschäfte notwendiges Maß an Kontinuität und Gelassenheit beigetragen. Wir werden sie vermissen.
Herr Severini hat dem Ausschuß seit 1973 angehört. Als Stadtbaumeister saß er, betrachtet aus der Perspektive des Vereins, ein Vierteljahrhundert zwischen den Stühlen, war einerseits eine unentbehrliche Anlaufstation und Informationsquelle, ohne die eine erfolgreiche Vereinsarbeit in Angelegenheiten der Denkmalpflege gar nicht möglich gewesen wäre, wurde andererseits – das liegt in der Natur der Dinge, nämlich der satzungsgemäßen Strukturen und Aufgaben des Vereins oft genug als Inhaber der für uns wohl wichtigsten Funktion innerhalb der Stadtverwaltung gefragt, kritisiert, gelegentlich wohl hart attackiert. Nicht immer zu Recht, wie ich im Nachhinein meine.
Für seine langjährige und erfolgreiche Tätigkeit als Stadtbaumeister wie als Ausschußmitglied in unserem Verein möchte ich Herrn Severini hier von ganzem Herzen danken. Er hat vieles erlebt und mitgestaltet, was die Anliegen des Vereins betraf, die Affäre um die „Mini-Hochhäuser“ im nördlichen Weichbild der Stadt, den Ausbau des Reichsstadt-Museums, die Scheunenproblematik in der Altstadt, die Diskussion um den Bebauungsplan usw. Darüber sollte nicht vergessen werden, dass er in seiner Tätigkeit vieles, ja sehr vieles erledigte, was den Verein eigentlich beträfe, aber durch die Arbeit des Stadtbauamtes zumeist überflüssig wird, nämlich die Pflege der historisch bedeutsamen städtischen Denkmale, vom Rathaus bis zum letzten Stadtmauerturm. Daß wir uns in solchen Fragen kaum jemals einschalten mußten, daß dies wie selbstverständlich und fachgerecht geschieht, übersehen wir, da es zur Rothenburger Normalität gehört. Aber so selbstverständlich ist das eigentlich gar nicht. Auch und gerade dafür gilt heute Herrn Severini als Leiter des Stadtbauamtes der Dank des Vereins Alt-Rothenburg.
Der Nachfolger von Herrn Severini soll heute abend kurz vorgestellt werden. Herr Mühleck ist der neue Stadtbaumeister und wird kraft Amtes dem Vereinsausschuß angehören. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit, wir können ihm ein konfliktfreies Leben im Ausschuß nicht garantieren, aber wir wünschen ihm und uns einen fairen und verständnisvollen Umgang miteinander. Denn eines muss hier einmal gesagt werden: die Beziehungen zwischen Verein und Stadt sind ja in der Regel gut und harmonisch, wir ziehen in den meisten Fällen am gleichen Strang, sind uns in der Sache einig.
Das war und ist in diesem Verein seit hundert Jahren der Fall, gelegentliche Mißtöne, ja Eklats bleiben zwar im Gedächtnis lange haften, bestimmen aber dennoch das Klima nicht und haben es im Grunde nie für lange Zeit bestimmt. Daß das so bleiben möge, wünsche ich dem Verein und der Stadt in der mir eigenen Bescheidenheit für das nächste Jahrhundert.
Dr. Richard Schmitt, 08.08.2002